Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark hält „Ausstieg Deutschlands aus dem Euro für undenkbar“. Griechenlands Austritt wäre hingegen verkraftbar. Warnung vor höherer Inflation.
Der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, erteilt Spekulationen über eine Rückkehr zur D-Mark eine klare Absage. „Ein Ausstieg Deutschlands aus dem Euro ist undenkbar. Der wirtschaftliche und politische Schaden wäre für Deutschland und Europa irreparabel“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“ (21. Mai). Die Wiedereinführung der D-Mark, über die immer mal wieder spekuliert werde, sei reine Nostalgie.
Gleichzeitig hält der Ökonom allerdings nichts davon, Griechenland um jeden Preis in der Euro-Zone zu halten. „Natürlich bedeutet ein möglicher Ausstieg aus der Währungsunion kurzfristig enorme Kosten für das betreffende Land und den Rest Europas“, sagte Stark der „Welt“. „Aber der Stabilität des Euro-Raums würde es mittelfristig sogar helfen, wenn ein Land, das sich für den Euro-Raum nicht qualifiziert hat, diesen vorübergehend verlassen muss.“ Die Zukunft der Währungsunion hänge nicht an einer Zahl oder einem Land: „Der Euro wird Bestand haben.“
Für deutlich problematischer hält der Ökonom den bisherigen Umgang mit der Krise in Griechenland. „Ein scharfer Schnitt zu Beginn der Krise wäre besser gewesen“, sagte er. „Wenn ein Land falsch gewirtschaftet hat und dies korrigieren muss, kann es gern Hilfen vom IWF oder von anderen EU-Staaten bekommen – aber bitte außerhalb des Euroraums“, so Stark. „Wenn wir die Währungsunion in ihrer jetzigen Zusammensetzung um jeden Preis erhalten wollen, wie das Kanzlerin Angela Merkel angekündigt hat, dann bedeutet das einen Freifahrtschein für alle, der mittelfristig noch teurer wird. Ich halte das für grundfalsch“, sagte er weiter.
Kritisch äußerte sich das frühere EZB-Direktoriumsmitglied auch über die Ankündigung des neuen französischen Staatspräsidenten François Hollande, den bereits ausgehandelten Fiskalpakt für Europa nicht unterzeichnen zu wollen. „Es kann nicht sein, dass mit jedem Regierungswechsel in Europa alles in Frage gestellt wird, was wenige Wochen zuvor gemeinsam erarbeitet wurde. So ist Europa nicht handlungsfähig.“ Am Fiskalpakt dürfe daher nicht gerüttelt werden.
Zudem zeigte sich Stark besorgt über die Rolle der Zentralbanken in der Krise. Diese seien „gut beraten, ihr Mandat nicht bis ins Extrem zu dehnen, um nicht unter Fiskaldominanz zu geraten.“ Weltweit habe sich bereits ein enormes Inflationspotenzial aufgetürmt, das von den Zentralbanken auf Dauer nur schwer unter Kontrolle zu kriegen sei. „Es gibt derzeit die ungute Tendenz der Notenbanken, mehr Inflation zuzulassen. Wir werden also höhere Inflationsraten sehen“, warnte Stark. „Wenn wir langfristig stabiles Geld wollen, dann kann es für Notenbanken nicht mehrere Ziele geben. Sie geraten sonst in Zielkonflikte.“ Einziges Ziel der Notenbanken müsse es sein, die Stabilität des Geldes zu gewährleisten.