George Soros: "Deutschland muss führen oder aus dem Euro austreten". Forderung nach "wohlwollendem Hegemon". Höhere Inflation erwartet. Merkels Forderung, dass jedes Land für seine eigenen Finanzinstitutionen garantieren solle, "war der erste Schritt in einem Zerfallsprozess".
Das Schicksal des Euro entscheidet sich nach Angaben von George Soros in Deutschland. Der Investor fordert in einem Essay, den SPIEGEL ONLINE exklusiv veröffentlicht, dass Deutschland dazu gedrängt werden muss, zu handeln. "Meiner Ansicht nach ist die beste Vorgehensweise, Deutschland zu überzeugen, entweder zum wohlwollenden Hegemon zu werden oder den Euro zu verlassen. Anders gesagt: Deutschland muss führen oder austreten", schreibt Soros.
Seit Beginn der globalen Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Zerfall der EU maßgeblich zu verantworten, kritisiert Soros. Merkels Forderung, dass jedes Land für seine eigenen Finanzinstitutionen garantieren solle, "war der erste Schritt in einem Zerfallsprozess, der nun die Europäische Union zu zerstören droht".
Zu jedem Zeitpunkt in den vergangenen drei Jahren hätte die Krise verhältnismäßig einfach und billig gelöst werden können, schreibt Soros auf SPIEGEL ONLINE. Aber auch weil Deutschland nicht in der Lage gewesen sei, "über den Tellerrand zu blicken", hätten sich die Probleme immer weiter verschärft. Europa habe immer nur "das notwendige Mindestmaß getan, um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern". Das räche sich jetzt.
Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom vergangenen Donnerstag, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, werde die dauerhafte Spaltung der Euro-Zone in Schuldner- und Gläubigerstaaten nicht verhindern.
Würde sich Deutschland entscheiden, als "wohlwollender Hegemon" zu agieren, hieße das, Schuldner- und Gläubigerländer mehr oder weniger gleichzustellen und ein starkes Wachstum anzustreben. "Das würde ein höheres Maß an Inflation mit sich bringen, als die Bundesbank wahrscheinlich toleriert", schreibt Soros.