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ISIS: Heimlich unterstützt von Türkei und NATO?

Es mehren sich Anzeichen, dass der Westen gar nicht ernsthaft gegen den Islamischen Staat (IS) vorgeht, sondern diesen sogar heimlich unterstützt. ISIS als Werkzeug multipler geostrategischer Interessen besonders der Türkei und Erfüllungsgehilfe zur Einführung des totalen Überwachungsstaats.

 

by Nafeez Ahmed    Übersetzung: FritztheCat

„Wir stehen an der Seite der Türkei bei ihren Bemühungen um ihre nationale Sicherheit und im Kampf gegen den Terrorismus. Frankreich und die Türkei stehen auf der selben Seite im Rahmen der internationalen Koalition gegen die Terroristengruppe ISIS.“ - Stellungnahme des französischen Außenministeriums, Juli 2015


Das Massaker in Paris am 13. November wird wie der 11. September als ein einschneidender Moment in die Weltgeschichte eingehen.

 

Die 129 ermordeten  und 352 weitere verletzten Menschen durch die Ministranten des „Islamischen Staats“ (ISIS) bei den zeitgleichen Anschlägen im Herzen Europas stellen einen großen Wandel in der Terrorbedrohung dar.

 

Zum ersten mal gab es mit dem schlimmsten Anschlag in Europa seit Jahrzehnten auf westlichem Boden einen Anschlag wie in Mumbai. Frankreich hat darauf mit einer scheinbar angemessenen Reaktion reagiert: die Ausrufung des nationalen Notstands. Zuletzt gab es derartiges 1961 im Algerienkrieg.

 

ISIS machte mit Anschlagsdrohungen auf Washington und New York weiter.

 

Währenddessen verlangt Präsident Hollande von den Führern der Europäischen Union die Aussetzung des Schengen-Abkommens über offene Grenzen. Die Reisefreiheit in Europa soll drastisch eingeschränkt werden. Er verlangt ebenso die Einführung eines Namensregisters für Passagiere (PNR). Damit können die Geheimdienste die Reiserouten der Europäer bis ins kleinste nachverfolgen. Und er fordert eine Verlängerung des Notstands auf mindestens drei Monate.

 

Mit dieser Ausweitung kann die französische Polizei jetzt jede Webseite blockieren, Menschen ohne Gerichtsverfahren unter Hausarrest stellen, Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl durchführen und Verdächtige daran hindern sich mit Menschen zu treffen die als Bedrohung gesehen werden.

 

„Wir wissen dass weitere Anschläge in Vorbereitung sind, nicht nur gegen Frankreich sondern gegen andere europäische Länder“, sagte der französische Premierminister. „Wir werden für lange Zeit mit der terroristischen Bedrohung leben müssen.“

 

Hollande will die Polizeimacht und die Sicherheitsdienste mit neuen Anti-Terror-Gesetzen stärken. Und er verfolgt eine Verfassungsänderung, die einen Notstand permanent in der französischen Politik verankern würde. „Wir brauchen ein geeignetes Werkzeug um nicht auf den Staatsnotstand zurückgreifen zu müssen“, erklärte er.

 

Parallel zum Kriegsrecht in der Heimat hat Hollande nicht mit militärischen Aktionen im Ausland gezögert. 30 Luftschläge auf über ein Dutzend Ziele des IS auf dessen de factoHauptstadt Raqqa.

 

Frankreichs trotziges Versprechen ist ISIS zu „zerstören“ – so Hollande.

 

Die Schockwellen der Anschläge werden wahrscheinlich permanente Auswirkungen auf die westlichen Gesellschaften nach sich ziehen. So wie 9/11 die Geburt einer neuen Ära endlosen Krieges gegen die moslemische Welt war, läuten die Anschläge von Paris am 13.11. bereits eine ganz neue Phase in diesem endlosen Krieg ein: das neue Zeitalter Permanenter Wachsamkeit, in der die Bürger Freiwild für den Polizeistaat sind, durchgesetzt im Namen der Verteidigung einer Demokratie, die dadurch dass sie sich mit Permanenter Wachsamkeit verteidigt, ausgehöhlt wird.

