NSA hört jetzt verstärkt das Umfeld von Kanzlerin Merkel ab. Bundesinnenminister de Maiziere wird von US-Geheimdienst überwacht. Auch Dax-Konzern SAP im Visier der Amerikaner. Stellungnahme vom Weißen Haus: "Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass unsere Dienste möglicherweise effektiver arbeiten“.
Berlin. Nach der Einstellung seiner Abhörmaßnahmen gegen Angela Merkel hat der US-Geheimdienst NSA nach einem Bericht von BILD am SONNTAG die Lauschaktionen gegen das Umfeld der Bundeskanzlerin intensiviert. „Wir haben die Order, keinerlei Informationsverluste zuzulassen, nachdem die Kommunikation der Kanzlerin nicht mehr direkt überwacht werden darf“, sagte ein ranghoher US-Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland zu BILD am SONNTAG.
Ins Visier wurden die engsten Vertrauten von Merkel genommen, wie zum Beispiel Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).
In den abgehörten Telefonaten zwischen Merkel und de Maizière konnten die NSA-Spezialisten direkt miterleben, wie eng tatsächlich deren Vertrauensverhältnis ist. Vor wichtigen Entscheidungen habe die Kanzlerin den Minister mehrfach am Telefon um Rat gefragt: „Was soll ich denken?“ Diese ungewöhnliche Formulierung Merkels löste Erstaunen bei den US-Geheimdienstmitarbeitern aus.
Als Zielperson war de Maizière im vergangenen Jahr für die Amerikaner noch aus einem anderen Grund interessant. Der damalige Verteidigungsminister galt als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Nato-Generalsekretärs, der nicht ohne die Zustimmung der USA vergeben wird. „Wir wollten wissen, ob er für uns wirklich ein verlässlicher Partner ist“, begründete der US-Geheimdienstler den Lauschangriff auf de Maizière. Der Innenminister wollte sich dazu nicht äußern.
Auf Anfrage von BILD am SONNTAG erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Caitlin Hayden, zu den neuen Informationen über Lauschaktionen in Deutschland: „Die US-Regierung hat deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten nachrichtendienstliche Informationen der Art sammeln, wie sie von allen Staaten gesammelt werden.“
Nach BamS-Informationen überwacht die NSA derzeit 320 Personen in Deutschland. Dabei handelt es sich vorwiegend um Entscheidungsträger aus der Politik, aber auch aus der Wirtschaft.
Ein Beispiel für die Wirtschaftsspionage ist den Informationen zufolge der Dax-Konzern SAP mit Sitz im baden-württembergischen Walldorf. Der größte europäische Softwarehersteller konkurriert mit US-Unternehmen wie Oracle. Ein SAP-Sprecher: „Wir kommentieren das nicht.“ Obamas Sicherheitsberaterin Hayden erklärte dazu: „Die Vereinigten Staaten sammeln keine nachrichtendienstlichen Informationen, um US-Unternehmen (. . .) Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.“ Die Geheimdienst-Aktivitäten seien auf „die Bedürfnisse der nationalen Sicherheit unseres Landes ausgerichtet“.
Wie BILD am SONNTAG weiter erfuhr, hat die NSA derzeit 297 Mitarbeiter in Deutschland stationiert. Das flächendeckende Spähprogramm läuft bereits seit dem Jahr 1998. Damals begannen die Amerikaner, Verbündete wie die Deutschen systematisch zu bespitzeln. Angeblich hatten sie Anzeichen dafür, dass deutsche Nachrichtendienste wiederum die Amerikaner ausforschen würden.
Nach dem jüngsten Wirbel um Merkels belauschtes Handy gibt es Unmut bei führenden US-Geheimdienstler über das Verhalten der Deutschen: Einerseits würden Sicherheitsbehörden wie der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die US-Kollegen intern um Informationen aus deren Abhörmaßnahmen bitten. Andererseits kritisieren deutsche Spitzenpolitiker massiv die Lauschangriffe der Amerikaner.
Caitlin Hayden sagte zu BILD am SONNTAG: „Wenn unsere Geheimdienste weiterhin Informationen über die Absichten von Regierungen (. . .) auf der ganzen Welt sammeln werden, und zwar in gleicher Weise wie dies die Nachrichtendienste jedes anderen Landes tun, werden wir uns nicht dafür entschuldigen, dass unsere Dienste möglicherweise effektiver arbeiten.“