Ungarns Premier Viktor Orbán: Europa liefert sich der Türkei aus. „Die Sicherheit der Europäischen Union darf sich nicht in der Hand einer Macht außerhalb der EU befinden.“
Kurz vor der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Türkei hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán scharf das Flüchtlingsabkommen kritisiert, das die EU mit dem Land abgeschlossen hat. „Wir sind der Türkei ausgeliefert“, sagte Orbán der WirtschaftsWoche. „Die Sicherheit der Europäischen Union darf sich nicht in der Hand einer Macht außerhalb der EU befinden.“
Die Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann sieht Orbán – der am Dienstag mit einem Besuch bei Altkanzler Helmut Kohl für Schlagzeilen sorgte - als direkte Konsequenz der Abhängigkeit Europas von der Türkei. „Wenn man auf das Wohlwollen eines Landes so angewiesen ist, kann es zu solchen Unfällen wie bei Böhmermann kommen.“
Orbán monierte auch, dass die Türkei durch die Flüchtlingskrise ein erhebliches finanzielles Erpressungspotenzial erhalten habe. „Wir EU-Mitglieder haben schon drei Milliarden Euro an die Türkei gezahlt, bald werden noch einmal drei Milliarden fällig. Wo das endet, ist nicht absehbar.“
Der Ungar sagte zudem voraus, im Juni werde sich noch ein ganz anders Problem stellen. „Dann nämlich werden die Türken auf der Visafreiheit bestehen. Verwehren wir die Visafreiheit, lässt die Türkei die Flüchtlinge nach Europa reisen. Vor diesem Ansturm muss sich Europa schützen können.“
Kanzlerin Merkel sieht Orbán durch die Flüchtlingskrise nicht als geschwächt an. „Merkel hat mit dem starken Deutschland so viel politisches Gewicht hinter sich, dass sie gar nicht schwach werden kann“, sagte er. „Sie ist wie ein Lastwagenfahrer und kann nicht einfach so tun, als ob sie in einem VW Golf säße.“