Wo steht der DAX Ende 2013? Das ist wohl die meistgestellte Frage an der Börse. Es gibt viele Prognosen - aber die meisten erweisen sich als falsch. Am Ende ist es reine Glückssache, ob ein Experte die richtige Zahl trifft. - Die meisten liegen in schöner Regelmäßigkeit völlig daneben.
von Roland Klaus
Pünktlich zum Jahreswechsel kommt wieder die Zeit der DAX-Prognosen. Auch diesmal ist die gesamte Branche nach ihren Schätzungen für das vor uns liegende Jahr befragt worden. Zur Ehrenrettung ist zu sagen, dass diese Punktprognosen („Wo steht der DAX Ende 2013?“) für die Experten eine äußerst undankbare Aufgabe sind. Die meisten sind sich der Tatsache bewusst, dass sie keine Kristallkugel besitzen, Entwicklungen bestenfalls abschätzen und bei solchen Tipps eigentlich nur verlieren können. Trotzdem sollte man von hoch bezahlten Analysten erwarten, dass sie Trends und Kursbewegungen erahnen können. Zumindest näherungsweise. Und zumindest hin und wieder.
Schauen wir uns jedoch an, wie die Experten in den vergangenen Jahren mit ihren Voraussagen für den deutschen Aktienmarkt abgeschnitten haben, so ergibt sich ein verheerendes Bild. Das Szenario ist meistens sehr ähnlich: Das Gros der Befragten erwartet zu Jahresbeginn ein Plus beim DAX von fünf bis acht Prozent. Das ist das statistische Mittel der langfristigen Entwicklung am Aktienmarkt. Damit kann man nicht viel falsch machen, denken sich wohl die meisten. Die Realität an den Aktienmärkten sieht aber anders aus: Seit 1996 gab es nur ein einziges Jahr, in dem die Jahresrendite des DAX in der eigentlich zu erwartenden Spanne zwischen minus fünf und plus 15 Prozent lag! Dafür gab es in diesem Zeitraum sechs Mal ein Plus von mehr als 25 Prozent und vier Mal ein Minus von mehr als zehn Prozent. Mit anderen Worten: Die Überraschung ist der Normalfall.
Entsprechend weit lagen auch die Experten daneben. Nehmen wir die jährliche Umfrage des Handelsblatts als Grundlage, so ergibt sich folgendes Bild: Im Jahr 2005 lag die Durchschnittsschätzung rund 1000 Punkte vom tatsächlichen DAX-Stand weg, die beste Bank immerhin rund 400 Punkte entfernt.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Ein Jahr später hatte sich der Konsens „nur“ um 900 Punkte verschätzt, der beste Tipp lag dafür fast 500 Punkte falsch.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Das Bild setzte sich 2007 fort. Der Durchschnitt lag rund 1000 Punkte daneben, die beste Schätzung etwa 400 Punkte.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Das zugegebenermaßen äußerst schwierige Börsenjahr 2008 brach alle Rekorde: Während die meisten Analysten einen Anstieg des DAX auf Rekordstände jenseits von 8300 Punkten erwarteten, schmierte der Index tatsächlich auf 4810 Zähler ab. Ergebnis: Der Konsens lag etwa 3500 Punkte schief, der „beste“ Tipper immer noch fast 3000 Punkte.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Als ein Resultat des Ausnahmejahrs 2008 war die Bandbreite der Schätzungen für das Jahr 2009 so weit wie vermutlich nie zuvor: Sie reichte von 3500 bis 6500 Punkten. Erstmals wurden also auch von einigen Analysten weitere deutliche Kursverluste vorhergesagt. Und siehe da: Angesichts dieser Spanne tippten einige Analysten tatsächlich richtig und näherten sich dem tatsächlichen DAX-Stand bis auf wenige Punkte. Das Gros lag allerdings erneut zwischen 500 und 1000 Punkten daneben.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Um es kurz zu machen: 2010 lag der Durchschnitt der Handelsblatt-Schätzungen fast 600 Punkte daneben. 2011 waren es 1700 Punkte. Und im vergangenen Jahr lautete der Mittelwert der Schätzungen vor Jahresbeginn 6573 Punkte. Der DAX beendete das Jahr bei 7612 Punkten, mehr als 1000 Zähler höher. In all diesen Jahren hatten sich bestenfalls einige Analysten in den Bereich des tatsächlichen Endstands verirrt.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Die Zahlen zeigen zwei Dinge. Die Analysten schätzen in der Regel konservativ und schreiben die Tendenz der Vergangenheit fort. In der Regel liegen ihre Prognosen im Bereich des langfristigen Mittels von fünf bis acht Prozent. Dummerweise wird dieses langfristige Mittel in einzelnen Jahren jedoch nur sehr selten erreicht. Deswegen liegt zumindest der Konsens der Schätzungen regelmäßig recht weit daneben.
Anleger sollten die Jahresprognosen trotzdem nicht ignorieren. Denn sie geben eine Information darüber, wo die Erwartungen des Marktes liegen. Da der Konsens nur selten Recht behält, lohnt sich vor allem die Überlegung, an welchem Ende denn diesmal die Überraschung lauern könnte.
Daten: Handelsblatt / Grafik: André Ruhnke, Superfund
Für das laufende Jahr wäre ein Anstieg über 8500 Punkte ein Szenario, das kaum jemand erwartet. Lediglich Nomura liegt mit einer Prognosen von 8890 Punkten deutlich höher. Nach unten würde ein Fall unter 6900 Punkte die Analysten wieder einmal an der Nase herumführen.