Im „demokratischen Sozialismus“ herrschte eine kleine Machtelite, das Zentralkomitee. Und im „demokratischen Kapitalismus“ herrscht ebenfalls eine kleine Machtelite, die Betreiber der Zentralbank. Das Kapital herrscht mit Hilfe seiner angeschlossenen Organe, den Banken und Staaten, über die im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Staaten ansässigen Völker.
von Rico Albrecht
Aktuell erleben wir überall in Europa Demonstrationen für „mehr Demokratie". Allein diese Forderung wirft allerdings bereits zwei Fragen auf:
- Erstens: Wie ist Demokratie eigentlich genau definiert? Bevor wir immer mehr davon fordern, sollten wir zuerst einmal genauestens festlegen, was dieser Begriff eigentlich exakt bedeutet. Wenn das Ergebnis einer sogenannten Demokratie immer weniger Freiheit, dafür aber immer mehr Steuern, Abgaben, Zinsen, Rettungsschirme und diktatorische Institutionen wie z.B. ein ESM sind, dann sollten wir uns gründlich überlegen, ob wir wirklich immer mehr davon haben wollen!
- Zweitens: Wenn das Volk mehr Demokratie fordert, dann stellt sich ganz besonders die Frage: An wen richtet das Volk eigentlich diese Forderung? Laut Grundgesetz Artikel 20 Absatz 2 geht doch bereits alle Staatsgewalt vom Volke aus. Wenn das Volk mehr Demokratie fordert, dann müsste es diese Forderung eigentlich nur an sich selbst richten, anstatt auf der Straße „die da oben" um irgendetwas zu bitten.
Aus diesen beiden Fragen ergibt sich die direkte Schlussfolgerung, dass das Volk die Demokratie, die es sich wünscht, zuerst einmal selbst exakt definieren und dann vor allem selbst errichten muss, und zwar ohne die „Mächtigen“ zu fragen, denen allein das Volk die Macht verleihen, aber auch entziehen kann, allerdings leider nicht durch Wahlen.
Als „Demokratie“ haben sich bereits viele Regimes selbst bezeichnet. So war es zum Beispiel auch in der sogenannten „Deutschen Demokratische Republik“. Heute wissen wir in allen Teilen Deutschlands, dass das Volk in der damaligen DDR nicht das Sagen hatte. Der „demokratische Sozialismus“ dort war etwas völlig anderes als das, was man sich allgemein unter einer Demokratie vorstellt.
Aber sieht es mit dem Volkswillen im „demokratischen Kapitalismus“ wirklich viel besser aus? Unter Demokratie verstehen die meisten Menschen heute eine Herrschaft des Volkes. Dies hat zwar nichts mit einer echten Demokratie nach altgriechischem Vorbild (in der es weder Wahlen noch Steuern gab) zu tun, doch wollen wir trotzdem einmal die landläufige Definition von Demokratie mit dem vergleichen, was wir heute haben:
Es soll also einerseits Demokratie in Form einer Herrschaft des Volkes geben. Andererseits haben wir aber Kapitalismus, also eine Herrschaft des Kapitals. Wer hat nun eigentlich das Sagen? Das Volk oder das Kapital? Kann es einen demokratischen Kapitalismus oder eine kapitalistische Demokratie überhaupt geben? Oder stehen Demokratie und Kapitalismus nicht viel eher in einem klaren Widerspruch?
Im Kapitalismus ordnen sich alle Staaten einer international aktiven Finanzmacht unter. Diese leiht den Staaten Geld und legt die Konditionen dafür fest. Kapitalistische Staaten haben kein eigenes Geld, das sie in Form einer Währung in Umlauf bringen können, ansonsten wären sie nicht allesamt verschuldet. Sie leihen es sich von Institutionen, die über verschiedene Zwischenstufen außerhalb jeglicher staatlichen Kontrolle stehen. Die Folge ist, dass kaum jemand weiß, bei wem eigentlich all die Staaten verschuldet sind, und wer die Zinsen hierfür kassiert. Die Finanzminister, die gegen die jeweiligen Völker eingesetzt werden, wissen es zwar, aber sie verweigern hierzu jegliche Auskunft.
Für die „Dienstleistung“ der Geldherstellung kassieren diejenigen, denen man dieses Privileg verliehen hat, permanent Zinsen, welche von den werktätigen Menschen unter anderem in Form von Steuern entrichtet werden müssen. Und wenn es hierbei einmal klemmt, wird ein ESM gegründet, der sich von den Steuerzahlern ohne Widerrede holen kann, was er will, der mit dem erbeuteten Geld tun kann, was ihm beliebt, und der dafür bei keinerlei demokratisch legitimierten Kraft Rechenschaft ablegen muss.
Im „demokratischen Sozialismus“ herrschte eine kleine Machtelite, das Zentralkomitee. Und im „demokratischen Kapitalismus“ herrscht ebenfalls eine kleine Machtelite, die Betreiber der Zentralbank. Das Kapital herrscht mit Hilfe seiner angeschlossenen Organe, den Banken und Staaten, über die im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Staaten ansässigen Völker.
Der Banken- und Staatsapparat ist so aufgebaut, dass die Zentralbanken, die ihre Gewinne theoretisch in den Staatshaushalt abführen würden, kaum Gewinne machen. Sie verleihen das von ihnen hergestellte Kreditgeld zu minimalen Zinsen an private Geschäftsbanken, die es dann zu wesentlich höheren Zinsen an Staaten weiterverleihen. Die betreffenden Beträge können dabei noch zusätzlich gehebelt werden auf Basis des Mindestreservesatzes, der in der Euro-Zone seit Januar 2012 bei nur noch 1% liegt.
