US-Zinserhöhung? Sollte der Offenmarktausschuss zu den Meetings im Juni und Juli erneut mit irgendwelchen Ausreden aufwarten, riskiert die Fed, ihre Glaubwürdigkeit vollends zu verlieren. Ein derartiger Vertrauensverlust könnte unbeabsichtigte Folgen für den Dollar, Bonds und Gold nach sich ziehen.
Von Uli Pfauntsch
Vieles deutet darauf hin, dass die Deflationsgefahr für die US-Wirtschaft zunimmt. Was bezweckt die Fed also wirklich mit ihrer Stimmungsmache? Einige Marktbeobachter sind der Ansicht, dass die Fed auf ihre Worte erneut keine Taten folgen lassen wird. So sagt etwa die BNP Paribas voraus, dass die Fed in 2016 die Zinsen aufgrund der schwachen Wachstumsaussichten für die US-Wirtschaft nicht erhöhen wird.
Nachdem sich die Fed in diesen Tagen derart weit aus dem Fenster lehnte wie lange nicht mehr, vertrete ich eine andere Ansicht:
Sollte der Offenmarktausschuss zu den Meetings im Juni und Juli erneut mit irgendwelchen Ausreden aufwarten, riskiert die Fed, ihre Glaubwürdigkeit vollends zu verlieren. Ein derartiger Vertrauensverlust könnte unbeabsichtigte Folgen für den Dollar, Bond- und US-Aktienmarkt nach sich ziehen. Deshalb ist ein Zinsschritt, wenn nicht schon im Juni, spätestens im Juli, sehr wahrscheinlich.
Allerdings nicht, wie von den Fed-Beamten behauptet, aufgrund der starken US-Wirtschaft. Die einzige plausible Erklärung ist, dass sich die Fed erneut den Spielraum verschafft, um das Instrument Leitzinssenkungen in der möglicherweise bevorstehenden Rezession einzusetzen. Sobald den Marktteilnehmern dämmert, dass die Fed die Zinsen nur anhebt, um sie im Anschluss wieder auf null oder – wie es die EZB und Japan vorgemacht haben – ins Negative zu senken, wird es für die Edelmetalle kein Halten mehr geben.
Möglicherweise kommt es im weiteren Verlauf aber auch völlig anders. Denn der springende Punkt ist die Realverzinsung – und nicht die nominelle Höhe des Leitzinses. Der US-Konsumentenpreis-Index kletterte im April um 0,40%, verglichen mit einem Anstieg von 0,10% im März. Ursächlich war der Anstieg der US-Spritpreise infolge der höheren Ölpreise. Signifikant steigende Ölpreise würden die Fed vor ein gewaltiges Problem stellen. Einerseits müssten die Zinsen ausreichend stark angehoben werden, um Inflation zu bekämpfen, andererseits hätte eine deutliche Straffung der Geldpolitik katastrophale Folgen für die auf Pump finanzierte US-Wirtschaft.
Zur Erinnerung: In den 70er Jahren löste die Opec einen Angebotsschock im Öl aus, der die Inflation in den westlichen Industriestaaten von 6 Prozent in 1972 auf 13 Prozent in 1974 katapultierte. Die damalige Phase der Stagflation ließ die Edelmetalle explodieren. In heutigen Dollars (inflationsbereinigt) gerechnet, schoss der Goldpreis von knapp über 200 Dollar Anfang der 70er Jahre, bis Anfang der 80er Jahre auf 2.584 Dollar in der Spitze nach oben. Inzwischen fehlen uns im globalen Ölmarkt freie Kapazitäten, um signifikante Produktionsausfälle auszugleichen. Sollte es etwa ausgerechnet in Saudi Arabien zu einer Neuauflage des „Arabischen Frühlings“ kommen, könnten die Ölpreise auf 100 Dollar, 150 Dollar oder 200 Dollar explodieren.
Gold + U.S. Leitzins: Warum alle falsch liegen!
Äußerst fragwürdig ist die weitverbreitete These, dass steigende Zinsen zwangsläufig den Goldpreis belasten. Tatsächlich ist für die meiste Zeit das Gegenteil der Fall.
Gold und die „Fed Fund Interest Rate“ haben historisch betrachtet eine positive Korrelation. Steigt der US-Leitzins, steigt auch Gold. Eine negative Korrelation bestand immer dann, wenn der Goldpreis im Steigen begriffen war, während die Zinsen weiter abgesenkt wurden. Schauen wir uns an, wie Gold auf die jeweiligen Zins-Zyklen reagierte:
- 1971 bis 1974: Gold stieg von 40 Dollar bis auf 154 Dollar/Unze. Zur gleichen Zeit erhöhte die Fed den Leitzins von 4,7% auf 10,50%.