 

Massenüberwachung im eigenen Land und endlose Militäroperationen im Ausland sind die zwei Seiten der nationalen Sicherheitsmünze, sie gilt es so weit wie möglich auszuweiten.

 

„Frankreich befindet sich im Krieg“, sagte Hollande vor dem französischen Parlament im Palast von Versailles.

„Wir sind nicht in einem Krieg der Zivilisationen, denn diese Mörder repräsentieren keine Zivilisation. Wir sind im Krieg gegen den dschihadistischen Terror der die gesamte Welt bedroht.“

 

Der Freund unseres Feindes ist unser Freund

Auffällig ist jedoch, dass in Hollandes entschlossener Kriegserklärung nicht das größte Problem erwähnt wurde: der Staatsterrorismus.

 

Syrische Pässe, die in der Nähe zweier Leichen der Anschläge gefunden wurden, sind nach Polizeiangaben gefälscht, wahrscheinlich in der Türkei.

 

Früher in diesem Jahr zitierte die türkische Tageszeitung Meydan aus einer uigurischen Quelle, dass mehr als 100.000 gefälschte türkische Pässe an ISIS weitergegeben worden seien. Diese Zahl ist nach Aussagen des Foreign Studies Military Office der US Armee (FSMO) wahrscheinlich übertrieben, wird jedoch dadurch untermauert, dass „Uiguren in Thailand und Malaysia mit türkischen Pässen erwischt wurden“.

 

Eine weitere Bestätigung kam von einem Sky News Arabia Bericht des Korrespondenten Stuart Ramsey. Darin wird aufgedeckt wie die türkische Regierung Pässe ausländischer Milizionäre akzeptierte, die die türkisch-syrische Grenze passierten um ISIS zu folgen. Die Pässe, erhalten von kurdischen Kämpfern, trugen offizielle Ausreisestempel der türkischen Grenzbehörde. Das deutet darauf hin, dass ISIS-Milizionäre mit vollem Wissen türkischer Behörden nach Syrien einreisten.

 

Das Dilemma, vor dem die Erdogan-Regierung steht, fasst das FSMO so zusammen: „Wenn das Land illegale Pässe einziehen und die Milizen an der Durchreise hindern würde, dann könnten die Militanten die Türkei zu einem Anschlagsziel machen. Wenn aber die Türkei auf dem eingeschlagenen Weg weitermacht, dann werden die diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern und die interne politische Situation darunter leiden.“

 

Das kratzt gerade einmal an der Oberfläche. Ein höherer westlicher Regierungsvertreter, der diesen Sommer nach einer Razzia in einem ISIS-Unterschlupf zu einer großen Menge an Informationen kam, sagte dem Guardian, dass „direkte Verhandlungen zwischen türkischen Regierungsvertretern und Vertretern von ISIS jetzt ‘nicht zu leugnen’ seien.“

 

Der selbe Regierungsvertreter bestätigte, dass das langjährige NATO-Mitglied Türkei nicht nur ISIS, sondern auch andere dschihadistische Gruppierungen wie Ahrar al-Sham und Jabhat al-Nusra, den alQaeda-Ableger in Syrien unterstützt. „Die Unterscheidungen (zu anderen Oppositions-Gruppierungen) sind wirklich sehr dünn“, sagte der Offizielle. „Es gibt keinen Zweifel, dass sie mit beiden militärisch zusammenarbeiten.“

 

Einen seltenen Einblick in die dreiste Staatsfinanzierung an ISIS liefert ein Newsweek-Bericht aus dem letzten Jahr. Das Zeugnis eines früheren ISIS-Kommunikationstechniker, der nach Syrien ging, um gegen das Regime von Bashar al-Assad zu kämpfen.

