Aktienmärkte sind bekanntlich ein Frühindikator für die Entwicklung der Wirtschaft. Nachdem die Börse in den USA in den ersten drei Monaten abgestürzt ist, mehren sich jetzt Sorgen um die Wirtschaft.
Von Meinrad Müller
Die Washington Post veröffentlichte am 14. März einen Artikel, der einem lauten Weckruf gleichkommt. Darin ist nicht von kleineren Dellen im Wirtschaftsverlauf die Rede, sondern von den wachsenden Anzeichen einer ernsten Rezession in den Vereinigten Staaten. Zwei der einflussreichsten US-Banken, Goldman Sachs und J.P. Morgan, halten die Wahrscheinlichkeit einer wirtschaftlichen Krise innerhalb der kommenden zwölf Monate für erheblich. Goldman Sachs nennt eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, J.P. Morgan geht sogar von 40 Prozent aus.
In den USA mehren sich Unternehmensschließungen, Entlassungen, Kursverluste an den Börsen und drastische Verluste in der privaten Altersvorsorge. Die Erschütterung, die von dort ausgeht, ist bereits spürbar. Und wie es ein altes Sprichwort in Deutschland treffend beschreibt: Wenn die USA husten, bekommt Europa die Grippe. Die Symptome einer amerikanischen Schwäche treffen die deutsche Wirtschaft selten direkt, aber umso heftiger in der zweiten Welle.
Insolvenzgerichte machen keine Pause
Die erste Lehre, die sich aus der amerikanischen Entwicklung ziehen lässt, betrifft den Umgang mit Schulden. In den Vereinigten Staaten belasten Kreditkartenschulden zunehmend die Haushalte. Zinssätze jenseits der 20-Prozent-Marke sind dort keine Seltenheit. Auch in Deutschland sind die Zinsen für Kontoüberziehungen und Verbraucherkredite hoch – häufig zwischen zehn und fünfzehn Prozent.
Die Empfehlung, Verbindlichkeiten abzubauen, ist grundsätzlich richtig. Doch sie verkennt eine Realität, die vielen Menschen vertraut ist: Wer am Monatsende kaum noch Spielraum hat, kann nicht einfach tilgen. Steigende Mieten, hohe Energiepreise und teurere Lebensmittel lassen wenig bis nichts übrig. Die fälligen Raten laufen dennoch weiter. Das betrifft Immobilienkredite ebenso wie Fahrzeugfinanzierungen oder Geschäftsdarlehen. Die Gläubiger warten nicht auf bessere Zeiten und die Insolvenzgerichte machen bei einer Rezession nicht etwa eine Pause, sie machen Überstunden.
Auch beim Thema Rücklagen zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Washington Post spricht von schmelzenden Rentenkonten und fehlenden Notfallreserven. Als Maßstab gelten drei bis sechs Monatsgehälter. Diese Empfehlung ist sinnvoll, doch auch für viele Menschen in Deutschland schlicht nicht erreichbar. Wer ohnehin jeden Euro zweimal umdrehen muss, kann kaum Rücklagen bilden. Trotzdem ist es wichtig, den Blick für das Machbare zu schärfen. Schon kleinere Beträge, die regelmäßig beiseitegelegt werden, können im Notfall entscheidend sein. Das Ziel darf nicht überfordern, aber der Grundsatz bleibt richtig: Ohne Rücklage gibt es keine Beweglichkeit in der Krise.
Auch beim privaten Konsum lohnt ein nüchterner Blick. In den USA lebt ein großer Teil der Wirtschaft vom privaten Einkauf und viel davon wird auf Pump finanziert. Ein Leser berichtet der Washington Post, seine Frau gebe hunderte Dollar pro Monat für Kosmetik aus, das könne so nicht weitergehen. Natürlich ist das ein Extrembeispiel, doch es verweist auf ein tieferes Problem: In unsicheren Zeiten zählt nicht, was wünschenswert ist, sondern was notwendig bleibt. Auch in Deutschland haben sich viele Haushalte an Komfortausgaben gewöhnt, seien es Abo-Modelle oder Ratenkäufe. Wer diese laufenden Posten prüft und kürzt, erhöht seine Widerstandskraft.
Aktien: Nicht aus Angst verkaufen
Ein weiterer Punkt betrifft das Verhalten auf den Kapitalmärkten. Der Artikel warnt ausdrücklich vor Panikverkäufen. Wer langfristig investiert ist, etwa in breit gestreute Aktienfonds, sollte Kursverluste aushalten können. Märkte erholen sich in vielen Fällen, das zeigt die Geschichte. Dennoch gilt auch hier: Wer kurz vor dem Rentenalter steht oder auf Rücklagen angewiesen ist, sollte seine Vermögensstruktur überdenken. Tagesgeld, festverzinsliche Anlagen oder andere konservative Optionen gewinnen an Bedeutung. Die Anpassung sollte ohne Hektik erfolgen, aber mit klarem Ziel: Sicherheit vor Spekulation.