EU-Sozialkommissar wirft CDU und CSU Populismus vor. Andor: "Skrupellose Politiker" schlagen aus Ängsten der Bevölkerung Kapital. Hartz-IV-Gesetz "nicht im Einklang mit dem Europarecht".
Im Streit um Sozialleistungen für arbeitslose EU-Ausländer hat EU-Sozialkommissar László Andor der Führung von CDU und CSU Stimmungsmache vorgeworfen. Auf die scharfe Kritik von CSU-Chef Horst Seehofer und CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder an der EU-Kommission sagte Andor in einem Interview mit SPIEGEL ONLINE, es gebe „skrupellose Politiker“, die aus Ängsten in der Bevölkerung Kapital schlügen.
Kauder hatte vor „einem erheblichen Zustrom von Menschen“ gewarnt, wenn sich die Ansicht der Kommission durchsetze, dass EU-Ausländern Hartz-IV nicht pauschal verweigert werden dürfe. „Wenn ein Land wie Deutschland bereits ein großer Gewinner der Freizügigkeit ist, finde ich es moralisch verwerflich, wenn versucht wird, die Sozialausgaben auf Kosten von EU-Bürgern aus anderen Ländern so stark wie möglich abzusenken“, kritisierte der EU-Kommissar, der an diesem Donnerstag zu Gesprächen mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und dem Sozialausschuss des Bundestags zusammentrifft.
Das Hartz-IV-Gesetz bezeichnete Andor als „nicht im Einklang mit dem Europarecht“. Jeder Fall müsse „individuell geprüft“ werden. Andor schloss ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland nicht aus. „Wenn in der Praxis fortwährend EU-Recht gebrochen wird oder ein nationales Gesetz nicht im Einklang mit EU-Recht steht, kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten“, sagte Andor. Er setze aber darauf, dass der Europäische Gerichtshof mit einem Urteil Klarheit schafft. „Wenn das Problem durch den EuGH gelöst werden kann, muss die Kommission nicht handeln“, sagte Andor.