 

Der frühere ISIS-Kämpfer erzählte Newsweek, dass die Türkei im Februar Lkws des ISIS aus Raqqa erlaubte, die „Grenze zu überqueren und dann wieder zurück über die Grenze um syrische Kurden in der Stadt Serekaniye im Norden Syriens anzugreifen.“ Die Milizen des ISIS konnten frei „in einem Lastwagenkonvoi durch die Türkei reisen“ und „in sicheren Unterschlüpfen“ anhalten.

 

Dieser ehemalige ISIS-Kommunikationstechniker gab auch zu, dass er laufend „ISIS-Hauptleute und -Kommandanten aus Syrien haufenweise mit türkischen Leuten verbunden habe“ und sagte: „die Leute mit denen sie redeten waren türkische Regierungsvertreter…die ISIS-Kommandanten sagten uns, wir hätten nichts zu befürchten, es gäbe eine einvernehmliche Zusammenarbeit mit der Türkei.“

 

Im Januar wurden bestätigte offizielle Dokumente des türkischen Militärs geleakt. Diese Dokumente zeigen, dass türkische Geheimdienstmitarbeiter in Adana von Militärpersonal erwischt wurden, wie sie Raketen, Granaten und Flugabwehrmunition mit einem Lkw nach Syrien „an die Terrororganisation alQaeda“ liefern wollten.

 

Nach Aussagen von ISIS-Verdächtigen, die in der Türkei ihren Prozess erwarten, hat der türkische nationale Militärgeheimdienst (MIT) bereits 2011 mit dem Schmuggeln von Waffen – darunter NATO-Waffen – an dschihadistische Gruppen in Syrien begonnen.

 

Die Vorwürfe wurden durch einen Anklagevertreter und Zeugenaussagen der türkischen Militärpolizei bekräftigt. Sie bestätigten, dass der türkische Geheimdienst von 2013 bis 2014 Waffen an syrische Dschihadisten lieferte.

 

Im September 2014 geleakte Dokumente zeigen, dass der saudische Prinz Bandar bin Sultan Waffenlieferungen an ISIS über die Türkei finanzierte. Ein Flugzeug aus Deutschland lieferte heimlich Waffen zum Flughafen Etimesgut in der Türkei. In drei Containern, zwei davon wurden an ISIS geliefert.

 

Ein Bericht der türkischen Statistikbehörde bestätigt, dass während dieser Zeit Waffen im Wert von mindestens $1 Mio. an syrische Rebellen geliefert wurden, in Widerspruch zu offiziellen Dementi. Zu den Waffen gehörten Granaten, schwere Artillerie, Flugabwehrkanonen, Handwaffen, Munition, Jagdgewehre und andere Waffen – die Statistikbehörde lehnte es jedoch ab die einzelnen Empfänger der Lieferung zu nennen.

 

Die Information dazu kam aus einer anderen Quelle. Vor zwei Monaten stürmte die türkische Polizei eine Nachrichten-Redaktion. Diese hatte Enthüllungen darüber veröffentlicht, wie der örtliche Zollinspektor die Waffenlieferungen aus der Türkei an ISIS nach Syrien genehmigte.

 

Die Türkei spielte auch eine wesentliche Rolle bei der Einrichtung dieser ISIS-Lebensader: den Ölverkäufen auf dem Schwarzmarkt. Hochrangige Quellen aus der Politik und den Geheimdiensten bestätigen, dass türkische Behörden aktiv bei der Ermöglichung von ISIS-Ölverkäufen in das Land mitgewirkt haben.

 

Letzten Sommer hat ein Oppositionspolitiker, Mehmet Ali Ediboglu, die Menge der ISIS-Ölverkäufe in der Türkei auf $800 Mio. geschätzt – das war vor über einem Jahr.

 

Das würde bedeuten dass ISIS über die Türkei jetzt bereits mehr als eine Milliarde Dollar durch Schwarzmarktöl eingenommen hat.

