Die Zentralbank von Caqueland, der Tresorraum. Wumme Groß-Reich, eine dicke Frau, teuer gekleidet, mit Pelzstola und sehr langem Abendkleid, schmuckbehangen, öffnet ihr Schließfach und studiert den Inhalt.
ROBERT H. BALES
DER TOD DER DUMMEN NUSS
(ZYKLUS DER UNBÄNDIGEN GIER I.)
SCHAUSPIEL IN 5 AKTEN
MIT EINEM VORSPIEL UND EINEM GEHÖRIGEN NACHSPIEL
PERSONEN
Wumme Groß-Reich, eine dumme Nuss
Wurm Groß-Reich, Ehemann
Fidibus und Closetta Groß-Reich, dicke Kinder
Leberecht von Trottwitz, Mieter
Kommissar Schafskopf, Kriminalist
Richter Rosetto, die Verkörperung der Justiz
2 Allmachtsoffiziere
Diverse Stimmen
Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
VORSPIEL
Die Zentralbank von Caqueland, der Tresorraum. Wumme Groß-Reich, eine dicke Frau, teuer gekleidet, mit Pelzstola und sehr langem Abendkleid, schmuckbehangen, öffnet ihr Schließfach und studiert den Inhalt.
Wumme: Ich fass es nicht, ich fass es ja nicht, alles Geld ist weg. Verloren für immer. All die Aktien waren nur bis gestern gültig, ich komme zu spät. Was mach ich nur, ich armer Wicht, denn ohne Luxus leb‘ ich nicht. Dennoch: Jetzt sind wir arm und eine Lösung muss her. Muss!
Vorhang
1. AKT
Das Haus der Familie Groß-Reich in Caqueland. Das Wohnzimmer ist mit Pelzen ausgelegt, auf einem Pfauenthron sitzt Wurm Groß-Reich und blättert in einem Bilderbuch. Die Kinder Fidibus und Closetta essen große Torten. Auftritt Wumme.
Wurm: So aufgeregt Weib, was war, was ist, was wird sein?
Wumme: Alles weg, ich fass es nicht, kein Geld mehr. Wurm, wir sind arm!
Die Kinder schreien auf und spucken Torte gegen die Brokatvorhänge.
Fidibus: Arm, o nein, das darf nicht sein.
Closetta: Was wird jetzt mit meinem dritten Haus, das mir versprochen ist?
Fidibus: Und ich verzichte nicht auf mein fünftes Auto. Nimmer.
Wurm: Waren die Aktien etwa nur bis gestern gültig? Du dumme Nuss!
Wumme: O Wurm, dieses Unglück. Was sagen jetzt die Anderen. Nie wieder werde ich mit Trüffeln kochen können.
Wurm, Fidibus und Closetta: Geld muss her, Geld muss her, ohne Geld ist’s Leben schwer.
Wumme: Einen Einfall hätt ich freilich jetzt. Aber er bedarf des Mutes.
Wurm: Du meinst das Haus deines toten Vaters?
Closetta: Da darf man nicht drin wohnen, es ist giftig dort und baufällig.
Fidibus: Opa ist am Gift und der schlechten Substanz gestorben.
Wumme: Egal! Ich geh auch über Leichen. Das Haus wird teuer vermietet und wir haben wieder Geld. Basta.
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2. AKT
Im giftigen Haus. Leberecht von Trottwitz, mit dunkler Sonnenbrille und blind, begutachtet zusammen mit Wumme Groß-Reich das Haus. Es handelt sich um eine Ruine mit entsetzlichem Schimmelbefall. Wumme Groß-Reich ist teuer gekleidet und ihr hochfrisiertes Haar glänzt wie Gold.
Wumme: Das ist wohl die Chance ihres Lebens. Es ist das Haus der Häuser, ein Kleinod, eine Perle, ein Schatz, was sag ich, ein Juwel.
Leberecht: Ganz billig ist es wohl nicht.
Wumme: Aber ein bisschen muss ich doch auch verdienen. Und beachten sie die Ausstattung.
Leberecht: Gefallen tut’s ja schon und Ruhe hätt ich hier. Und Platz. In der Stadt steht mir ja immer alles nur im Weg.