So generieren die Geschäftsbanken als „Zwischenhändler" und „Multiplier" sichere Gewinne auf Kosten der Steuerzahler. Diese Leistungsträger der Gesellschaft sorgen dann durch ihren Zinsdienst nicht nur dafür, dass die Gewinne der Banken erwirtschaftet werden, sondern tragen hierbei sogar noch selbst das Risiko! Falls es einmal irgendwo klemmt, kann man die Steuerzahler mit Hilfe der Staatsgewalt (bei der sie auch noch selbst die Arbeit verrichten) dazu zwingen, jedes beliebige Rettungspaket zu finanzieren. Als zusätzliches Faustpfand dienen dabei ihre Sparvermögen, die sie sich selbst durch ihre eigenen Steuerzahlungen garantieren müssen. All das ermöglicht den Initiatoren dieses Systems ein gigantisches bedingungsloses Grundeinkommen, weshalb es leider keines für alle Anderen gibt.
Nun wäre es in einer tatsächlichen Volksherrschaft ein Leichtes, ein eigenes Geldsystem des Volkes zu errichten, anstatt immer mehr Rettungsmilliarden aufzubringen, die mathematisch hochrechenbar niemals genügen und jedes Mal größer werden müssen. Eine öffentliche Zentralbank mit Geldschöpfungsmonopol könnte die Staaten direkt finanzieren, was in einem System des fließenden Geldes sogar ohne Inflation möglich ist.
So würde es wohl am ehesten dem Willen des Volkes entsprechen. Aber wird jemals eine Mehrheit diese komplexen Zusammenhänge verstehen, angesichts der medialen Berieselung, durch die sich das Volk (gesteuert vom Kapital) permanent selbst in die Irre führt?
Da sich im Kapitalismus das Kapital systembedingt immer stärker bei den Wenigen konzentriert, die auf Basis von Zins und Zinseszins immer mehr dazubekommen, konzentriert sich dort auch immer mehr Macht, die über Geld, Medien und Politikdarsteller ausgeübt wird.
Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Inhaber der großen Kapitalsammelbecken rational verhalten, ansonsten hätten sie ihre Stellung nicht erreicht. Dies bedeutet, dass sie die Möglichkeiten nutzen, die ihnen innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen von uns geboten werden. Rational ist es hierbei zunächst einmal, den Zustand (latein „Status“, wovon sich „Staat“ ableitet) zu erhalten, indem man entsprechend in Medienkonzerne und Politiker investiert, die dieses System weiterhin aufrechterhalten.
Um diese Rahmenbedingungen grundsätzlich zu ändern, nützt es nichts, irgendwelche Forderungen an irgendwelche Politiker zu richten oder neue Parteien zu gründen. Partei (latein: pars, englisch: part) kommt von Teil. Parteien sind die Verkörperung des uralten Herrschaftsprinzips: „Teile und Herrsche!“ Durch politische Parteien kann man das Volk teilen, sodass man es besser beherrschen kann. Da nützt es nichts, noch weitere Parteien zu gründen, um das geteilte Volk noch weiter zu zerteilen…
Das bestehende System ist leider von innen heraus nicht reformierbar, denn wer als Politikdarsteller mit einer Partei an die „Macht“ kommen will, also die dritthöchste Position in der Hierarchie unter dem Kapital und seinen Medienkonzernen anstrebt, der muss sich stets beim Kapital und bei den Medien die nötigen Mittel in Form von positiver Meinungsmache erbetteln.
Neue Rahmenbedingungen sind allerdings dennoch durchsetzbar, allerdings muss man hierfür die ausgetretenen Denkpfade verlassen und kreativ werden. Im Plan B der Wissensmanufaktur gehen Andreas Popp und ich näher darauf ein, wie eine tatsächliche Neuordnung aussehen könnte und wie wir dahin kommen. Die hierfür notwendigen Auslöser und Methoden habe ich in meinem Aufsatz Steuerboykott näher beschrieben.
Appelle an Politikdarsteller können aufgrund der systembedingten Machtverhältnisse leider nichts bewirken, denn ihre Karriere hängt von den Geldgebern und Meinungsmachern ab.
Auch auf das sogenannte Bundesverfassungsgericht sollte man nicht hoffen. Glasklar sind ESM und Fiskalpakt grundgesetzwidrig, wie Gregor Gysi vor kurzem in einer nur 20-minütigen Rede zweifelsfrei feststellte und leicht nachvollziehbar erklärte. Warum Verfassungsrichter dennoch so lange für die Bearbeitung entsprechender Klagen brauchen, liegt daran, dass die politischen Entscheidungen, die sie zu treffen haben, bereits feststehen. Allerdings ist es in diesem Fall besonders schwierig, sich eine Begründung aus den Fingern zu saugen, die irgendwie plausibel und gesetzeskonform aussieht.
Auch Demonstrationen, mit denen man sich an die Machthaber wendet, um irgendetwas zu fordern, helfen unter diesen Umständen selbstverständlich nicht. Anders ist dies, wenn man sich bei Demonstrationen an die Menschen selbst wendet, um diese dazu zu bewegen, dem bestehenden System ihre persönliche Energie zu entziehen. Solche Demonstrationen helfen dabei, noch mehr Menschen für die Errichtung neuer Rahmenbedingungen zu mobilisieren, was für mich ein Grund war, mich bei einer dieser Veranstaltungen zu Wort zu melden, was dann ausführlicher wurde, als gedacht...
Video siehe: www.wissensmanufaktur.net