Auf der Münchener Sicherheitskonferenz berichtete Bundeskanzlerin Merkel heute vom gestrigen, mehrstündigen Treffen mit Wladimir Putin. - „Es sei denn ...“ lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass die Bundeskanzlerin an eine atomare Auseinandersetzung dachte.
Von Axel Retz
Vielleicht muss man es noch einmal in Erinnerung rufen: Die letzte nach der ukrainischen Verfassung demokratisch und frei gewählte Regierung in Kiew wurde unter massiver Unterstützung des Westens weggeputscht. Diejenigen, die ihr noch die Treue halten, werden vom Westen als „prorussische Separatisten“ bezeichnet. In der nach dem Putsch ins Amt gekommenen Regierung sieht der Westen das Selbstbestimmungsrecht der Völker manifestiert, im Votum der Bürger der Krim hingegen nicht.
Russland wird der Aggression und der Absicht bezichtigt, die europäische Landkarte umgestalten zu wollen. Moskau bzw. die „prorussischen Seperatisten“ werden ebenfalls bezichtigt, Flug MH17 abgeschossen zu haben, während die Ukraine den gesamten Funkverkehr mit der Maschine unter Verschluss hält und niemand außer Russland auch nur noch danach fragt, was mit dem Flieger tatsächlich geschehen ist.
Dass der Westen und zwar ein ganz bestimmtes Land die Fäden des Regierungswechsels in Kiew gezogen hat, das wissen wir seit vergangenem Sonntag sehr genau. In einem Interview mit CNN sagte US-Präsident Obama wörtlich:
„Herr Putin traf seine Entscheidung in Bezug auf die Krim und die Ukraine nicht aufgrund einer großartigen Strategie, sondern einfach, weil er von den Protesten auf dem Maidan und der anschließenden Flucht Janukowytschs auf dem falschen Fuß erwischt wurde, nachdem wir einen Deal zum Regierungswechsel in der Ukraine ausgehandelt hatten."
Dass unsere „Qualitätsmedien“ dieses Interview mit keiner Silbe erwähnten, spricht für sich. Hierzulande besteht eine freie, unabhängige Presse. Ein Recht, ohne dass ich gar nicht schreiben könnte, was ich schreibe. Warum nur noch so wenige von diesem Recht Gebrauch machen, lasse ich einmal offen.
Das Ergebnis der heutigen, durch Zensur oder Selbstzensur verstümmelten Berichterstattung aber ist, den Konsumenten dieser Art von Journalismus ein politisch gewolltes Feindbild einzubläuen und ihnen eine Konstruktion der Wirklichkeit vorzugaukeln, die ich nur noch als demagogisch und kriegstreiberisch bezeichnen kann.
Dass die Verantwortlichen in den Chefredaktionen dabei auch vor buchstäblich unfassbarem Schwachsinn nicht zurückschrecken, dafür lieferten T-Online / SPIEGEL ONLINE gestern wieder ein Paradebeispiel ab:
„Provokation oder Schlamperei?“
Wie von den Medien ja immer wieder breitgetreten, flogen russische Militärmaschinen wiederholt im europanahen Luftraum. Und die russische Marine hielt im Ärmelkanal ein Manöver ab. NATO-Generalsekretär Stoltenberg verstieg sich daher zu der Aussage, dass diese Provokationen die Kriegsgefahr erhöhten.
Nur:
Der internationale Luftraum ist der internationale Luftraum. Und internationale Gewässer sind internationale Gewässer. Darin darf sich - auch mit militärischen Fahrzeugen - bewegen, wer immer das will. Die Amerikaner tun es, die Franzosen, die Briten, die Chinesen, die Japaner und auch die Deutschen. Russland darf das natürlich auch. Tut Russland das aber, dann „provoziert“ es, während die NATO, die über den nationalen Lufträumen und den nationalen Gewässern russischen Nachbarländer unterwegs ist, gar nicht provoziert.
Zweimal in diesem Jahr, so berichtete T-Online gestern aus einem Artikel von SPIEGEL ONLINE, hat Russland der Bundeswehr in diesem Jahr die Flugerlaubnis über ihr Gebiet nach Afghanistan verweigert. Und diese Verweigerung überschrieben die T-Online-Herrschaften gestern mit der Headline: „Provokation oder Schlamperei/ Russland blockierte Bundeswehrflüge nach Afghanistan“.
Also: Bewegt sich Russlands Luftwaffe oder Marine völlig legal in internationalem Luftraum oder internationalen Gewässern, dann provoziert es. Will Russland aber nicht, dass sich ausländisches Militär in seinem Hoheitsgebiet bewegt, dann provoziert es auch.
Der zuletzt ja heftig diskutierte Begriff der „Lügenpresse“ greift für eine derartige Spielart des Journalismus zweifellos viel zu kurz. Das ist kein Journalismus mehr. Das ist in Worte gegossene Kriegsgeilheit entweder enthirnter oder unter welchen Druck auch immer gesetzter Redakteure.
Es sei denn ...
Auf der sgn. Münchener Sicherheitskonferenz berichtete Bundeskanzlerin Merkel heute vom gestrigen, mehrstündigen Treffen mit Wladimir Putin, mit dem sie zusammen mit dem Kofürsten von Andorra, Francois Hollande, hierzulande besser bekannt in seiner Funktion als franz. Staatspräsident, über eine mögliche Lösung des Ukraine-Konflikts sprach. Hierzu ein Ausschnitt aus Ihrer Rede:
„Das Problem ist, dass ich mir keine Situation vorstellen kann, in der eine verbesserte Ausrüstung der ukrainischen Armee dazu führt, dass Präsident Putin so beeindruckt ist, dass er glaubt, militärisch zu verlieren. Ich muss das so hart sagen. Es sei denn... Über es sei denn möchte ich nicht sprechen.“
Wie, liebe Frau Merkel, dürfen oder müssen wir denn das verstehen? Dass US-Vize Jo Biden und die Republikaner geradezu versessen darauf sind, endlich Waffen in die Ukraine zu liefern, wissen wir ja. Wir sollten aber auch wissen, dass Russland aufgrund geographischer Vorteile das alles noch viel schneller und effektiver beantworten könnte.
„Es sei denn ...“ lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass die Bundeskanzlerin an eine atomare Auseinandersetzung dachte. Aber als gelernte Physikerin sollte ihr evtl. erinnerlich sein, dass Herr Putin in diesem Falle ganz zweifellos der Verlierer wäre, die gesamte Menschheit als kleiner „Kollateralschaden“ allerdings auch.
Mich beschleicht der Gedanke, dass es schon ein wenig später als fünf vor zwölf sein könnte. Und dass man nach einem Friedensnobelpreisträger vielleicht einmal klar machen müsste, wo wir gerade stehen. Oder dass es an der Zeit wäre, der Welt einmal klar zu machen, wessen Sprachrohr er ist. Auf dass man diese Leute des „militärisch-industriellen Komplexes“, vor denen schon die US-Präsidenten Eisenhower und John F. Kennedy warnten (ich berichtete) für immer hinter Gitter bringt.
Frau Merkel, dazu könnten Sie vielleicht auch noch ein paar Takte sagen. Sie, das weiß ich, werden Ihre derzeitige Amtsperiode nicht bis zu ihrem Ablauf ausfüllen. UNO-Generalsekratär Ban Ki-moon ebenfalls nicht. Da wird ein Job frei. Und ich gehe mal davon aus, dass es der Ihrige sein wird. Vielleicht weiß ich da schon etwas mehr als Sie selbst.