 

ISIS hat keine „selbsterhaltende Wirtschaft“, wie die Phantasten der Washington Post und der Financial Times in ihren jüngsten falschen Untersuchungen behaupten. Das sagt Martin Chulov vom Guardian:

„…Tanklaster mit Öl aus Behelfs-Raffinerien fahren noch immer zur (türkisch-syrischen) Grenze. Ein ISIS-Mitglied sagte, dass die Organisation noch weit davon entfernt sei, für ihr in Syrien und dem Irak kontrolliertes Gebiet eine selbsterhaltende Wirtschaft zu errichten.
‘Sie brauchen die Türken. Ich weiß einiges über die Zusammenarbeit und sie macht mir Sorgen. Ich sehe nicht, wie die Türkei die Organisation hart angreifen könnte. Es gibt gemeinsame Interessen’.“

 

Hochrangige Parteimitglieder der regierenden AKP gestehen das Ausmaß der Regierungsunterstützung für ISIS ein.

 

Die liberale türkische Tageszeitung Taraf zitierte einen AKP-Gründer, Dengir Mir Mehmet Firat, der zugibt: Um die Entwicklungen in Rojova (kurdische Provinz in Syrien) zu schwächen ist die Regierung den extremistisch religiösen Gruppierungen entgegengekommen und hat diese bewaffnet…die Regierung half den Verwundeten. Der Gesundheitsminister sagte so etwas wie: es sei eine humanitäre Pflicht, die Verwundeten des ISIS zu versorgen.“

 

Die Zeitung berichtete auch, dass ISIS-Milizionäre laufend in Krankenhäusern im Südosten der Türkei medizinische Behandlung erhalten – darunter die rechte Hand al-Baghdadis.

 

Der Journalist Ahu Ozyurt beschrieb in der „Hurriyet Daily News“ seinen „Schock“ als er von den pro-ISIS-“Gefühlen der AKP-Schwergewichte“ in Ankara und woanders erfuhr. Dazu gehören „Worte der Bewunderung für ISIL von hohen Regierungsbeamten sogar aus Sanliurfa. ‘Sie sind wie wir, sie kämpfen gegen sieben große Mächte in diesem Unabhängigkeitskrieg’, sagte einer. ‘Anstelle der PKK hätte ich lieber ISIL als Nachbar’, sagte ein anderer.“

 

Gleichzeitig heucheln NATO-Führer Empörung, und liberale akademische Experten rätseln weiter verblüfft, warum ISIS so außerordentlich hartnäckig ist und sich weiter ausbreiten konnte.

 

Es verwundert daher nicht, dass die türkischen Anti-ISIS Bombardierungen eine weitgehend symbolische Geste waren. Unter dem Vorwand des ISIS-Kampfes hat die Türkei größten Teils die Gelegenheit zur Bombardierung der kurdischen Kräfte YPG (Democratic Union Party) in Syrien und PKK (Kurdische Arbeiterpartei) in der Türkei und dem Irak benutzt. Gerade diese Kräfte aber werden wiederum von den meisten als die effektivsten Bodenkräfte im Kampf gegen ISIS gesehen.

 

Mittlerweile ist die Türkei bis an die Schmerzgrenze gegangen, um Bemühungen der USA zur Bekämpfung von ISIS zu verhindern. Als diesen Sommer 54 Absolventen des $500 Mio. Pentagon-Ausrüstungs- und Trainings-Programms für „moderate“ syrische Rebellen von der Jabhat al-Nusra – der Hand alQaedas in Syrien – gekidnappt wurden, geschah das auf einen Tipp des türkischen Geheimdienstes.

 

Dieses türkische Doppelspiel wurde „McClatchy“ durch mehrere Quellen der Rebellen bestätigt, aber ein Pentagon-Sprecher widersprach und versicherte:

„Die Türkei ist ein NATO-Verbündeter, ein enger Freund der Vereinigten Staaten und ein wichtiger Partner in der internationalen Koalition.“

Da spielt es kaum noch eine Rolle, dass die Türkei ISIS Ölgeschäfte über eine Milliarde Dollar ermöglicht hat.

