„Was nun, Amerika?“ - USA nach den Kongress- und Präsidentschaftswahlen: Die Umschiffung der fiskalischen Klippe für die USA wird schwieriger und der Schiffbruch des Staatshaushaltes rückt in bedrohliche Nähe. Auch auf den Exportweltmeister Deutschland, dessen Staatshaushalt aktuell erstmals wieder als strukturell nahezu ausgeglichen prognostiziert wird, droht das Szenario durchzuschlagen.
von Hannes Zipfel
Ein gespaltener US-Kongress, dessen Repräsentantenhaus von Republikanern selbstbewusst dominiert wird, die dem wiedergewählten Präsidenten Barack Obama ihren entschiedenen Widerstand gegen Steuererhöhungen und Ausgabenerhöhung erklärt haben. Die Umschiffung der fiskalischen Klippe für die USA wird schwieriger und der Schiffbruch des Staatshaushaltes rückt in bedrohliche Nähe. Auch auf den Exportweltmeister Deutschland, dessen Staatshaushalt aktuell erstmals wieder als strukturell nahezu ausgeglichen prognostiziert wird, droht das Szenario durchzuschlagen.
In der November-Ausgabe der monatlichen Onlinekonferenz der VSP AG analysiert Hannes Zipfel, Chefökonom der VSP AG, Konjunktur und Märkte sowie als Schwerpunktthema die USA nach den Kongress- und Präsidentschaftswahlen vom 6. November und deren Auswirkungen.
Eine nahezu hälftig zwischen den beiden politischen Lagern gespaltene Nation, ein nicht minder polarisierter Kongress, in dem die Demokraten den Senat, die erstarkten Republikaner aber das Repräsentantenhaus dominieren – dies macht die Umschiffung der bereits zum 1.1.2013 und damit noch während der Regierungsbildung drohende fiskalische Klippe schwierig. Das vorzeitige Erreichen der gesetzlichen vereinbarten Schuldenobergrenze des Staatshaushaltes (‘debt ceiling‘) von 16,394 Billionen USD – erzielt durch den höchsten Schuldenzuwachs in vier Jahren in der gesamten Geschichte der USA – verschärft noch die Situation. Eine Finanzierung durch Staatsanleihen ist dann nicht mehr möglich und der fiktive Staatsbankrott droht.
Verlängert der US-Kongress die 2001 und 2003 durch die Bush-Administration beschlossenen Steuersenkungen nicht, treten zum 1.1.2013 durch den von Obama 2011 unterzeichneten “Budget Control Act“ und das Erlöschen der Arbeitslosenleistungen quasi über Nacht Ausgabekürzungen und Steuererhöhungen von 600 Mrd. US-Dollar in Kraft. Den einzigen Ausweg aus dem Schuldendilemma bietet alleinig das weitere Ankurbeln der US-Notenbankpresse, da prozyklische Sparmaßnahmen der Obama-Administration die Situation nur noch weiter verschärft werden würden. Weitere Aufschuldungsmaßnahmen sind zudem beschränkt. Durch die Ausweitung der exorbitanten Staatsverschuldung droht letztlich die Zersetzung der Kaufkraft des US-Dollars.
Die Spuren der finanziellen Misere der USA sind bereits deutlich sichtbar. Bereits 47 Mio. US-Bürger leben derzeit von Lebensmittelmarken - ein trauriger Rekord! Dazu passt ein Staatsdefizit wie zu Kriegszeiten … Der immer deutlicher werdenden Spaltung der US-Gesellschaft mit Verelendung unterer Einkommensschichten, einer immer geringer werdender Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung (‘participation rate‘) und eine ‘jobless recovery‘ der US-Wirtschaft, deren Aufschwung bereits deutlich nachlässt, tun ein Übriges zu einem stark negativen Ausblick für die US-Volkswirtschaft.
Als einzigen, vielleicht auch nur temporären Lichtblick im Dunkel des Tunnels sieht Hannes Zipfel den US-Immobilienmarkt. Er zeigt - durch Stützungskäufe von Hypothekenanleihen durch die US-Notenbank gefördert - erste Erholung und könnte weitergehende Erholungsimpulse für die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten liefern.
Das düstere Szenario einer finanziellen Repression in den USA irritiert bereits erkennbar die Weltmärkte und verschärft die Rezessionslage der Volkswirtschaften im EU-Raum. Auch für Deutschland, das bisher dort eine Leuchtturmfunktion innehatte, lassen rückgehende Auftragseingänge in der Industrie und der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex bereits eine deutliche Eintrübung der Konjunktur erwarten. Während für die bereits krisengeschüttelten Euro-Südländer derzeit die Sparkriterien prozyklisch ausgeweitet werden bei gleichzeitiger Aufweichung durch das Engagement der EZB, ist für Deutschland derzeit ein “Vakuum der Impulse“ zu konstatieren. Hannes Zipfel hält es aber für denkbar, dass künstliche Konjunkturstimuli analog der früheren “Abwrackprämie“ und der derzeit aggressiven US-Fiskalpolitik im Bereich des Möglichen liegen. Eine Aufgabe der Austeritätspolitik der Bundesregierung ist damit in naher Zukunft denkbar.
Im Gegensatz zum negativen Trend der Volkswirtschaft haben sich die Aktienmärkte in Deutschland bisher als sehr stabil und gegen den Trend steigend gezeigt. Zipfel hält vor dem Hintergrund der abwärts zeigenden Konjunkturzyklik und der starken Abhängigkeit von den Exportmärkten im Ausland eine Jahresendrallye des deutschen Aktienmarktes für möglich, aber nicht zwingend. Auch ein kurzfristiger Kurseinbruch nach der bereits eingetretenen Delle im Jahresverlauf erscheint denkbar. Als Impulsgeber für die Aktienmärkte sieht Zipfel vor dem Hintergrund zurückgehender Unternehmensgewinne die Fiskalpolitik der Bundesregierung als entscheidend an.