Rede von Frank Schäffler zum Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (Stab- MechG).
Frank Schäffler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Griechenland hat nicht gespart. Griechenland gibt in absoluten Zahlen mehr Geld aus. Griechenlands Wirtschaft schrumpft. Griechenland verschleppt Reformen. Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig. Griechenland verliert Kapital. Mit anderen Worten: Griechenland ist insolvent.
Alle Zahlen, die uns 2010 und 2011 vorgelegt wurden, stimmten nicht. Jetzt werden uns neue Zahlen vorgelegt. Die ihnen zugrunde liegende Schuldentragfähigkeitsanalyse haben wir erst als Tischvorlage erhalten. Nun rechnet die Troika im Basisszenario mit einem Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um 4,3 Prozent. Realistisch sind 7 bis 8 Prozent. Nach nur drei Jahren wird das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands Ende des Jahres um 17 bis 18 Prozent geschrumpft sein.
Griechenland wächst von einer niedrigeren Basis aus, wodurch sich der prozentuale Schuldenstand von 2012 bis 2020 weiter erhöhen wird. Damit ist der für das Jahr 2020 angenommene Schuldenstand von 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heute schon unrealistisch. Die Annahme, dass Griechenland nächstes Jahr einen Überschuss im Primärhaushalt von 3,6 Milliarden Euro und 2014 von 9,5 Milliarden Euro erzielen kann, ist reine Illusion.
Nach den öffentlich einsehbaren Zahlen Griechenlands gab Griechenland im Jahre 2011 68,9 Milliarden Euro aus. 2010 hat Griechenland 66,9 Milliarden Euro ausgegeben. Innerhalb eines Jahres sind die absoluten Ausgaben des griechischen Staates trotz aller angeblicher Sparprogramme um rund 1,9 Milliarden Euro oder 2,9 Prozent gestiegen.
Es ist nichts besser geworden. Es ist alles schlimmer geworden. Jetzt meinen wir, Griechenland mit einer Austerity-Politik aus dieser Falle herauszuführen. Das kann nicht funktionieren.
(Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Da hat er recht!)
Deshalb ist es entscheidend, dass Griechenland da Wachstumsimpulse setzt, wo es notwendig ist. Aber Griechenland macht das nicht. Griechenland gibt zum Beispiel für den Militäretat mehr Geld aus als in der Vergangenheit. 2010 hat Griechenland 4,5 Milliarden Euro im Militärhaushalt ausgegeben, 2011 sollen es 4,73 Milliarden sein und 2013 4,63 Milliarden. Griechenland gibt im Militärhaushalt also mehr Geld aus als im Jahr 2010.
Daran sehen Sie, dass die Weichen falsch gestellt werden. Griechenland hat im Euro keine Chance, wettbewerbsfähig zu werden. Griechenland muss vielmehr zweierlei hinbekommen: Zum einen muss es aus der Währungsunion austreten. Verbunden werden muss das zum anderen mit einem wirklichen Schuldenschnitt, der seinen Namen auch verdient. Der beschlossene Schuldenschnitt wird vom europäischen Steuerzahler finanziert: Von den 107 Milliarden Euro stammen 50 Milliarden Euro aus dem Programm zur Rekapitalisierung der Banken, und weitere 30 Milliarden Euro dienen dazu, das Umtauschangebot attraktiv zu machen. 80 Milliarden der 107 Milliarden Euro kommen vom europäischen Steuerzahler. Das ist keine Beteiligung privater Gläubiger, wie ich sie mir vorstelle.
(Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Risiko und Haftung gehören zusammen. Das darf nicht außer Kraft gesetzt werden. Wer Risiken eingeht, der muss im Zweifel haften, der muss die Verantwortung für sein Handeln tragen. Wir dürfen nicht die Schulden sozialisieren und die Gewinne privatisieren. Das ist die falsche Botschaft.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit werden wir den Rattenfängern auf der linken Seite Zuspruch verschaffen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na, Herr Schäffler! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist eine nationalbolschewistische Rede!)
Das ist das Gegenteil von sozialer Marktwirtschaft, was wir an den Tag legen. Deshalb lehne ich dieses Paket ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)