Wallraffs Bestseller „Ganz unten" im Stasi-Zwielicht. Günter Wallraff wurde von 1968 bis zur Wende als IM mit dem Decknamen "Wagner" vom DDR-Geheimdienst erfasst. Ehemaliger Mitarbeiter Frank Berger mehr als zehn Jahre als IM "Fischer".
Der 1985 erschienene Bestseller "Ganz unten" des Kölner Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff (69) ist durch Akten aus der Behörde für Stasiunterlagen ins Zwielicht geraten. Das berichtet die in Berlin erscheinende „Welt am Sonntag". Laut den der Zeitung vorliegenden Unterlagen steht auch Wallraff selbst erneut im Verdacht, als Stasi-IM gearbeitet zu haben. Aus den Hinterlassenschaften des DDR-Geheimdienstes geht demnach hervor, dass ein ehemaliger Mitarbeiter Wallraffs, der westdeutsche Journalist Frank Berger (55), von der Dresdner Auslandsaufklärung von 1978 bis zur Wende als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) mit dem Decknamen "Fischer" geführt wurde.
In einer Kurzusammenfassung zu dem IM heißt es: "Im Zusammenhang mit der Herausgabe des Buches 'Ganz unten' im September/Oktober 1985 war der IM innerhalb der Bearbeitung verschiedener Fälle der Arbeit mit Leih-Arbeitern in der BRD selbst mit eingesetzt, bediente sich dabei auch 'wallraffscher' Methoden (Arbeit mit anderen Namen, äußerliche Veränderungen, Arbeit mit Leih-Arbeitsverhältnissen). Er schrieb selbst einige Kapitel dieses Buches." Berger, heute Dozent für Journalismus, verfasste damals auch das Buch "Thyssen gegen Wallraff" und schrieb an weiteren Büchern mit. Darin äußert er selbst, dass er an der Entstehung des Buches "Ganz unten" über Ausländerfeindlichkeit in Deutschland, das mehr als vier Millionen verkauft wurde, beteiligt war. Laut Akte standen dem als IM Erfassten fast alle konspirativen Mittel zur Verfügung, die die Stasi zu bieten hatte - beispielsweise tote Briefkästen in Zügen, Geheimschreibmittel, Chiffre und Deckadressen. Elektronisch überliefert sind trotz Vernichtung des Großteils der Akte mehr als 50 Informationen des IM "Fischer" vor allem über die SPD, die bis zu Staatschef Erich Honecker weitergeleitet wurden. Berger war für die Zeitung nicht zu erreichen.
Laut "Welt am Sonntag" ist Günter Wallraff von 1968 bis zur Wende als IM mit dem Decknamen "Wagner" vom DDR-Geheimdienst erfasst worden. Der Zeitung liegt jetzt auch ein interner Stasi-Brief vor, in dem von einer angeblichen Bewerbung Wallraffs beim US-Geheimdienst die Rede ist. Das sei ein altes Stasi-Gerücht, ließ Wallraff der "Welt am Sonntag" über seinen Anwalt mitteilen. Zudem habe er niemals willentlich und wissentlich mit der Stasi zusammengearbeitet. Er sei abgeschöpft worden. Mit Berger habe es keine publizistische Zusammenarbeit gegeben. Berger habe lediglich für ihn recherchiert. Von dem Stasi-Verdacht gegen Berger habe er keine eigene Kenntnis.
Der Chef der Stasiunterlagen-Behörde, Roland Jahn, sagte der "Welt am Sonntag": „Die Aufarbeitung des Wirkens der Stasi ist eine gesamtdeutsche Angelegenheit. Selbst die nur lückenhaft vorhandenen Unterlagen zur Westarbeit der Stasi zeigen immer wieder, wie wichtig es der DDR war, auf die westdeutsche Politik in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. Dazu hat die Stasi die Hilfe westdeutscher Bürger gesucht und immer wieder auch Helfer gefunden. Es ist wichtig, dass die, die beteiligt waren, die als Mitarbeiter der Staatssicherheit oder die unter der Regie der Stasi gehandelt haben, zur Aufarbeitung beitragen und ihre Karten auf den Tisch legen."