Die jüngsten Turbulenzen könnten auf den Beginn eines heißen Herbstes hinweisen: Eine mögliche US-Zinswende, China und die Schwellenländer, mal wieder Wahlen in Griechenland sowie ein Europa, das konjunkturell nicht so recht vom Fleck zu kommen scheint. - Commerzbank bullish für das 4. Quartel.
Börsen-Zeitung: Investoren meiden den Dax, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Emerging-Market-Assets stehen unvermindert unter Druck. Ihnen setzt ein sehr unverträgliches Gebräu aus China-Sorgen, schwachen Rohstoffpreisen, der bevorstehenden Zinswende in den Vereinigten Staaten und zunehmender Risikoscheu der Investoren zu, das noch durch hausgemachte Probleme verstärkt wird. Der Sammelindex für die Aktienmärkte der Schwellenländer, der MSCI Emerging Markets, hat unter dieser Last seine Talfahrt beschleunigt und ist in der abgelaufenen Woche auf das niedrigste Niveau seit dem Oktober 2011 gesunken.
Zunehmend geraten jedoch auch die Aktienmärkte der etablierten Volkswirtschaften in den Abwärtssog. So weist der Dow Jones Industrial Average mittlerweile für dieses Jahr einen Verlust auf. In den zurückliegenden Handelstagen sank er erstmals seit dem Oktober 2014 unter die Schwelle von 17000 Punkten, während der japanische Nikkei225 am Freitag 3% einbüßte und wieder unter die Marke von 20000 Yen abtauchte.
Besonders bitter fällt die Bilanz für den Dax aus. Lange Zeit weltweit das stärkste Marktbarometer unter den führenden Indizes, hat sich das Bild schlagartig komplett gedreht. Mit Schluss vom Freitag von 10125, der zugleich der niedrigste Stand seit Mitte Januar war, hat der Index seit dem Zwischenhoch vom 6. August (11670 Punkte) 13,2% eingebüßt. Seine seit dem 5. August angefallenen Verluste summieren sich auf 13%, während etwa der Nikkei und der FTSE100 um 5,7% und 8,4% nachgegeben haben. Auch in der zurückliegenden Woche hielt der Dax mit einer Einbuße von 7,8% die rote Laterne unter den Industrieländerindizes.
Korrektur unvermeidlich
Die internationalen Investoren meiden den deutschen Standardwerteindex, weil sich seine bisherigen Vorteile - der hohe Exportanteil, die überproportionalen Gewinne durch den China-Boom - im aktuell sich stark eintrübenden weltwirtschaftlichen Umfeld in Nachteile verwandeln. Eine Korrektur der vorangegangenen Outperformance ist unvermeidlich, zumal die seit Jahresbeginn positiv gewordene Entwicklung der Analystengewinnschätzungen auf dem Spiel steht.
Allerdings stellt sich nun die Frage, wie tief der Index noch fallen kann bzw. ob sich nicht allmählich Einstiegsgelegenheiten aufbauen könnten. Immerhin liegt der Dax mittlerweile rund 2000 Punkte unterhalb seines Rekordhochs vom April. Damit sind die vorangegangenen Übertreibungen etwa bei den Aktien der Automobilhersteller ein gutes Stück weit abgebaut worden. Das aggregierte Kurs-Gewinn-Verhältnis des Index auf Basis der - allerdings mit Abwärtsrisiken behafteten - Konsensgewinnschätzungen für das laufende Jahr ist auf ein bescheidenes Niveau von weniger als 13 zurückgefallen.
Einige Institute sind für die Aussichten durchaus optimistisch. "Sorgen um die chinesische Wirtschaft und die sich abzeichnende erste Leitzinserhöhung in den USA haben den Dax unter seine 200-Tage-Linie gedrückt", so die Commerzbank. 1994 und 2004 habe der Index eine ähnliche Entwicklung gezeigt, als die Fed begonnen habe, die Leitzinsen zu erhöhen. "Ähnlich wie 2004 könnte der Dax nun für einige Wochen im Bereich von 10200 bis 11000 unter seiner 200-Tage-Linie notieren. Für das vierte Quartal erwarten wir jedoch eine deutliche Dax-Erholung, da deutsche und US-Staatsanleihen - im Gegensatz zu 1994 - nur mit moderat steigenden Renditen auf die Fed-Zinserhöhung reagieren sollten. Und für den zweiten Risikofaktor China erwarten wir im vierten Quartal eine Stabilisierung des Wachstums dank der wieder expansiveren Geldpolitik in China."
Die Helaba sieht sich dagegen in ihrer seit längerem pessimistischen Einschätzung des Aktienmarktes bestätigt und ist auch für die Aussichten skeptisch. "In den kommenden Wochen dürften Hilferufe von den Kapitalmarktakteuren nach einer aktiveren Geld- als auch Fiskalpolitik immer lauter werden." Im Euroraum seien die Auftriebskräfte zwar da, aber nur recht verhalten. Die Bereinigung der Staatsschuldenkrise in der Eurozone verlaufe quälend langsam. Schon deshalb benötigten die deutschen Unternehmen eine dynamische Weltwirtschaft.
Doch viele Schwellenländer steckten in ihren Strukturproblemen fest. Und die USA würden es allein nicht richten können. "Die jüngsten Turbulenzen könnten auf den Beginn eines heißen Herbstes hinweisen: Eine mögliche US-Zinswende, China und die Schwellenländer, mal wieder Wahlen in Griechenland sowie ein Europa, das konjunkturell nicht so recht vom Fleck zu kommen scheint. Vor einem zu schnellen Einstieg am Aktienmarkt sei gewarnt."
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