Libyen-Bericht der Nato: "Armee und Polizei sind derzeit nicht in der Lage, die Sicherheit für das Land zu garantieren". - "Das weltweit größte ungesicherte Arsenal von Waffen".
Zwei Jahre nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi steht das Land vor dem Zerfall. Zu diesem Schluss kommt nach SPIEGEL-Informationen eine Nato-Delegation, die Ende Juni die Region bereiste. Sorgen bereiten vor allem die vielen ungesicherten Waffen.
"Alle Parteien in Libyen, national oder international, sind übereinstimmend der Ansicht, dass die derzeitige Lage des Landes fragil und unhaltbar ist", heißt es in dem vertraulichen Bericht der Delegation, der dem SPIEGEL vorliegt. "Armee und Polizei sind derzeit nicht in der Lage, die Sicherheit für das Land zu garantieren", so die Abgesandten aus dem Brüsseler Hauptquartier.
In Libyen befinde sich "das weltweit größte ungesicherte Arsenal von Waffen", darunter Minen, Munition sowie tragbare Flugabwehrsysteme. "Die Unfähigkeit der libyschen Behörden, die Kontrolle über sein Staatsgebiet herzustellen, hat es kriminellen und anderen bewaffneten Gruppen einschließlich transnationalen Dschihadisten-Netzwerken erlaubt, Libyen als Basis oder Transit für militärische Aktivitäten zu nutzen", heißt es weiter.
Der libysche Außenminister Abdul Ati al-Obeidi wird mit den Worten zitiert, wenn die internationale Gemeinschaft nicht einschreite, drohe Libyen zu einem "gescheiterten Staat" ("failed state") zu werden.
Die Regierung in Tripolis hat die Nato gebeten, den Aufbau einer bis zu 35.000 Mann umfassenden Nationalgarde zu unterstützen. Doch die Militärexperten aus Brüssel äußern Zweifel an dem Konzept. Sie bemängeln, dass die neue Truppe direkt dem libyschen Premierminister unterstehen soll.
Zudem müssten auf jeden Fall die regierungskritischen Revolutionsgarden mit einbezogen werden, "sie zu ignorieren, ist vollkommen unrealistisch". Überhaupt mangele es den Regierungsstellen grundsätzlich an der "Fähigkeit, Rat aufzunehmen und umzusetzen".