Ex-Bundespräsident Christian Wulff attackiert Medien, Politik und Justiz. „Was ich beklage, ist die Verrohung des Diskurses, diese ganze Häme, mit Diffamierung und Denunziationen.“
Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat Medien, Politik und Justiz heftig kritisiert. Journalisten hätten ein Zerrbild seines Charakters gezeichnet und Niederträchtigkeiten publiziert, sagte Wulff in einem äußerst kontrovers geführten Gespräch mit dem SPIEGEL. Hier sei „eine Art Meinungskartell“ am Werk gewesen, klagte der vor zweieinhalb Jahren zurückgetretene Bundespräsident.
Die Gründe, mit denen ihn Medien zum Rücktritt gezwungen hätten, seien andere gewesen als die vorgeschobenen: „Ich war einigen mächtigen Medienschaffenden zu un- bequem geworden.“ Den einen sei seine Äußerung, dass der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre, ein besonderes Ärgernis gewesen, andere hätten ihm seine Kritik an den Banken und an der katholischen Kirche verübelt.
Deutschland habe Medien, um die es zu Recht in der ganzen Welt beneidet werde. Aber sie müssten sich immer wieder kritisch fragen, ob sie mit ihrer großen Macht auch verantwortungsvoll und korrekt umgingen. Wulff wörtlich: „Was ich beklage, ist die Verrohung des Diskurses, diese ganze Häme, mit Diffamierung und Denunziationen.“ Die Regularien des Presserats sollten daher überdacht werden. Auswüchse ließen sich so im Interesse des Ganzen strenger ahnden.
Massiv ging das Exstaatsoberhaupt auch den SPIEGEL an: „Ich halte einige Titelseiten des SPIEGEL für absolute Entgleisungen, zum Beispiel die mit der Zeile ,In Amt und Würden‘ – wo dann ,Würde‘ durchgestrichen war. Ich finde, dafür sollten sich die Ver- antwortlichen schämen.“
Wulff beklagte zudem mangelnde Unterstützung seitens der Politik. Anders als früher sei diese nötig, weil auch ein Bundespräsident heute im politischen Meinungskampf stehe. Politiker sollten sich zudem nicht mehr hinter der Formel von der Unabhängigkeit der Justiz verstecken dürfen: „Wenn der Ermittlungseifer von Staatsanwälten jedes Maß der Verhältnismäßigkeit sprengt, muss die Politik sich zu Wort melden.“
Selbstkritisch räumte Wulff auch eigene Fehler ein: So habe er es im privaten Bereich bisweilen an Fingerspitzengefühl fehlen lassen, etwa bei seinem Ferienaufenthalt im Haus des befreundeten Unternehmers Carsten Maschmeyer. Ein Bundespräsident sollte Distanz wahren: „Und diese Distanz war bei diesem Urlaub, obwohl ich ihn selbst bezahlt habe, nicht gewahrt. Aber wenn Sie solche Maßstäbe an Politiker so unbarmherzig und rigoros anlegen, dann können Sie sich Politiker künftig im Kloster ausleihen“, so Wulff im SPIEGEL-Gespräch.