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ESM: Offener Brief an Bundespräsident

In einem offnen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck erläutert der Bund der Steuerzahler Bayern noch einmal ausführlich die Gefahren von ESM und die Folgen einer Banklizenz - ganz abgesehen vom demokratischen Defizit einer solchen Institution. Wird der Präsident reagieren?

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

in Ihrem Stern-Interview (Stern-Extra 3/2010: „Die Geschichte der Deutschen“) führen Sie aus, dass die DDR-Bürgerrechtler nach der Devise handelten: Wir sind das Volk – die Politiker haben ihren Job zu tun, aber wir, das Volk, kontrollieren sie. Wir fügen heute hinzu: Das sind die Spielregeln der Demokratie! Dies schließt - wie Sie wiederholt dargelegt haben -  Dienerschaft der Bevölkerung und deren Bevormundung durch Regierung und Parteien aus. Diese allgemeinen Freiheits- und  Kontrollrechte bilden den innersten Kern der demokratischen Rechte unseres Volkes. Damit steht die Verteidigung dieser Rechte grundsätzlich turmhoch über den behaupteten (angeblich alternativlosen!) Notwendigkeiten der „Banken- oder Eurorettung“. Recht kommt vor Finanzen!

 

In diesem Sinne haben Sie erst kürzlich im ZDF-Sommerinterview an die Bundesregierung, nament-lich an die Bundeskanzlerin, dringlich appelliert,  der deutschen Bevölkerung sehr detailliert zu erklären,  was der ESM beinhalte und für sie fiskalisch bedeute,  welchen Preis also die Deutschen im Ergebnis zu zahlen haben. Für die Vorbehalte und Sorgen ungezählter Bürger gegen den ESM äußerten Sie Verständnis und begrüßten insoweit die Klagen zum Bundesverfassungsgericht: Manchmal fehle der Politik die Energie, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiere.

Das war sehr höflich ausgedrückt, denn nach unserer Meinung fehlt der Wille zur Aufklärung! Wir gehen sogar so weit zu behaupten, dass die Politik in Sachen Eurorettung und geplanter Installation der ESM-Mega-Bank die Bevölkerung bewusst im Dunklen lässt bzw. täuscht,  damit dieser monströse Geldumverteilungsmechanismus, der alle Staats- und Bürgerfinanzen komplett vernichten wird, dauerhaft installiert werden kann.

 

Und dabei wird – wie inzwischen allgemein bekannt - nicht etwa Vermögen von deutschen Bürgern an griechische, spanische oder andere Bürger verteilt:  Vermögen und zukünftige Einkommen der Bürger werden vielmehr - ohne Legitimation und Kontrolle durch diese – rücksichtslos auf das finanzielle Schlachtfeld „Eurokrise“ geworfen, um ständig neue, bodenlose Finanzlöcher von Staaten, Banken und einzelnen Wirtschaftssektoren zu stopfen.

 

Tatsächlich werden, unter Beihilfe der Politikerklasse, mit jeder Zahlung an Drittstaaten oder Banken  die Kreditrisiken des weltweiten Großkapitals in Billionenhöhe sukzessive und praktisch unbemerkt auf die europäischen Steuerzahler und Bürgern dauerhaft übertragen. Im Endeffekt werden Verluste aus privaten Risikogeschäften vergemeinschaftet, etwaige Gewinne aber verbleiben bei der Finanzoligarchie. Das ist ein unzumutbares, ebenso dreistes wie schmutziges Geschäftsgebaren,  denn weshalb sollen normale Bürger zu ihrem Nachteil die Risiken von riskanten und spekulativen Geldgeschäften reicher Leute oder von Drittstaaten  übernehmen. Weshalb mutet unsere Regierung dem Volk so etwas zu? Geschieht dies dennoch, werden unsere Bürger zwangsweise zu Dienern der lizenzbefreiten (Art. 32 Abs. 9) ESM-Mega-Bank und - als unmittelbare Folge - der weltweiten Groß-finanz. Dies  vor allem deshalb, weil sich der ESM sein Betriebskapital gemäß Art. 8 Abs. 2 ESM i.V.m. Art. 21 Abs. 1 ESM hauptsächlich über Kreditaufnahme (Eurobonds)[1] am offenen Markt beschafft, das heißt bei den üblichen internationalen Großkreditgebern!

 

Was macht es für einen Sinn Banken und ihre Hintermänner zu schützen, wenn dadurch ganze Staaten und deren Bevölkerung wirtschaftlich zugrunde gehen. Die Gesamtheit der Bürger verdient selbstverständlich höheren Schutz als jedwede Bank, mag diese behauptlich noch so systemrelevant sein. Es ist aberwitzig zu glauben, über den Schutz der Banken schütze man den Bürger! Das Gegenteil ist richtig! Den Bürger soll man, wenn notwendig, direkt schützen – aber nicht über ebenso grenzenlose wie unkontrollierbare Rettungsmilliarden an Banken und marode Drittstaaten. Wer im Wirtschaftsleben nicht überlebensfähig ist, für den ist das Insolvenzrecht da  - auch für Großbanken - aber nicht der Geldbeutel des normalen Bürgers!

