Internationale Hedgefonds bereiten sich auf den 12.September vor. Wenn das BVerfG an diesem Tag gegen ESM entscheidet, dürfte es an den Finanzmärkten zu großen Turbulenzen kommen. Spekulanten rechnen in diesem Fall nicht nur mit einem Crash des Euro, sondern auch der Börsen.
von Rolf von Hohenhau, Taxpayers Association Europe
Vor drei Tagen kontaktierte uns ein bekannter Hedge-Fonds-Manager. Er verwaltet Anlagen im zweistelligen Milliardenbereich. Unsere Kommentierung des ESM lag ihm vor. Wegen der am 12.09.2012 zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes werde, wie er mitteilte, an diesem Tage mit starken Kursausschlägen gerechnet. Entweder werde sich der Markt massiv nach oben entwickeln (das Verfassungsgericht lässt den ESM mehr oder weniger unbeanstandet passieren) oder abstürzen (der ESM werde durch das Gericht ausgehebelt oder stark eingeschränkt). Für beide Varianten müssten sich die Fonds zwangsläufig entsprechend positionieren. Es sei von entscheidender Bedeutung, ob - im Vorfeld der Entscheidung vom 12.09.2012 - auf fallende oder auf steigende Kurse spekuliert werde. In beide Richtungen könne enorm verdient oder verloren werden. „Richtig zu liegen“ sei das Gebot der Stunde. Im Falle einer Ablehung des ESM dürften besonders die europäischen Banken von Kursrückgängen betroffen sein. Schon jetzt notieren Deutsche Bank und Commerzbank nahe Tiefständen. Die zu erwartenden Kursrückgänge bei PIIGS-Anleihen könnten bei den Finanzinstituten kaum noch abgeschrieben werden.
Er habe die entscheidenden Passagen des ESM-Vertrages der deutschen Verfassung gegenüber gestellt. Danach verstoße der ESM schon dem Wortlaut nach gegen die deutsche „Konstitution“. Ganz klar werde der ESM aufgrund seiner internationalen Konstruktion über den jeweiligen nationalen Verfassungen der vertragschließenden Länder stehen. Einmal installiert, breche er jede entgegenstehende Verfassung, woran auch spätere Volksentscheide nichts mehr ändern könnten. Für unabhängige Marktteilnehmer, also für ihn und seine Kollegen, sei völlig eindeutig: Mit Installation des ESM werde Deutschland seine Finanzhoheit definitiv verlieren und an den ESM abgeben. Das aber verstoße seiner persönlichen Meinung nach ganz offensichtlich gegen die deutsche Verfassung. Verglichen mit den Zuständen in den USA würde jedenfalls der Supreme Court ein entsprechendes Gesetz sofort kassieren. Es falle ihm deshalb schwer zu glauben, das deutsche Verfassungsgericht werde den ESM unbeanstandet passieren lassen. Ferner habe er erfahren, dass die SPD, die dem ESM am 29.06.2012 zugestimmt habe, nunmehr eine Volksabstimmung verlange. Dies gegensätzliche Verhalten verstehe er nicht. Konkret stellte er uns folgende Fragen:
- Verstößt der ESM nach unserer Meinung gegen das Grundgesetz/die Verfassung?
- Kann das Verfassungsgericht unabhängig von der Politik entscheiden?
- Wird das Verfassungsgericht nach den Vorgaben der Politik oder der Verfassung (Konstitution) entscheiden?
- Wie wird die Entscheidung des Verfassungsgerichtes ausfallen?
– gegen den ESM
– für den ESM
– unter Einschränkungen für den ESM
· unter gravierende Einschränkungen
· unter nur geringfügigen Auflagen (Camouflage)
- Kann es kurzfristig zu einer Volksbefragung (Volksabstimmung kommen)?
- Wie würde diese Volksabstimmung ausfallen?
- Wie würden wir uns für den 12.09.2012 an seiner Stelle positionieren?