- 1976 bis 1981: Gold explodierte von 124 Dollar auf 615 Dollar, während der US-Leitzins von 5,05% auf 13,35% nach oben schnellte.
- 1981 bis 1999: Im großen Abwärtszyklus von Gold und Zinsen fiel der Goldpreis von 460 Dollar auf 278 Dollar, während der Leitzins im gleichen Zeitraum von 16,4% auf 5,00% abgesenkt wurde.
- 2001 bis 2003: Dies ist die Phase, in der die Goldpreise entgegen fallender Zinsen stiegen. Gold stieg von 271 Dollar auf 363 Dollar, währen die Zinsen von 3,88% auf 1,13% gesenkt wurden.
- 2004 bis 2007: Ebenfalls eine Phase, in der Gold und Zinsen im Einklang stiegen. Gold von 410 Dollar auf 695 Dollar, Zinsen von 1,35% auf 5,00%.
- 2008 bis 2012: Zum zweiten Mal bewegten sich Gold und Zinsen in unterschiedliche Richtungen: Während Gold von 872 Dollar auf 1.662 Dollar kletterte, fielen die Zinsen von 1,92% auf 0,14%.
- 2013 bis 2015: Die Zinsen waren bereits nahe der Null-Linie und konnten in diesem Zeitraum nicht weiter gesenkt werden. Gold fiel von 1.662 auf 1.045 Dollar.
- 2015 bis 2016: Zum ersten Mal seit 8 Jahren erhöhte die Fed im letzten Dezember die Zinsen um 0,25%. Gold antwortete mit einem Anstieg von 20% auf 1.302 Dollar im Hoch.
Historisch betrachtet, war es noch nie der Fall, dass Gold gesunken ist, wenn die US-Leitzinsen angehoben wurden. Aus einem einfachen Grund: Steigen die Inflationserwartungen, verliert der Dollar zum Gold überproportional an Wert.
Dieser Trend wird am deutlichsten, wenn wir auf das Jahr 1913, das Gründungsdatum der Fed zurückgehen: Eine Million Dollars aus dem Jahr 1913 haben heute einen Wert von kläglichen 25.000 Dollar. Zum Vergleich: Eine Million Dollars in Gold aus dem Jahr 2013 hätten heute einen unglaublichen Wert von mehr als 60 Millionen Dollar.
Der Abwertungsprozess des Dollars ist nicht immer linear verlaufen, sondern in Phasen. Inzwischen droht nicht nur in den USA, sondern weltweit eine beschleunigte Phase der Papiergeld-Entwertung. Dazu ein Beispiel: Der Wert allen jemals geförderten Goldes beläuft sich auf circa 7 Billionen Dollar. Es ist zweifelsohne eine unvorstellbar große Summe – allerdings relativiert sich dieses Bild im Vergleich zur globalen Verschuldung:
Auf der Welt lastet inzwischen ein monströser Schuldenberg von 200 Billionen Dollar. Das ist mehr als doppelt so hoch wie das globale Bruttoinlandsprodukt von 75 Billionen Dollar. Wäre der gesamte globale Schuldenberg durch Gold gedeckt, dann würde sich eine Bewertung von 33.900 Dollar/Unze errechnen – die Billionen-Dollar-Derivate im globalen Bankensektor noch nicht einmal berücksichtigt. Dieses Beispiel soll lediglich die Bewertung von Gold im Verhältnis zur globalen Verschuldung aufzeigen. Der Großteil des in Besitz gehaltenen Goldes kommt gewöhnlich nicht mehr auf den Markt. Es dient als Versicherung gegen Geldentwertung, sei es durch Inflation oder durch (zwangsweisen) Forderungsverzicht gegenüber den Gläubigern.
Fazit
Das Vertrauen an der Papiergeld-Front beginnt an den Rändern bereits zu bröckeln. Fakt ist, dass der globale Schuldenberg niemals auf legalem Wege zurückgeführt werden kann und auch niemals wird. Historisch betrachtet, war die Schutzfunktion von Edelmetallen vielleicht nie bedeutsamer als heute. Vor diesem Hintergrund ist der Ausbruch des Goldpreises über die Marke von 1.300 Dollar/Unze lediglich eine Frage der Zeit. Der besorgniserregende Kontrollverlust der Federal Reserve, Europäischen Zentralbank und der Bank of Japan könnte den Edelmetallen über die kommenden Monate und Jahre einen Nachfrage-Schub bescheren, den sich heute noch kaum jemand vorstellen vermag.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der jüngst gestartete Bullenmarkt in den Edelmetallen noch am Anfang steht. Die aktuelle Korrektur im Minensektor bietet bei ausgesuchten Werten hochkarätige Kaufgelegenheiten mit Aussicht auf Kursvervielfachung!