 

Wir haben als erster Verband schon frühzeitig den ESM, den Fiskalpakt und das ESMFinG umfassend kommentiert und in der Folge hierüber zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt. Wir wissen sehr genau um die vielfache Rechts- und Verfassungswidrigkeit des ESM (und damit auch der Begleitge-setze). Der ESM ist so oder so bei juristischer Betrachtung Null und Nichtig. Die dem ESM immanente Nichtigkeit kann – nach unserer Rechtsordnung - nicht durch Bundestags- und Bundesratsbeschlüsse beseitigt werden.  Natürlich können nichtige Verträge nicht durch Richterspruch des BVerfG bzw. des EuGH legalisiert oder ersetzt  werden.   

 

Der ESM führt unmittelbar zur Abschaffung des souveränen, demokratischen deutschen National-staates. Wenn aber die Politik mittels ESM die Demokratie und den deutschen Nationalstaat beseitigen will – sofern dies überhaupt möglich ist! – bedarf es dazu einer Volksabstimmung und zwar vor der Installation des völlig unkontrollierbaren und illegalen ESM-Mechanismus. Denn dessen unmittelbare Folge ist, dass damit die deutsche Finanzhoheit endet und auf den ESM und andere supranationale Institutionen übergeht.

 

Wenn die Entscheidungsmacht über die eigenen Finanzen (Bundes- und Länderhaushalte)  verloren geht, hat das Volk im Staat nichts mehr zu sagen. Es erübrigen sich dann u.a.  Bundestagsabgeord-nete als Repräsentanten des Volkes vollständig.[2] Ein Staat ohne finanzielles Entscheidungsmonopol der Bürger ist kein demokratischer Staat mehr! Es gilt dann nur,  was der Gouverneursrat des ESM in seiner grenzenlosen Weisheit beschließt.

Die Regierung behauptet, die hochbrisante Finanzlage mache den Einsatz der schlagkräftigen  ESM-Finanz-„Bazooka“ unter Gouverneursführung (mit quasi diktatorischen Aufgaben und Rechten, AdU) notwendig. 

Das Amt des Diktators war in der Zeit der frühen bis späten Römischen Republik ein mit umfassenden Vollmachten ausgestattetes politisches Amt (ca. 80 Diktatoren in rund 450 Jahren). Nach dem Gesetz  wurde der Diktator zur Lösung genau umrissener Notsituationen des Staates für maximal 6 Monate bestellt. Auch während der kurzen Dauer der Diktatur behielt der Senat (vor über 2100 Jahren) die unbedingte Finanzhoheit! Und regelmäßig stellten die Diktatoren ihre geplanten Maßnahmen und Gesetze dem Volk zur Abstimmung, um hierdurch eine breite Basis der Akzeptanz der Maßnahmen zu erlangen. Mit Lösung der Aufgabe endete das diktatorische Amt und wurde niedergelegt  (letzter Diktator vor  Caesar[3] [Ende der Republik] war Sulla). Auf diese Weise wurde in der römischen Repu-blik (bis ca. 79 v.Chr.) der den Römern verhassten, dauerhaften und unbegrenzten Herrschaftsgewalt Einzelner entgegen gewirkt.

Heute installiert der ESM eine Art ESM-Gouverneurs-Diktatur über Europa. Die hierfür erforderlichen Mittel haben – wie immer – natürlich die Beherrschten, die Bürger der Eurostaaten, selbst  zwangs-weise aufzubringen. Im krassen Gegensatz zur „guten“ römischen Diktatur der Republik ist die kurz bevorstehende ESM-Finanzdiktatur 

a) inhaltlich, insbesondere finanziell unbegrenzt,

b) zeitlich unbegrenzt,

c) sieht keine Amtsniederlegung vor,

d) sieht keine Selbstauflösungsverpflichtung des ESM vor,

e) schließt den Austritt aus dem diktatorischen Endlossystem aus,

f) und lässt das Volk über geplanten diktatorischen Maßnahmen nicht entscheiden.

 

Einfach ausgedrückt: Mit dem ESM ist das Geld weg, die ewige ESM-Gouverneurs-Diktatur  ist da! Schon grundsätzlich stellt sich die Frage nach dem Sinn des „dauerhaften ESM Rettungsschirms“: Hier liegt ein Widerspruch in sich, denn dauerhafte Rettung setzt dauerhafte Finanzprobleme voraus, die doch der ESM angeblich lösen soll. Tatsächlich wird die „Finanzkrise“ als Vorwand benutzt um die Demokratie abzuschaffen, mit dem Ziel,  über das Geld der Bürger und damit über diese selbst zu herrschen!

