Pädagoge Bueb über Merkel: „Sie mogelt sich durch“. - Fischer und Bütikofer kritisieren Grünen-Spitze.
Bernhard Bueb, Buchautor und 31 Jahre lang Schulleiter des Eliteinternats Schloss Salem, analysiert im Gespräch mit dem SPIEGEL die Wahrhaftigkeit deutscher Politiker. Obwohl der promovierte Philosoph als Fan von Angela Merkel gilt, geht er mit dem Regierungsstil der Kanzlerin hart ins Gericht: „Sie mogelt sich durch. Sie verschleiert, sie legt sich nicht fest.“ Bueb sieht in der Christdemokratin „eine Meisterin des Ungefähren“.
Als Person möge sie ja integer sein, so der 74-Jährige, „als Politikerin aber nach meinen Maßstäben lügt sie“, weil sie uneindeutig sei. Auch Merkels unterlegenen Her- ausforderer Peer Steinbrück nimmt Bueb aufs Korn. Für den Wahlkampf habe sich der Sozialdemokrat „verbogen“, um Positionen zu vertreten, die möglichst viele SPD-Wähler für gut hielten. Zudem werfe Steinbrück „mit Wahrheiten wie mit Steinen“, wenn er etwa über seine Abneigung gegen preiswerten Wein spricht.
Der Ehrliche müsse sich einfühlen können, um erfolgreich zu sein; Steinbrück verstehe nicht, dass die Bürger keine Kränkungen erwarten. Bueb veröffentlicht in diesen Tagen ein Buch über Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Dass im Politikbetrieb auch mal gelogen werden müsse, sei selbstverständlich.
Als Beispiel für eine „erlaubte Lüge“ nennt der Pädagoge den Auftritt von Merkel und Steinbrück nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008. Das sei eine „Sternstunde“ gewesen, weil die beiden deutschen Politiker eine Garantie für die deutschen Bankeinlagen abgegeben hätten – „obwohl sie wussten“, so Bueb, „dass sie weder legitimiert noch mächtig genug“ waren, um ihr Versprechen einlösen zu können.
Fischer und Bütikofer kritisieren Grünen-Spitze
Nach dem Wahldebakel kritisieren nun auch ehemalige Spitzenleute der Grünen die amtierende Führung der Partei. Der langjährige Außenminister Joschka Fischer sagte dem SPIEGEL: „Es scheint fast, als ob die derzeitige Führung der Grünen älter geworden ist, aber immer noch nicht erwachsen. Sie hat eine Strategie verfolgt, die nicht nur keine neuen Wähler gewann, sondern viele alte vergraulte. Statt über Umwelt und Europa, Bildung und Familien haben wir nur über Steuern und Abgaben geredet.“ Fischer nannte es einen „fatalen Fehler“, die Grünen „strategisch auf einen Linkskurs zu verringern“. Damit sei die Partei „in der Konkurrenz zu SPD und Linken gnadenlos untergegangen“.
Der ehemalige Parteichef Reinhard Bütikofer warf Trittin vor, in der Europapolitik strate- gisch versagt zu haben. „Der Verzicht von Rot wie Grün auf ein ernsthaftes Ringen mit Kanzlerin Merkel um die Deutungshoheit in der Europapolitik erlaubte ihr eine politische Hegemonie“, so Bütikofer im SPIEGEL, die später „nicht mehr zu erschüttern war“. Bütikofer warf Trittin vor, er sei zumeist aufgetreten, „als spräche er nur für unseren linken Flügel“. Dabei hätte er „als Spitzenkandidat über ein starkes Mandat der ganzen Partei verfügt, nicht zuletzt der Realos, und ein breit getragenes Wahlprogramm.“