Was wie ein kleines Märchen klingt, ist derzeit leider bittere Wahrheit. Zypern kämpft gegen die Staatspleite und die globalen Kapitalmärkte zittern.
Von Carsten Englert
Es war einmal eine kleine Insel im Mittelmeer. Sie hatte weniger Einwohner als die deutsche Stadt München und ein halb so großes Bruttoinlandsprodukt wie die wirtschaftsschwache deutsche Stadt Bremen, die wiederum nur halb so viele Einwohner hat wie Zypern. Dieses kleine und unbedeutende Eiland hielt ganz Europa und den Rest der Welt tagelang in Atem und drohte die (ökonomische) Welt in den Abgrund zu stürzen.
Was wie ein kleines Märchen klingt, ist derzeit leider bittere Wahrheit. Zypern kämpft gegen die Staatspleite und die globalen Kapitalmärkte zittern. Es gibt ein recht passendes Sprichwort dafür: „Wenn der Schwanz mit dem Hund wackelt“. Doch egal wie unwichtig das Land selbst für die restliche Realwirtschaft ist, in einem Wochenrückblick wie diesen kommt man natürlich nicht umhin, auf Zypern einzugehen. Wie geht es weiter, was wird aus Zypern und vor allem: wie reagieren die Märkte darauf?
Die Szenarien
Da sich die zyprische Regierung und die EU-Troika noch nicht geeinigt haben, gibt es noch verschiedene Möglichkeiten, wie es weiter gehen könnte.
Szenario A: Die Troika gibt aus Angst vor der Staatspleite nach und erhöht den Rettungsbetrag und senkt den Eigenanteil Zyperns an dem Betrag. Die Folgen: Die Finanzmärkte beruhigen sich, schütteln sich vielleicht nochmal kurz durch und setzen ihre Rekordjagd fort. Langfristige Folgen: Die Verschuldung der Südstaaten wird niemals unter Kontrolle geraten, da die Länder ja merken, nicht mal bei einem Zwergenstaat wie Zypern hat die Troika den Mut, die Hilfen bei Nichterfüllen der Vorgaben zu verweigern. Langfristig wird das Europa gesellschaftlich und politisch einem immer stärkeren Zersetzungsprozess aussetzen. Am Ende wird die Eurozone auseinanderbrechen. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von einem langfristigen Prozess! Eintrittswahrscheinlichkeit: Leider hoch!
Szenario B aka Plan B: Brüssel akzeptiert den vielzitierten Plan B der zyprischen Regierung. Demnach stecken die zyprische Kirche, die Rentenkasse, die Zentralbank ihre Goldreserven in einen Solidaritätsfonds. Mit diesem besichert sollen dann Staatsanleihen in der erforderlichen Summe ausgegeben werden. Die Folgen: Die Pleite der Banken wäre zunächst abgewendet. Allerdings erscheint es fraglich, ob dennoch der Kollaps der Banken verhindert werden kann, da zu befürchten steht, dass unabhängig vom Lösungsweg die Zyprer ihre Konten leerräumen, sobald die Banken wieder öffnen. Allerdings plant die EZB bereits erhebliche Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit. So soll das maximal abhebbare Volumen stark begrenzt werden, Überweisungen ins Ausland nur noch mit Genehmigung der lokalen Zentralbank möglich sein, etc. Die Auswirkungen dieses Lösungswegs wären ähnlich wie bei Szenario A, sowohl kurz- als auch langfristig. Eintrittswahrscheinlichkeit: Sehr niedrig. Die Troika hat schon verdeutlicht, dass sie nur eine Lösung akzeptieren kann mit einem Eigenanteil Zyperns ohne neue Schulden. Doch hier würden nur, wenn auch besichert, neue Schulden gemacht und das Problem in die Zukunft verschoben. Wichtige Vertreter der EU haben auch schon ein klares Nein zu Plan B signalisiert.
Szenario C: Zyperns Finanzminister war höchstpersönlich nach Russland geflogen, um dort für Unterstützung zu werben. Doch bereits einen Tag später war zu lesen, dass Russland nicht bereit ist, mit Krediten zu helfen. Würde sowieso nichts bringen, da das aus bereits genannten Gründen gegen die Vorgaben der Troika verstoßen würde, da Zypern nach Krediten gefragt hat. Doch Zypern braucht Aktiva, nicht weitere Passiva. Dennoch ist das Russland-Szenario nicht vollkommen unrealistisch, wenngleich auch in anderer Form. Vorstellbar wäre, dass Putin und Medwedew Zypern haben auflaufen lassen, um den Druck zu erhöhen, um dann zu einer noch größeren Notsituation zuschlagen zu können. Zypern verfügt über unerschlossene Gasreserven. Die Schätzungen liegen weit auseinander, doch alle liegen im dreistelligen Milliarden-Dollar-Bereich. Es wäre doch sehr verwunderlich, wenn ein Konzern wie Gazprom da kein Auge drauf werfen würde. Allerdings dürfte sich der russische Staatskonzern dann nicht mit Teilförderverträgen zufrieden geben. Doch ob wiederum Zypern bereits ist, seinen größten Schatz für einen lächerlichen Preis zu verhökern, wird man sehen müssen. Diese Lösung würde den Finanzmärkten zwar auch gut tun. Doch für Zypern wäre er langfristig ziemlich dämlich, denn in den Gasfeldern schlummert das Potenzial für langen Wohlstand, der dann nach Russland wandern würde.
Szenario D: Das vierte Szenario wurde nicht ohne Grund als Szenario „D“ bezeichnet. Dieser Buchstabe steht bei den Rating-Agenturen für „Default“, was nichts anderes als Zahlungsausfall bedeutet. Und damit wäre das Szenario auch gezeichnet: Die Troika lehnt den Plan B Zyperns ab, auch aus Russland kommt keine Rettung. Und eine vollständige Übernahme der benötigten Milliarden durch den ESM kommt auch nicht in die Tüte. Das würde sehr schnell zur Insolvenz aller großen zyprischen Banken führen. Und zwar am Montag, denn dann beendet die EZB ihr Notprogramm für die zyprischen Banken, wenn es bis dahin keine Einigung mit der Troika gibt. Die Folgen wären für Zypern dramatisch. Der Bankenrun wäre nicht mehr zu verhindern, außer durch Kapitalverkehrskontrollen wie oben bereits erwähnt. Doch die Wirtschaft Zyperns würde implodieren und das Land dauerhaft am EU-Tropf hängen. Denkbar wäre auch, dass Zypern entweder freiwillig aus der Eurozone ausscheidet oder gar gedrängt wird. An den Börsen gäbe es wohl heftige Verwerfungen,, wenngleich keine dramatischen und auch keine dauerhaften. Wie gesagt, dafür ist Zypern zu unbedeutend. Doch als Signal für die anderen, viel größeren Krisenländer wäre Szenario „Default“ wünschenswert. Als Statement „Macht Ernst mit euren Sparbemühungen oder es kann euch passieren, dass wir euch fallen lassen!“ wäre es im Sinne der Nachhaltigkeit in der gesamten Eurozone zielführend.
Sie sehen, es wird ein spannendes Wochenende. Für die nächsten Tage ist beides möglich: die Märkte steigen weiter oder die Märkte brechen vorerst ein. Anleger sollten am Wochenende unbedingt die Berichterstattung verfolgen, denn es hängt ausschließlich von der politischen Entwicklung in der Causa Zypern ab!