 

Der ESM ist so konstruiert,  dass die Mittelkontrolle und Mittelverwendung des ESM-Kapitals dem Volk entzogen und auf eine kleine Gruppe von „ESM-Vermögensverwaltern“ übertragen wird. Diese wiederum werden ausnahmslos für ihre Aufgaben und Posten nicht demokratisch bestimmt sein. Wer konnte denn beispielsweise bei der letzten BT-Wahl erahnen, dass die Politikerklasse nach der Bundestagswahl (!) die Ungeheuerlichkeit und Maßlosigkeit besitzen würde, eine ESM-Mega-Bank[4] mit dem jeweiligen Finanzminister als Gouverneur zu installieren, ohne vorher das Volk zu befragen! Dass auch die übrigen „ESM-Amtsträger“ in keiner Weise demokratisch legitimiert sind, kommt noch hinzu. Von Steuerfreiheit, Immunität, Handlungs- und Haftungsfreiheit sowie fehlender wirksamer Kontrollmöglichkeiten der ESM-Mitarbeiter ganz zu schweigen! Unsere Kommentierungen weisen aus, dass der ESM ein völlig illegales „Rechtskonstrukt“ ist, unserem Rechtssystem gänzlich fremd, diesem widerspricht und völlig antidemokratisch, antirepublikanisch ist. Jeder verständige Bürger, der sich mit dem ESM näher befasst, begreift dies ganz instinktiv auch ohne großen juristischen Sachverstand. 

 

Gegen weitere finanziell verantwortungslose, geradezu aberwitzige,  unbezahlbare ESM-Haftungs-verpflichtungen und  Garantieversprechen[5] unserer Regierung, haben wir vor kurzem die Aktion www.stop-esm.org ins Leben gerufen. Deren vorrangiges Ziel ist die umgehende Betriebsaufnahme des ESM  zu stoppen und diese von einer Volksabstimmung abhängig zu machen. Sollte dies nicht gelingen, ist das weitere Ziel der Aktion die spätere Beseitigung des ESM und der Negierung aller ESM-Haftungsverpflichtungen.

 

Aufgrund der massiven Verschleierungstaktik der Regierung, hat die Masse der Bevölkerung von der Existenz des ESM nur eine nebulöse Ahnung. Voll und ganz unterstützen wir deshalb Ihren Appell an die Regierung, die notwendige vorherige Aufklärungsarbeit zu leisten.

 

Wir haben in den vergangen Monaten unablässig europaweit Öffentlichkeitsarbeit geleistet und - zusammen mit vielen anderen verdienstvollen Organisationen - insbesondere über den ESM aufge-klärt. Zu 99 % war die erste Resonanz der Bürger - quer durch alle Schichten! - Unglauben bis hin zum Erschrecken. Stets kam die Frage, warum unsere Politiker „so etwas machen und ob sie das überhaupt dürfen.“  Inzwischen haben sich zehntausende mündige und wache Bürger unserer Aktion www.stop-esm.org angeschlossen.

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, wir wissen nicht, wie die anstehende Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichtes am 12.09.2012 ausfallen wird. Wir enthalten uns insoweit jeder Einflussnahme. Sollte aber der ESM die Gerichtshürde passieren und Ihnen zur Unterschrift vorgelegt werden,  ersu-chen wir Sie höflich,  diese Unterschrift im Interesse unserer demokratischen und freien Bürgerschaft zu verweigern und sie von einer vorherigen neutralen Aufklärung der Bürgerschaft und nachfolgen-der Volksabstimmung über den ESM abhängig zu machen.

 

Wir sind das Volk, wir kontrollieren und entscheiden. Ist das nicht mehr möglich,  dann endet  in Deutschland erneut die Demokratie. Wer wüsste das besser als Sie, Herr Bundespräsident!

 

Mit vollkommener Hochachtung

 

Rolf von Hohenhau

(Präsident)

Taxpayers Association Europe

Bund der Steuerzahler (Bayern)


[1] Siehe hierzu Fußnoten 63, 64 zu Art. 21 ESM-Kommentierung   

[2] Ob die dem ESM zustimmenden Bundestagsabgeordneten diese Konsequenzen ihrer beschlussmäßigen „Selbsterübrigung“ überhaupt erkannt haben, dürfte zu bezweifeln sein.  

[3] Cäsar wurde wegen Umwandlung des gesetzmäßigen Amtes des Diktators in eine Diktatur (nach heutigen Sinngehalts, AdU.), also eine antirepublikanische und dauerhafte Einzelherrschaft, umgebracht. Vorher hatte der Senat (!) der dauerhaften Diktatur Caesars zugestimmt. Danach wurde das Amt des Diktators abgeschafft. 

[4] Mit zunächst 700 Milliarden Kapital (= 140-faches Kapital der Bundesbank!)

[5] Garantien sind gefährlicher, weil direkter als Bürgschaften!

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