 

Ein von den USA ausgebildeter Offizier der Division 30 (Anm.d.Ü.: eine CIA-gesponserte Rebellengruppe in Syrien) mit Informationen zu dem Vorfall sagte dass die Türkei damit versuche, den Einfluss der Islamisten von Nusra und Ahrar im Norden zu erweitern“ und die Vereinigten Staaten dazu zu bringen „die Ausbildung der Rebellen zu beschleunigen.“

 

David Graeber von der London School of Economics wies darauf hin:

„Wenn die Türkei zu den ISIS-Gebieten die gleiche totale Blockade wie zu den von Kurden gehaltenen Gebieten in Syrien durchgesetzt hätte…dieses blutgetränkte „Kalifat“ wäre schon lange zusammengebrochen – und möglicherweise wären die Anschläge von Paris nie passiert. Und wenn die Türkei heute dasselbe tun würde, ISIS würde wahrscheinlich in ein paar Monaten zusammenbrechen. Aber hat auch nur ein westlicher Führer Erdogan dazu aufgefordert?“

 

Einige Offizielle haben über dieses Paradox gesprochen, aber es half nichts. Letztes Jahr zeigte sich Claudia Roth, stellvertretende Bundestagspräsidentin, geschockt, dass die NATO der Türkei erlaubt, in Istanbul ein ISIS-Lager zu beherbergen, den Waffentransport an islamistische Milizen über die Grenze zu ermöglichen und stillschweigend den Ölhandel zu unterstützen.

 

Nichts ist passiert.

 

Stattdessen wurde die Türkei reichlich für ihre Partnerschaft mit genau jenem Terrorstaat belohnt, der das Massaker am 13. November 2015 über Paris brachte. Nur einen Monat zuvor hat Kanzlerin Merkel der Türkei ein beschleunigtes Verfahren für die Aufnahme der Türkei in die EU angeboten. Das würde Reisefreiheit für Türken nach Europa bedeuten.

 

Das sind zweifellos Super-Nachrichten für die Sicherheit der europäischen Grenzen.

 

Staatliche Sponsoren

Es ist nicht nur die Türkei. Hochrangige politische und nachrichtendienstliche Quellen in der Kurdischen Regionalregierung (KRG) bestätigten die Mittäterschaft hochrangiger KRG-Beamter bei den ISIS Ölgeschäften, zum eigenen Vorteil und um die schwindenden Einkünfte der Regierung zu steigern.

 

Trotz einer formellen parlamentarischen Untersuchung, die die Anschuldigungen bestätigte, gab es keine Verhaftungen, keine Anklagen und keine strafrechtliche Verfolgung.

 

Der „Mittelsmann“ der KRG und andere Regierungsbeamte, die diese Geschäfte ermöglichten, gehen weiter ihren Geschäften nach.

 

In seiner Aussage vor einem Senatsausschuss der Streitkräfte im September 2014 wurde General Martin Dempsey, zu jener Zeit der oberste Stabschef, von Senator Lindsey Graham gefragt, ob er „irgendwelche arabischen Verbündeten kenne die ISIL huldigen?“.

 

Die Antwort des Generals:

„Ich kenne wichtige arabische Verbündete die sie finanzieren.“

Mit anderen Worten: der höchste Militär der USA hat damals bestätigt, dass ISIS von genau jenen „wichtigen arabischen Verbündeten“ unterstützt wird, die gerade der US-geführten Anti-ISIS Koalition beigetreten sind.

 

Zu diesen Verbündeten gehören Saudi Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und insbesondere Kuwait – die zumindest in den letzten vier Jahren Milliarden von Dollar hauptsächlich an extremistische Rebellen geschleust haben. Kein Wunder, dass ihre Luftschläge gegen ISIS (vorher schon winzig) jetzt nahezu völlig aufgehört haben. Sie konzentrieren sich stattdessen darauf, die schiitischen Houthis im Jemen zu bombardieren, was dort übrigens zum Aufstieg von ISIS führt.

