Vertragsentwurf: Euro-Zone will Fiskalpakt verschärfen. Möglicherweise werden die Mitgliedstaaten der Währungsunion nicht nur bei der Haushaltspolitik, sondern auch bei der Wirtschaftspolitik enger zusammenrücken und dies vertraglich festschreiben.
Demnach wollen die Euro-Staaten ihre wirtschaftspolitische Zusammenarbeit verstärken, um so „eine tiefere Integration in den Binnenmarkt ebenso wie mehr Wachstum, mehr Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt“ zu erreichen, heißt es in Artikel 1 des neuen Entwurfes. Diese Formulierung war im ersten Entwurf des Vertrages noch nicht enthalten. Neu ist auch eine Formulierung in Artikel 11. Demnach sollen die Euro-Staaten alle wichtigen wirtschaftspolitischen Reformen „ex ante untereinander diskutieren“. Von der Pflicht, Wirtschaftsreformen vorab in der Euro-Gruppe zu debattieren, war im ersten Entwurf noch nicht die Rede gewesen. Die Ergänzungen dürften vor allem auf französische Forderungen zurückgehen. Die Regierung in Paris dringt schon lange darauf, dass die Euro-Zone ihre Wirtschaftspolitik enger als bisher koordiniert. Sie will den Fiskalpakt nutzen, um die Wirtschaftsregierung der Euro-Zone vertraglich zu verankern.
Die Bundesregierung legt dagegen Wert darauf, möglichst strikte Budgetregeln im neuen EU-Vertrag festzuschreiben. Auf deutsches Drängen sind die Formulierungen zur Haushaltsdisziplin im neuen Vertragsentwurf an zwei Stellen verschärft worden. Das ist zum einen beim automatischen Strafverfahren gegen Haushaltssünder der Fall. Dem alten Vertragsentenwurf zufolge sollte das automatische Strafverfahren gegen Länder eröffnet werden, deren Haushaltsdefizit über den EU-Grenzwert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigt. Dem neuen Entwurf zufolge droht automatische Bestrafung auch jenen Ländern, die ihre Gesamtverschuldung nicht unter den EU-Grenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) drücken. Neu ist darüber hinaus, dass sogar Länder mit einer vergleichsweise geringen Staatsverschuldung ihr Haushaltsdefizit nicht aus dem Ruder lassen dürfen. Das strukturelle Defizit dürfe in diesen Ländern „in keinem Fall höher als 1,0 Prozent des nominalen BIP“ sein, heißt es in dem neuen Entwurf. Im ersten Vertragstext war dieser Grenzwert nicht enthalten.
Inkrafttreten soll der Fiskalpakt erst dann, wenn er von mindestens 15 Euro-Staaten ratifiziert ist. Das sind sechs Länder mehr als im ersten Vertragsentwurf geplant. Im neuen Entwurf ist außerdem vorgesehen, dass der Fiskalpakt mittelfristig in den EU-Vertrag von Lissabon integriert wird. Nach „höchstens fünf Jahren“ müsse „eine Initiative gestartet“ werden „mit dem Ziel, die Substanz dieses Vertrages in den Rechtsrahmen der EU zu integrieren“, heißt es im Schlussartikel des Entwurfs.
Deutschland und Frankreich hatten vergangenes Jahr bereits versucht, verschärfte Haushaltsvorschriften für die Euro-Zone im gültigen EU-Vertrag von Lissabon zu verankern. Dagegen legte der britische Premierminister David Cameron beim EU-Gipfel am 9. Dezember jedoch sein Veto ein. Deshalb will die Euro-Zone ihren Fiskalpakt jetzt in einem neuen Vertrag verankern. Diesem Vertrag treten voraussichtlich auch die meisten Nicht-Euro-Staaten bei. Neben Großbritannien bleiben wahrscheinlich nur Tschechien und Schweden außen vor. Die EU-Regierungschefs wollen den neuen Vertrag möglichst schon beim Gipfeltreffen am 30. Januar in Brüssel unterzeichnen.