Hunderttausende giftige Dioxin-Eier offenbar noch im Verkauf. Gesundheitsschädlichkeit offiziell runtergespielt. Behörden durchsuchen Betrieb in Schleswig-Holstein. Der Dioxin-Skandal weitet sich aus: 150.000 Tonnen dioxin-verseuchtes Futtermittel hergestellt.
Im Skandal um Dioxin in Tierfutter und Eiern werden zurzeit die Räumlichkeiten eines Futterhersteller in Uetersen in Schleswig-Holstein durchsucht. Polizei und Staatsanwaltschaft gingen am Mittwochmittag auf das Betriebsgelände des Spezialbetriebes Harles & Jentzsch, um Beweismittel sicherzustellen. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat unterdessen ein Ermittlungsverfahren gegen die Leitung des Unternehmens eingeleitet.
Der Betrieb soll technische Fettsäuren, die für die Papierherstellung bestimmt waren, für Futtermittel verwendet haben. Laut einem Bericht des Landwirtschaftsministeriums sind bis zu 3.000 Tonnen mit Dioxin verunreinigtes Tierfutterfett hergestellt worden. Das entspricht bis zu 150.000 Tonnen Futtermittel. In dem Bericht des Ministeriums heißt es weiter, zwischen dem 12. November und dem 23. Dezember seien vermutlich sieben Lieferungen an 25 Futtermittelhersteller in mindestens vier Bundesländer gegangen. Lieferungen an andere Staaten seien jedoch nicht erfolgt. In Deutschland wurden inzwischen mehr als 1000 Höfe gesperrt. Das Verbraucherschutzministerium in NRW befürchtet, dass seit dem 23.12.2010 belastete Eier in den Umlauf gebracht wurden - "vermutlich in 6-stelliger Zahl".
Welche Eier sind giftig? Dioxin-Eier: Stempelnummer
Es handelt sich um XL-Eier mit der Stempelnummer 2-DE-0513912 (MHD bis spätestens 20.01.2011) und um Eier mit der Stempelnummer 3-DE-0514411 (MHD bis spätestens 20.01.2011). Bei Eiern mit dieser Kennung sind allerdings nur solche mit brauner Färbung betroffen. Weiße Eier mit dieser Stempelnummer sind nicht mit Dioxin belastet.
Wieviele Eier insgesammt betroffen sind, steht bis heute nicht fest. Klar ist aber, dass ein Großteil der verseutchen Eier offenbar schon verzehrt worden ist. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat bestätigt, dass allein Anfang Dezember 136.000 verdächtige Eier in die Niederlande geliefert wurden.
Die Bundesregierung hat unterdessen im Dioxin-Skandal vor "Schnellschüssen" gewarnt. "Wir kennen nicht die Ursache für die Dioxinkontamination", sagte der Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Es gelte jetzt, die Ströme der betroffenen Futtermittel nachzuvollziehen. Möglicherweise belastete Lebensmittel seien bereits aus dem Handel geholt worden oder würden noch entfernt.
Der Verzehr der Dioxin-verseuchten Eier und des Geflügels sieht die Regierung dagegen als unproblematisch: Der Genuss von Eiern stelle keine akute Gesundheitsgefahr dar, betonte der Sprecher. Es wäre "völlig überzogen", jetzt auf den sämtlichen Genuss von Eiern und Fleisch zu verzichten.
Aus Versehen?
Der Futterhersteller Harles & Jentzsch hat nach eigenen Angaben jahrelang aus ganz Europa und Übersee Reste aus der Biodieselherstellung sowie der Nahrungsmittelindustrie aufgekauft und verarbeitet. "Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist" sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert dem "Westfalen-Blatt".
Völlig unklar ist bisher auch, ob das verseuchte Tierfutter nicht nur bei Geflügel einegesetzt wurde, sondern auch bei anderen Tieren. In Thüringen wurde bekannt, dass eine Schweinezuchtanlage 52 Tonnen belastetes Futter von einem Werk aus Sachsen-Anhalt bekommen und komplett verfüttert hat. Die damit versorgten Ferkel seien bereits verkauft, teilte das Agrarministerium in Erfurt mit. Wohin, müsse nun geklärt werden. Zwei sächsische Agrarbetriebe haben möglicherweise ebenfalls mit Dioxin verseuchtes Futter erhalten.