Deutsche-Bank-Chefvolskwirt Mayer: Italien bedrohlicher für Euro-Zone als Griechenland. „Egal, ob Griechenland in der Euro-Zone bleibt oder nicht: Das Land kann allenfalls einen Blechschaden in Europa verursachen, für einen Totalschaden ist es zu klein“.
Der scheidende Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hat davor gewarnt, die europäische Diskussion zu sehr auf Griechenland zu konzentrieren und die Probleme der großen Volkswirtschaften in der Euro-Zone zu unterschätzen. „Egal, ob Griechenland in der Euro-Zone bleibt oder nicht: Das Land kann allenfalls einen Blechschaden in Europa verursachen, für einen Totalschaden ist es zu klein“, sagte Mayer dem Handelsblatt (Mittwochausgabe). Während bislang kleine Länder wie Griechenland, Irland und Portugal im Fokus gestanden hätten, richte sich jetzt das Scheinwerferlicht auf die großen – und damit auf Staaten, die nicht unter den Schirm des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) passten. „Spanien und Italien sind einfach zu groß, um aufgefangen werden zu können“, warnte der Ökonom.
Mayer scheidet am M! onatsende aus dem Amt als Chefvolkswirt der Deutschen Bank aus und wird künftig Berater der Bank. Ausschlaggebend dafür ist der Umbau des größten deutschen Geldinstituts, den die neue Führungsriege um Anshu Jain und Jürgen Fitschen vorantreibt und der auch die volkswirtschaftliche Abteilung umfasst. Bislang hat sich die Deutsche Bank zwei Forschungsgruppen geleistet: den Think-Tank Deutsche Bank Research mit 89 Mitarbeitern und die Abteilung Market Research, bei der 800 Leute arbeiten. Diese Zweiteilung wird es ab Juni nicht mehr geben. Mayers Research-Kollegen werden in die Abteilung des neuen Chefvolkswirts David Folkerts-Landau integriert.
Natürlich müsse für Griechenland weiter gelten, dass es Finanzhilfe nur gegen Auflagen gebe, sagte Mayer im Handelsblatt-Interview. „Ansonsten würden sich andere Länder auch nicht mehr an die Konditionen halten.“ Aber auch wenn Griechenland das Programm abbreche und keine allgemeine Budgethilfe mehr erhalte, sollte sich die EU nicht vollständig zurückziehen, sondern den Schuldendienst des Staates übernehmen und die Banken stabilisieren. „Damit wäre die Gefahr eines ungeordneten Staatsbankrotts und Bankruns gebannt.“ Wenn dann der griechische Staat keine Geld mehr habe, um seine sonstigen Rechnungen zu bezahlen, könne er Schuldscheine ausgeben. Mayer bezeichnet sie als „Geuro“, die sich zu einer Parallelwährung entwickeln könnten.
Die größten Sorgen bereitet Mayer aber Italien: Die Regierung um Mario Monti habe einen großen Vertrauensvorschuss bekommen – aber relativ wenig geliefert. „Monti muss sich beeilen, der Mai 2013 ist quasi das Verfallsdatum seiner Regierung“. Die Konjunktur in Italien müsse sich J-förmig entwickeln – dem tiefen, langen Absturz müsse eine Aufwärtsbewegung kurz vor der Wahl folgen. „Sonst wird die technokratische Monti-Regierung möglicherweise von Populisten abgelöst, die den Wählern die Abkehr von schmerzenden Reformen versprechen – und damit das letzte Vertrauen der Märkte verspielen. Die Folgen wären fatal“, warnte Mayer.