Wumme: Und alles was noch gemacht werden muss, wird wohl auch gemacht werden. Ich versprech’s ihnen in die Hinterhalt…Hinterhand.
Leberecht: Ist’s Familienbesitz?
Wumme: Wir sind wohl sehr reich durch Raffinesse und ehrlich sind wir auch. Wir lügen nie und gehen aufrecht. Da bringt man es zu was. Das glauben sie mir.
Leberecht: Mir scheint, sie sind eine Gutfrau. Ihnen kann man trauen. Sie sind eine ehrliche Haut.
Wumme: Gewiss. Nun, hier ist der Vertrag. Da ist wohl der Passus drin, dass ich jederzeit Zugriff auf ihre gesamte Barschaft habe. Vertrauen muss sein!
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3.AKT
Im Hause Groß-Reich, wo jetzt alles vergoldet ist und sich mitten im Wohnsaal ein Wasserfall aus flüssigem Platin befindet. Wumme Groß-Reich hat sich ihre Nase mit Blattgold belegen lassen und tanzt im Smaragdkleid wie toll durch den Raum. Sie singt.
Wumme: Ach wie gut dass niemand weiß, dass ich rede großen Scheiß. Dass ich gierig bin und böse, von meinem Kopf bis zu der Möse. Ich lüge gern auf Schritt und Tritt, niemand sonst kommt da noch mit. Ich lebe schnell, ich lebe eilig. Und nur zum Schein da bin ich heilig. Schließlich komm ich aus dem letzten Dreck, doch der Dreck, der ist jetzt weg.
Wurm: Du bist gar voller Überschwang. Pass nur auf, dass deine Spielchen nicht sichtbar werden.
Wumme: Die Spielchen einer Klugen? Wie kann man die enttarnen? Außerdem: Wünsch’s dir nicht, mein ganzes Leben baut auf Lüge. In den Abgrund würdest du mir folgen.
Wurm: Ach, manchmal hätt ich’s gerne ehrlich.
Wumme: Ich bin wer und nicht irgendwer. Wär ich ehrlich, wär ich der. So aber blicken die Menschen zu mir auf und wertschätzen meine Wesenheit.
Wurm: Aber ist es gottgewollt, dass all das hier auf Lügen fußt?
Wumme: Komm mir nicht mit dem, den brauch ich nur zum schönen Schein. Nein, ich bin ein Schwein. Ein reiches Schwein. Das reichste Schwein von Caqueland. Geh, beantworte du das Telefon. Und bloß keine Bagatellen.
Wurm: Mein Gott, Wumme, Katastrophe. Das Haus ist zusammengebrochen und der von Trottwitz zerquetscht wie eine Schnecke. Jetzt bist du auch noch eine Mörderin.
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4. AKT
Wumme Groß-Reich irrt durch ihren verdunkelten Wohnsaal. Sie trägt eine schwarze Toga und einen Hut mit Eselsohren. Irre ist ihr Blick. Kommissar Schafskopf betritt den Raum, er trägt ein graues Tweed-Kostüm und hält eine original Caqueländer Leuchtlupe in der Hand.
Wumme: Und er ist wirklich tot?
Schafskopf: Zermalmt von der Last der Steine.
Wumme: Aber vielleicht war es Selbstmord? Selbstmord durch einstürzende Altbauten.
Schafskopf: Die Mauern waren marode. Sie mussten nachgeben. Heut oder morgen. Und dann das Gift überall. Ein giftiges Haus.
Wumme: Wie kann das kommen? Ich pflege meinen Besitz und was ich hab ist gar vom Feinsten.
Schafskopf: Hier auf diesem Band. Die Stimmen hört euch an. Genau. Die Situation ist kritisch.
Diverse Stimmen: Sie hat als Mädchen mir das Brot gestohlen.
Und mir die Wurst.
Sie hat geprügelt.
Sie log schon früh und wurd’ nicht rot dabei.
Sie war nie voll Liebe.
Sie hat Katzen die Beine ausgerupft.
Sie schlug ihre Eltern.