 

Durchlässige Verbindungen zwischen einigen Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA), Islamistengruppen wie al-Nusra, Ahrar al-Sham und ISIS ermöglichen auch rege Waffenlieferungen von den „Moderaten“ zu den islamistischen Milizen.

 

Der ständige Transfer von Waffenbeständen der CIA/Golfstaaten/Türkei an ISIS wurden mit einer Analyse der Seriennummern von Waffen durch die in Großbritannien ansässige Conflict Armament Research (CAR) dokumentiert. Deren Datenbank über illegalen Waffenhandel wird von der EU und dem Schweizer Außenministerium gefördert.

 

„Kräfte des IS haben erhebliche Mengen von US Kleinfeuerwaffen erbeutet und sie auf dem Schlachtfeld eingesetzt“, schreibt ein CAR-Bericht vom September 2014. „M79 90mm Panzerabwehrraketen, in Syrien von IS-Kräften erbeutet, sind identisch mit M79 Raketen die von Saudi Arabien 2013 an Kräfte geliefert wurden die unter dem Schirm der „Freien Syrischen Armee“ operierten.“

 

Der deutsche Journalist Jürgen Todenhöfer, der 10 Tage beim IS verbrachte, berichtete letztes Jahr, dass ISIS „indirekt“ vom Westen bewaffnet wird:

„Sie kaufen die Waffen die wir der Freien Syrischen Armee gaben, sie erhalten also Waffen aus dem Westen – sie bekommen französische Waffen…ich sah deutsche Waffen, ich sah amerikanische Waffen.“

ISIS wird also staatlich unterstützt – ja, gesponsert von angeblich dem Westen wohl gesonnenen Regimen der muslimischen Welt, die Bestandteil der Anti-ISIS-Koalition sind.

 

Das führt zu der Frage, warum Hollande und andere westliche Führer (die ihre Entschlossenheit ausdrücken, ISIS mit allen Mitteln zu „zerstören“) den wichtigsten aller Faktoren außer Acht lassen: die materielle Infrastruktur beim Aufstieg von ISIS in Zusammenhang mit der fortwährenden staatlichen Unterstützung von islamistischen Milizen in der Region durch die Golfstaaten und die Türkei.

 

Es gibt viele Erklärungen dafür, aber eine ragt wahrscheinlich heraus: die erbärmliche Abhängigkeit des Westens von Terror unterstützenden muslimischen Regimen, hauptsächlich um einen Zugang zu den Öl- und Gasreserven des Nahen Ostens, des Mittelmeers und Zentralasiens zu erhalten.


Nafeez Mosaddeq Ahmed (1978) ist ein britischer Autor, Journalist, und Referent für inter­nationale Sicherheit. Er ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Politikforschung und Entwicklung (IPRD), einem unabhängigen Think-Tank für die Untersuchung von gewalttätigen Konflikten im Zusammenhang mit der globalen Umwelt-, Energie- und Wirtschaftskrise konzentriert; ein Filmemacher, der “The Crisis of Civilization” co-produziert und geschrieben und “Grasp the Nettle” co-produziert hat – beide Filme wurden von Dean Puckett gedreht. Seine wissenschaftliche Arbeit fokussiert auf die systemischen Ursachen der Massengewalt. Er hat an der Abteilung für Internationale Beziehungen, University of Sussex und an der Politik & Geschichts Abteilung der Brunel University Undergraduate- und Postgraduate-Kurse für Theorie der internationalen Beziehungen, Zeitgeschichte, Imperialismus und Globalisierung gelehrt. Er ist ein ehemaliger Umwelt-Blogger für The Guardian. Ahmed hat eine wöchentliche Kolumne im Middle East Eye, einem in London ansässigen Nachrichtenportal des Ex-Guardian Leitartikler David Hearst und ist ‘System Shift’-Kolumnist für VICE’s Motherboard. Ahmed ist Gründer und Herausgeber von Insurge Intelligence, eines crowdfinanzierten, investigativen Journalismus-Projekts.

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