Wir gaben folgende Antworten:
- Der ESM-Bank-Vertrag verstößt aus mehreren Gründen schwerstens gegen die deutsche Verfassung und ist nichtig. Mit dem ESM gibt Deutschland faktisch seine nationale Finanzhoheit und seine Existenz als selbständiger, souveräner Staat auf. Mit dem ESM wird Deutschland nur noch ein abhängiger Teilstaat innerhalb des Euro-Länder-Verbundes sein. Das widerspricht ganz krass der Verfassung.
- Das Bundesverfassungsgericht steht über der Politik und hat generell die Aufgabe und Macht Fehlentscheidungen der Politik zu korrigieren und notfalls zu kassieren.
- Das Verfassungsgericht wird, in dieser bedeutendsten Frage der deutschen Nation seit 1948, nicht allein der Faktenlage folgen bzw. die Vorgaben der Politik absegnen. [1] Es wird vielmehr die fundamentalen nationalen Auswirkungen des ESM-Vertrages auf ihre Verfassungsmäßigkeit genauestens überprüfen.
- Der ESM wird, wenn überhaupt, nur unter gravierenden Einschränkungen passieren.
- Ein Volksbegehren als Voraussetzung für den Betrieb des ESM ist weder vorgesehen noch kurzfristig möglich und bedürfte einer Vorlaufzeit von mindestens 6 Monaten. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist gering (siehe 6.).
- Das Volk würde gegen den ESM/Fiskalpakt und weitere sinnlose Rettungsmaßnahmen stimmen. Deshalb sind sich Regierung und Opposition völlig einig jede Tendenz, den ESM von einem Volksentscheid abhängig zu machen, konsequent abzuwürgen. (Ausnahmen siehe Freiheitsliste 106)
- Aus den Gründen 1. – 6. denken wir, dass es kurz vor und am 12.09.2012 zu einem Kursrutsch kommen wird.
Achtung: Die Schlussfolgerung unter 7. ist keine irgendwie geartete Anlageempfehlung. Wir raten unseren Mitgliedern ausdrücklich sich in dieser Sache von jeder Spekulation fern zu halten und sich allenfalls anderweitig abzusichern.
Die Taxpayers wirken seit Jahrzehnten aktiv am Bau des Europäischen Hauses mit.
In allen Euro-Ländern sind wir vertreten. Begeistert vertreten wir die Idee des vereinigten Europas freier und unabhängiger der Nationen. Der ESM hingegen zerstört diesen Traum und Europa indem er auf eine Haftungsunion hinausläuft. Er schafft Zwist und - wie inzwischen jeder sehen kann - schnell wachsende Antipathien und Gefahren zwischen den Nationen Europas und ist damit ein zutiefst antieuropäisches und antidemokratisches Projekt und Produkt. Der ESM muss weg!
[1] Der ESM-Vertrag wurde am 02.02.2012 vom deutschen EU-Botschafter Peter Tempel Auftrags der Regierung Merkel unterschrieben (von uns am 04.02.2012 kommentiert), passierte am 29.06.2012 den Bundestag und - nach bestechungsgleichen Zugeständnissen an die Länder - gleichentags, nach knapp 1 1/2 stündiger „Beratung“ (von 22.31 – 23.55 Uhr), den Bundesrat! Ein abgekartetes Spiel! Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (nach derzeitigem Stand zukünftiger Gouverneur der ESM-Bank) erklärte vor dem Bundesrat, ESM und Fiskalpakt seien notwendig „um die entstandene Verunsicherung auf den Finanzmärkten zu bekämpfen.“ Er rechtfertigte die späte Sitzung der Länderkammer unter anderem damit, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe möglichst schnell über die gegen die beiden Gesetze angekündigten Klagen entscheiden können solle. Im Gegenzug zu einer Zustimmung zum ESM und Fiskalpakt werde der Bund die Länder und Gemeinden finanziell entlasten.