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Merkel und das Klosett der Nation

Merkel spült ein Problem nach dem anderen durch das CDU-Parteitags-Klosett. Und während die geschlossene deutsche Medienlandschaft der Merkel Kränze flicht und über sie so wenig Schlechtes zu erzählen weiß als sei sie schon verstorben, meldet sich aus Frankreich eine schöne klare Stimme: "Ta gueule, Merkel!"


Von Uli Gellermann

Das Kostümchen sitzt spack wie immer, die Händchen wedeln, schwer hängen die Hautlappen der Macht links und rechts im Gesicht: Die Dame Merkel trippelt zum Rednerpult des CDU-Parteitages in Köln. Schon am Morgen begann der Tag der Staats-Partei mit einer Gotteslästerung: Zugunsten der CDU war im Kölner Dom eine Ökumenische Messe gelesen worden. Nach Lästern stand Joseph Daul, dem Vorsitzenden der Europäische Volkspartei im EU-Parlament, der den Reden-Reigen des Parteitages eröffnete, nicht der Sinn. Er wollte lieber schleimen: Angela hier, Angela dort. Ohne Angela ist alles nichts quoll aus seinem Mund, und die Delegierten-Komparserie schleckten Wort für Wort genüsslich auf. Sie, die Macht-Madam, spitzte derweil geziert das Mündchen in die Kamera.

 

Beschmierte Wände, beißender Gestank, kaputte Klodeckel: Der Zustand der deutschen Schultoilette ist Ekel erregend. Hier feiert das Wort "versifft" fröhliche Urständ. Längst hat die German Toilet Organization e. V. den "Sanitären Notstand" ausgerufen. Die schon 2005 in Berlin gegründete Organisation war zum CDU-Parteitag nicht eingeladen. Ihr Thema spielte in Köln keine Rolle. Dabei hätte es sich im Bericht der Frau Merkel gut ausgemacht: Ist doch das deutsche Schulklo das Symbol für die marode Seite der Bundesrepublik. Wie der so dringend benötigte Nachwuchs lernt, was Schüler und Schülerinnen - außerhalb der Privatschulen - wert sind, das ist der CDU scheißegal.

 

Derweil rollt der Macht-Madam auf dem Podium ein Erfolg nach dem anderen von den Lippen. Von Minute zu Minute wächst der Eindruck, die CDU habe die Bundesrepublik Deutschland erfunden. Gleichförmig, gleichgültig wickelt die Merkel ihr Programm ab. Doch plötzlich erregt sie sich, kleine Fäuste schlagen auf das Pult ein: NRW solle endlich wieder ein Rechtsstaat werden, blasen ihre geschwollenen Backen in den Saal, die rot-grüne Regierung dort habe vor diesem oder jenem Gericht Rechtsstreitigkeiten verloren, empört sie sich. Ist, so fragt sich der Betrachter, Nordrhein-Westfalen ein Unrechtsstaat? Nach der Heftigkeit der Merkelschen Attacke, dem jähen, geradezu wilden Ton nach zu urteilen: Eindeutig.

 

Was die Dame nicht aufregt, was sie mit beharrlichem Beschweigen durch das CDU-Parteitags-Klo spült: "Deutschland verfällt, Deutschland bröckelt, Deutschland geht kaputt" - das sind die Schlagzeilen, die immer häufiger zu lesen sind. Autobahnbrücken, wie die bei Leverkusen, müssen wegen vieler Risse monatelang geschlossen werden. Von den deutschen Autobahnbrücken sind fast die Hälfte marode. Die Deutsche Bahn: Ein Trauerspiel. Von Dresden nach Berlin braucht die Bahn eine halbe Stunde länger als vor dem Krieg. Der Bahnhof Duisburg muss seit Jahren ohne Dach auskommen. Straßen, Schienen und Wasserwege: Bröckeln, Bröseln, Verrotten. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt investiert kaum ein Industrieland so wenig in seine Infrastruktur wie Deutschland. In der vergleichenden Statistik liegt Polen vorn, Deutschland weit hinten. - Kein Thema für die Erfolgskanzlerin.

 

Noch einmal in ihrer Rede läuft die Merkel zu großer emotionaler Form auf: Die SPD mache sich klein in einer von der LINKEN geführten Koalition in Thüringen. Die Stimmlage ist vom Kreischen nicht mehr weit entfernt. Verständlich, dass sie verschweigt was der SPD in der Koalition mit der CDU widerfährt: Sie wird der CDU bis zur Lächerlichkeit ähnlich. Und schrumpft und schrumpft und schrumpft. Zwischendurch, beim Thema Ukraine und Russland, ein Kamerablick auf den Parteitagsgast Vitali Klitschko, auf den Frontkämpfer der christdemokratischen Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew. Auf keinen Fall wollten die CDU-Delegierten wissen, wie viel Steuergeld der Stiftung in den Regime-Change in Kiew geflossen ist. Was die Delegierten nicht sehen können, ist der Inhalt der Nachricht im Lauftext unter den TV-Bildern des Parteitages: Die USA sind ein Folterstaat. Und das ist auch gut so, sagt George W. Bush, ein Freund der Merkel aus dem FREUNDES-Land. Bedauert wird nur, dass die Folter-Befragungs-Ergebnisse nahe Null waren.

 

Null-Erwähnung auch die tags zuvor von Thomas Leif im SWR aufgedeckte Lobbyisten-Sauerei: Diverse Bundesländer laden zu laufenden Gesetzgebungsprozessen die Interessenvertreter großer Konzerne ein. Regelmäßig tagen Lobbyisten vor Bundesrats-Sitzungen in vertraulichen Runden mit den zuständigen Ministern und Staatssekretären. Das Ziel der institutionalisierten Gespräche: Die Weitergabe von Details und Beantwortung von speziellen Fragen zu den anstehenden Gesetzes-Entscheidungen im Bundesrat. Aber warum sollte man in Köln über Korruption reden? Wo doch weder die NSA noch der NSU eine Rolle gespielt haben, wo die galoppierende Armut in Deutschland ebensowenig erwähnt wird, wie das erneute Scheitern der Griechenland-'Hilfe', jener von Merkel verordneten Kur, die der Bevölkerung Hunger auferlegt, um den Staat zu sanieren. Ebenso unmenschlich wie unsinnig.

 

So spült die Merkel ein Problem nach dem anderen durch das CDU-Parteitags-Klosett. Und während die geschlossene deutsche Medienlandschaft der Merkel Kränze flicht und über sie so wenig Schlechtes zu erzählen weiß als sei sie schon verstorben, meldet sich aus Frankreich eine schöne klare Stimme: "Ta gueule, Merkel!" rief Jean-Luc Mélenchon, der Chef der französischen Linkspartei der CDU-Chefin zu, als die sich mal wieder ungefragt in die inneren Angelegenheiten des Nachbarlandes eingemischt hatte: "Schnauze, Merkel!" Doch auch diese höchst vernünftige Anmerkung kann an einem anderen sanitären Notstand nichts ändern: An der schweren Verstopfung deutscher Medienkanäle. Da bleibt die Lage wie in den Schultoiletten: Beschissen.

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