Banken in Euro-Krisenländern zunehmend von Notkrediten der Zentralbanken abhängig. Volumen der riskanten Hilfsdarlehen steigt auf rund 145 Milliarden Euro. Rund die Hälfte davon entfällt allein auf griechische Banken.
Die Banken der Krisenländer in Europa greifen immer stärker auf Notkredite ihrer Zentralbanken zurück und erhöhen damit auch das Risiko für den deutschen Steuerzahler. Nach Recherchen der Zeitung „Welt am Sonntag“ hatten Griechenland, Irland, Spanien und Zypern ihren Banken im März Hilfsdarlehen in Höhe von mehr als 120 Milliarden Euro gewährt. Inzwischen dürfte die Summe dieser so genannten „Emergency Liquidity Assistance“ (ELA) sogar auf 145 Milliarden Euro gestiegen sein, weil sich die Lage in Griechenland weiter zugespitzt hat. Seit Jahresbeginn 2011 hat sich das Volumen damit verdoppelt. Die Zahlen ergeben sich aus versteckten Hinweisen im Zahlenwerk der Währungshüter und aus Angaben aus Zentralbankkreisen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) macht keinerlei offiziellen Angaben zum Umfang von ELA-Krediten. Sie gelten unter Experten als höchst riskant, weil sie schlechter besichert sind als normale Zentralbankdarlehen an die Banken. Formal trägt das Risiko allein die jeweilige nationale Zentralbank. Experten halten dies jedoch für Augenwischerei. Im Falle eines Staatsbankrotts eines Landes müsse das gesamte Risiko der ELA-Volumina durch die anderen Mitgliedsbanken des Euro-Systems getragen werden, sagte Jürgen Michels, EZB-Experte bei Citigroup in London, der Zeitung. Damit bestünden auch Risiken für die Bundesbank und damit letztlich für den deutschen Steuerzahler.
ELA-Kredite sind die letzte Zuflucht für Banken, die nicht mehr auf reguläre EZB-Mittel zurückgreifen können, weil sie zu kapitalschwach sind oder keine vertrauenswürdigen Wertpapiere mehr besitzen, die sie für Zentralbankdarlehen verpfänden könnten. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ hatte die griechische Notenbank im März ELA-Mittel in Höhe von etwa 48 Milliarden Euro verliehen. Die irische ELA war zu diesem Zeitpunkt ungefähr 43,5 Milliarden Euro schwer. Der Notfall-Dispo wurde von spanischen Banken mit etwa 25 Milliarden Euro genutzt und von zypriotischen mit rund vier Milliarden. Eine ELA der portugiesischen Notenbank in Höhe von acht Milliarden Euro konnte Ende Februar wieder aufgelöst werden.
In Griechenland ist das Volumen in den vergangenen Wochen weiter angestiegen. Die ELA der griechischen Notenbank dürfte inzwischen nach Recherchen der Zeitung rund 75 Milliarden Euro betragen. Ursache dafür ist, dass die EZB mehrere griechische Banken von Standard-Geschäften ausgeschlossen hat, weil sie nicht genügend Eigenkapital vorweisen können – diese Institute sind nun vorwiegend von ELA abhängig. Der Umfang der Notkredite könnte schnell weiter steigen, wenn Sparer ihre Einlagen von den griechischen Banken abziehen und die Notenbank einspringt, um die Kreditinstitute vor der Pleite zu bewahren. Die Zentralbank finanziert damit faktisch die Kapitalflucht aus dem Krisenland.
Nordeuropäische Notenbanker kritisieren die Ausweitung der Hilfskredite inzwischen scharf. Theoretisch hat die EZB die Möglichkeit, das Volumen zu begrenzen. Allerdings bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Zentralbankrat, um eine nationale ELA zu stoppen. In diesem Gremium haben jedoch alle Zentralbanken nur eine Stimme, und die Länder, die eine großzügige Politik der Notenbank favorisieren, sind derzeit klar in der Mehrheit. Dass etwa die Bundesbank die jüngsten Ausweitungen der Notkredite in Griechenland dem Vernehmen nach äußerst skeptisch sieht, ändert daher wenig. Ein Votum gegen ELA-Hilfen sei derzeit illusorisch, sagten mehrere Notenbanker der Zeitung.