Die Kanzlerin erklärte nach der desaströsen Wahl: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“ - Es ist egal, ob eine Große Koalition oder Jamaika regiert: Blockparteien sind inhaltlich gleich und austauschbar.
DK | Das Verhalten des Systems und seiner Blockparteien nach der Bundestagswahl hat uns – noch nie da gewesen – die Sprache verschlagen. Demut vor dem Volk, vielleicht Bereuen eigener Fehlentscheidungen und Rücktritte wären zu erwarten gewesen. Doch niemand zeigte Demut, niemand bereute, keiner dachte auch nur entfernt an Rücktritt. Wahlergebnisse stören die Blockparteien längst nicht mehr.
Entgeistert nahmen wir zur Kenntnis, wie die Kanzlerin erklärte: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“
Angela Merkel fügte auf einem Kongress der Jungen Union am 7. Oktober 2017 hinzu, sie halte eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen für alternativlos. Das ist ernst zu nehmen: Sollte diese Koalition zu Stande kommen, wird sie die bisherige vom grünen Ungeist geprägt Politik nahtlos fortsetzen. Es ist egal, ob eine Große Koalition oder Jamaika regiert: Blockparteien sind inhaltlich gleich und austauschbar.
Steinmeier jammert
Mit ungläubigen Staunen hörten wir Ermahnungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich allen Ernstes sorgt, dass die neu im Bundestag vertretene AfD sich unflätig benehmen könnte. Notwendig sei jetzt Respekt vor dem politischen Gegner und Andersmeinenden.
Das sagt ausgerechnet Steinmeier, der Donald Trump als „Hassprediger“ verunglimpfte. Das sagte Steinmeier ausgerechnet einen Tag, nachdem ein pöbelnder Mob am 24. September (ganz im Sinne des Systems?) AfD-Politiker daran hinderte, von der Wahlparty am Alexanderplatz in Berlin zu TV-Studios zu kommen, um sich Fragen von Journalisten zum Ausgang der Wahl zu stellen.
Steinmeiers Rede zum Tag der deutschen Einheit ist mit zwei kommentierenden Sätzen abgehakt. Mehr lohnt nicht. Erster Satz: Hier ist einer von seinem Volk so enttäuscht wie Ulbricht nach dem Volksaufstand von 1953. Zweiter Satz: Aber so wie seinerzeit am Aufbau des Sozialismus festgehalten wurde, steht auch jetzt der weitere Aufbau der Zivilgesellschaft nicht zur Debatte.
Da alle – von Merkel über CSU-Chef Horst Seehofer bis zu Martin Schulz von der SPD – nicht erkennen können, dass und was sie was falsch gemacht haben, reagieren sie entsprechend: Sie mauern sich ein. Vergleicht man den Erfolg der AfD mit einem Angriff auf eine mit Mauern gesicherte Stadt, dann ist es der bisher außerparlamentarischen Oppostion gerade einmal gelungen, eine erste, aber sehr starke Außenmauer zu durchbrechen. Im inneren Kreis ist die AfD noch lange nicht angekommen.
Das soll auch ausdrücklich verhindert werden. Die Kräfte des Systems werden jetzt auf den durchbrochenen Mauerabschnitt konzentriert. Dort soll die Schlacht in den nächsten vier Jahren geschlagen und der Feind wieder hinter die Mauern zurückgeworfen, also aus dem Bundestag gedrängt werden.
Dass der politisch-mediale Komplex genau in diesen Kategorien denkt, wird an einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 27. September deutlich: „Wer wird der AfD-Bändiger an der Spitze des Bundestages?“
Schäuble als AfD Dompteur
Nur darum geht es. Der neue Bundestagspräsident soll nicht die Sitzungen unparteiisch leiten, sondern die rechte Opposition in Schach halten. Dafür ordnete die Kanzlerin ihren besten Mann ab: Finanzminister Wolfgang Schäuble, dessen politische Laufbahn von einem roten Faden durchzogen wird: Das ist die Lüge.
Erst konnte er sich nicht an einen Umschlag mit Bargeld erinnern, später (2010) erklärte er zur Euro-Krise: „Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart.“ Die Rettungsschirme gibt es bis heute, und über die Euro-Währung werden die Deutschen regelrecht enteignet. Schäuble hat ein Verhältnis zur Wahrheit wie ein Atheist zum Beten, also gar keines. Wahrheit ist für Schäuble das, was die Leute glauben. So einfach ist das.
Auf Vorschusslorbeeren deutscher Qualitätsjournalisten konnte sich Schäuble, der am 24. Oktober problemlos in der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages zum neuen Bundestagspräsidenten gewählt werden dürfte, verlassen: „Schäuble soll AfD bändigen“, freute sich die Frankfurter Rundschau, der offenbar nicht klar war, dass die Opposition nur in Diktaturen gebändigt wird.
Ähnlich Heribert Prantl. Er rief Schäuble in der Süddeutschen Zeitung zum „AfD-Dompteur“ aus, und DIE ZEIT, das Hausblatt der grünen Stände, freute sich: „Vorhang auf für Maestro Schäuble.“
Bertelsmann-Stiftung tritt nach
Parallel dazu ging das Trommelfeuer von Systemorganisationen gegen die AfD weiter: Die für ihre systemstabilisierenden Gutachten bekannte Bertelsmann-Stiftung legte eine „Studie“ vor, wonach Wähler der AfD aus Milieus stammen, die eher „modernisieungsskeptisch“ sind. Das soll heißen: Wer für das System ist, gehört zu den Modernen und Guten, steht auf der Seite des Fortschritts. Alle anderen sind rückständige Verlierertypen. Ähnlichkeiten mit der DDR sind nicht zufällig.
Deutscher Gefälligkeits-Journalismus
Der deutsche Qualitätsjournalismus zeigte sich unfähig, eine objektive Bestandsaufnahme und Analyse des Wahlergebnisses durchzuführen. Über den Tellerrand hinaus gehende Äußerungen waren wieder nur in ausländischen Blättern zu lesen, etwa in der Schweizer „Handelszeitung“.
Dort wurde Hanspeter Kriesi, Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der europäischen Universität Florenz, interviewt. Kriesi verwies auf die gestiegene Wahlbeteiligung in Deutschland (was vom System völlig ausgeblendet wurde, denn es gingen ja die Falschen zur Wahl), weil es mit der AfD ein Angebot für Leute gegeben habe, „die sich bisher nicht an den Wahlen beteiligt haben.
Allein die Tatsache, dass eine populistische Partei angetreten ist, hat diese Bürger zurück in den demokratischen Prozess geholt. So gesehen ist der Populismus ein Korrektiv der Demokratie und eigentlich etwas gutes. Es gibt Populisten, die behaupten, sie seien die besseren Demokraten. Das ist nicht ganz falsch.“