Argentiniens Ex-Finanzstaatssektrekär empfielt Griechenland Rosskur: Die Herausforderung für Argentinien damals und Griechenland heute sei die gleiche - für Wachstum zu sorgen und vor Zinsen wieder einen Überschuss zu erzielen. Griechenland sei wirtschaftlich auf dem Niveau eines Entwicklungslands, der Schlüssel seien Investitionen, "und die fließen erst nach einer Umschuldung".
Der ehemalige argentinische Finanzstaatssekretär Guillermo Nielsen geht mit dem Krisenmanagement der Euro-Zone hart ins Gericht. "Politiker in der Euro-Zone betrachten eine Umschuldung als eine von mehreren Optionen und glauben offenbar, dass sich das Problem aussitzen lässt", sagt Nielsen der "Financial Times Deutschland". Er hatte Argentiniens Schuldenschnitt nach der Staatspleite von 2001 als Finanzstaatssekretär ausgehandelt. "Aber die Politiker haben nur die Wahl zwischen geordneter Umschuldung und ungeordnetem Staatsbankrott. Ein Haircut der Schulden ist unvermeidlich."
Die europäische Politik beweise eine beängstigende Führungsschwäche, sagte Nielsen. Den Steuerzahlern der Euro-Zone ein ums andere Mal Rettungspakete aufzulasten, sei politisch weit gefährlicher als ein klarer Schuldenschnitt, der auch Voraussetzung für einen Investitionsschub in Griechenland sei.
Nielsen warnt die Euro-Zone davor, es auf einen durch Hinhaltetaktik provozierten, planlosen Bankrott und Euro-Austritt ankommen zu lassen. Genau das - die abrupte Pleite und Aufgabe der Währungsbindung - hatte Argentinien Ende 2001 erlebt, als sich die Überbewertung des Peso durch die ein Jahrzehnt währende Bindung zum Dollar nicht mehr halten ließ.
Die Folge: Eine massive Kapitalflucht, die Schulden schnellten auf Höhe des Bruttoinlandsprodukts, und der Internationale Währungsfonds setzte einen Milliardenkredit aus, weil ein Sparprogramm scheiterte. Banken konnten die Dollar-Konten der Argentinier nicht mehr bedienen, und die Geldausgabe wurde auf umgerechnet 80 Euro pro Woche rationiert. Inzwischen hat Argentinien seine Verbindlichkeiten beim IWF beglichen und der Mehrzahl der privaten Gläubiger einen Verzicht auf drei Viertel ihrer Forderungswerte abgerungen. Eine Einigung mit allen Gläubigern steht indes weiter aus.
Die Herausforderung für Argentinien damals und Griechenland heute sei die gleiche - für Wachstum zu sorgen und vor Zinsen wieder einen Überschuss zu erzielen, sagte Nielsen. Griechenland sei wirtschaftlich auf dem Niveau eines Entwicklungslands, der Schlüssel seien Investitionen, "und die fließen erst nach einer Umschuldung". Lege man die argentinischen Erfahrungen zugrunde, müssten mindestens 64 Prozent der Forderungen abgeschrieben werden, um die Verschuldung Griechenlands zu stabilisieren, sagte Nielsen. Er rechnete vor, dass Griechenland noch einmal mindestens 150 Milliarden Euro benötigt, zwei Drittel davon, um die Belastung der Banken bei einer Umschuldung zu begrenzen, den Rest als Konjunkturpaket.
Europäische Politiker würden die Gefahr eines Schuldenschnitts für den Euro überschätzen, "die Finanzmärkte haben Griechenland längst abgeschrieben", sagte Nielsen. Die gegenwärtige Unsicherheit schrecke sie weit mehr als eine klare Umschuldung. Selbst einen zeitweiligen Euro-Ausstieg hält er für denkbar - schließlich sei Griechenland längst kein vollwertiges Mitglied der Euro-Zone mehr.