Sie hat den Onkel mit der Maschine überfahren.
Ihre Kinder sind von jedem.
Sie mischt Quecksilber ins Essen der Anderen damit denen die Haare ausfallen.
Sie bestiehlt den Opferstock.
Sie pinkelt hinter den Altar.
Wumme: Aber das sind ja meine Freunde. Warum lügen sie? Was tun sie gegen mich?
Schafskopf: Und jetzt dies. Dies zum Schluss.
Stimme Fidibus: Das Haus war giftig. Sie wusste es.
Stimme Closetta: Das Haus war kaputt. Sie wusste es.
Stimme Wurm: Sie ist böse.
Schafskopf: Und sie sind eine Mörderin.
Wumme: Und das alles mir.
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5. AKT
Der Gerichtssaal von Caqueland. Er ist mit Schulbänken möbliert, ein Papageienkäfig ist der Platz der Angeklagten, Richter Rosetto balanciert auf einem Schwebebalken. Er trägt einen gelben Overall mit aufgeklebten Tiermotiven. Seinen Kopf ziert ein Hirschgeweih. Wumme Groß-Reich wird von zwei Allmachtsoffizieren in den Käfig geführt. Sie trägt grobes Sackleinen und ist in Ketten gewickelt. Die Schulbänke sind bis auf den letzten Platz besetzt, ganz vorne sitzen Wurm, Fidibus und Closetta Groß-Reich in Unschuld.
Rosetto: Also haben wir bislang festgestellt, dass ihr Leben aus einer einzigen Lüge besteht. Unehrlich, maßlos, gierig, ohne Rücksicht, verlogen und aus tiefstem Herzen böse: So haben wir ihren Zustand festgestellt.
Wumme: Aber sind das nicht zutiefst menschliche Charaktereigenschaften?
Rosetto: Es sind die Verwerflichsten überhaupt.
Wumme: Ich ging immer aufrecht.
Rosetto: Aber der Tote hat ihnen den Rücken zerbrochen.
Wumme: Mein Gott, Menschen gibt es doch genug.
Rosetto: Sie sind ohne Mitgefühl. Und ohne Gewissen.
Wumme: Meine Güte versteckt sich hinter rauem Putz.
Rosetto: Genug, Weib, wir haben hier drei Tage lang gehört, wie sehr sie immer nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Immer. Das muss bestraft werden.
Wumme: Ich bezahle gern mit etwas Geld.
Rosetto: Geld? Weib, warte nur! Wir haben gehört, wie sie gnadenlos immer nur an sich selbst gedacht haben, voller Gier nach Geld. Sie haben sogar fremde Konten geplündert. Das muss bestraft werden.
Wumme: Ich bin halt geprägt von mir selbst.
Rosetto: Und wir haben gehört, wie sie wider besseres Wissen ein gefährliches Haus an einen Blinden vermietet haben. Sie haben seinen Tod in Kauf genommen. Und deshalb sind sie eine schändliche Mörderin. Ich verurteile sie hiermit zum Tode durch den Todestiger.
Wumme: Unverschämtheit.
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GEHÖRIGES NACHSPIEL
Ein karger Keller mit einem Fesselstuhl. Gegenüber ein dunkler Gang mit einem Gitter davor. Wumme Groß-Reich wird im Bikini von zwei Allmachtsoffizieren hereingeführt und auf dem Stuhl gefesselt. Richter Rosetto tritt vor die Delinquentin.
Rosetto: Im Namen des Volkes von Caqueland werden sie nunmehr wegen Mordes den Tod durch den Todestiger erleiden. Haben sie noch etwas zu sagen?
Wumme: Jetzt bin ich wohl fertig fürs Leben.
Richter Rosetto gibt den Allmachtsoffizieren ein Zeichen, sie stülpen Wumme Groß-Reich einen blauen Müllsack über den Kopf und verlassen zusammen mit dem Richter den Hinrichtungsraum. Das Gitter fährt hoch und ein gewaltiger Tiger schießt aus dem dunklen Gang, stürzt sich auf Wumme Groß-Reich und frisst sie völlig auf.
Vorhang
© by Robert H. Bales