ESM: Bundestag und Bundesrat wollen Verfassungsbruch zustimmen. Deutschland liefert seine Finanzkraft endgültig seinen europäischen Partnern aus. Die Demokratie wird damit unterhöhlt.
von Hans Heckel
Bundespräsident Joachim Gauck ist gut beraten, sich die Unterzeichnung des Gesetzes zum „Europäischen Stabilitäts-Mechanismus“ (ESM) gründlich zu überlegen. Denn der ESM-Beschluss des Bundestages ist nichts Geringeres als der folgenschwerste Verfassungsbruch in der 63-jährigen Geschichte der Bundesrepublik.
Die Hoheit über das Geld der Deutschen, über ihre Lebensleistung und Zukunftsvorsorge wird in die Hand eines Gremiums gegeben, das nicht demokratisch legitimiert ist. Ein Gremium, das überdies dominiert wird von den Vertretern jener Völker, die sich über den ESM Zugriff zu diesem Geld verschaffen wollen. Einwände gegen den Zugriff und die Verwendung des Geldes können wiederum nur an europäische Instanzen gerichtet werden, bei denen ebenfalls die mutmaßlichen Nehmerländer vorherrschen: den Gouverneursrat des ESM oder in letzter Instanz den Europäischen Gerichtshof. Dazu ist der Vertrag unkündbar. Das eben noch rechtlich souveräne Deutschland liefert sich also endgültig aus.
Die Befürworter des ESM kontern alle Einwände mit dem Hinweis, dass die Anhandgabe des Geldes der Deutschen verbunden sei mit „harten Auflagen“ und „strengen Verpflichtungen“ für die Nehmerländer. Stichwort „Fiskalpakt“, der die Euro-Staaten zu Sparsamkeit verpflichtet und zu den schmerzhaften Reformen, die notwendig sind, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen und somit die Fähigkeit, auf eigene Rechnung zu leben.
Die Wirklichkeit lehrt etwas völlig anderes. Die Euro-Rettungs-abkommen bestanden nämlich alle aus diesen zwei Teilen. Erstens: Die Geberländer, allen voran Deutschland, zahlen oder bürgen. Zweitens: Die Nehmerländer verpflichten sich dafür zu Sparsamkeit und vor allem zu ehrgeizigen Reformen.
Nachdem Teil eins der Verträge umgesetzt worden ist, verschwand Teil zwei stets weitgehend im Papierkorb. Griechenland hat zwar Ausgaben gekürzt auf Kosten breiter Schichten seines Volkes. Doch wirkliche Reformen, die ja zulasten der privilegierten Kreise gehen würden, blieben aus. Jetzt erpresst Athen die Partner frech mit dem eigenen Untergang und fordert „Aufschub“, sprich: neue Milliarden. Und es kommt damit durch. Spanien erhält derweil Rettung ohne Auflagen. Die erste „Modernisierungsmaßnahme“ des neuen französischen Präsidenten François Hollande bestand in einer teilweisen Absenkung des Rentenalters von 62 auf 60 Jahre.
Der ESM öffnet die Taschen der Deutschen also für europäische Politiker, die auf Kosten der Deutschen gute Figur vor ihren Wählern machen wollen. Der Deutsche Bundestag ebnet ihnen mit Hilfe eines brachialen Verfassungsbruchs den Weg. Es ist am Bundespräsidenten, diesem Irrsinn Einhalt zu gebieten.