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Paul C. Martin: Staat als Machtbastard - Warlord-Welt kommt

Für Paul C. Martin steht mit dem Ende des einmaligen Wohlstands- und Verteilungszyklus’ und der Implosion überdehnter Versorgungsansprüche die „Rückkehr zu Subsidiarsystemen“ außer Frage:  "Ich sehe an einer 'Warlord-Welt' auf Dauer keinen Weg vorbei." - “Der Staat ist ein Machtbastard."

 

In einem Interview mit dem Magazin "eigentümlich frei" (Print) aus dem Jahr 2010 prophezeit der bekannte Ökonom Paul C. Martin den westlichen Industrienationen Zerfall und Untergang. Ursache: Überschuldung. Das Interview ist zwar schon etas älter aber immer noch aktuell. MMnews bringt die wichtigsten Ausszüge.

Ausgehend von der Eigentumstheorie der Bremer Professoren Gunnar Heinsohn und Otto Steiger entwickelte Martin die Theorie des Debitismus, die den Kapitalismus als ein kreditäres Kettenbriefsystem bezeichnet. In dem Interview beschreibt der Querdenker Ursachen und Ausblick der Wirtschaftskrise und gibt Einblicke auch in seine Staatstheorie.

Ich sehe an einer „Warlord-Welt“ auf Dauer keinen Weg vorbei. Wir werden zuerst „failed states“, gescheiterte Staaten, erleben, dann die Phase der privaten Bewaffnung und zum Schluss weltweiten Stammes-Wirrwarr.

Für Paul C. Martin steht mit dem Ende des einmaligen Wohlstands- und Verteilungszyklus’ und der Implosion überdehnter Versorgungsansprüche die „Rückkehr zu Subsidiarsystemen“ außer Frage. -  “Der Staat ist wie gesagt ein Machtbastard.

 

Die wichtigsten Auszüge aus dem Interview:

ef: Sie sprachen von 400 Staatsbankrotten allein in den letzten 200 Jahren. Dieser Zeitstrahl kann natürlich problemlos mit dem stets gleichen empirischen Befund bis zum Anbeginn der Hoch- sprich Staatskultur verlängert werden, oder?


Martin: Ja. Es geht aber nicht nur um Verlängerung. Es ist vielmehr so, dass eigentlich eine neue Staatsdefinition zu propagieren wäre. Staat ist ein Machtgebilde, das in bestimmten, wenn auch nicht „ex ante“ definierbaren Zeitabständen einen Bankrott hinlegt. Stämme, also die natürlichen Kontrapunkte zu Staaten kennen den Bankrott nicht. So etwas wie Stammesbankrott ist weder jemals vorgekommen noch definierbar.


ef: Stämme dürften aber im öffentlichen Bewusstsein günstigstenfalls mit Primitivität und Rückständigkeit assoziiert werden. Schlimmstenfalls verheißen ihre Mitglieder – siehe die um Warlords gescharten somalischen wie afghanischen Clans – unkalkulierbare Willkür und Gewalt, provozieren also geradezu die Sehnsucht nach einem starken Staat.


Martin: Diese Sehnsucht ist ein typisches Bla-Bla. Ich sehe an einer „Warlord-Welt“ auf Dauer keinen Weg vorbei. Wir werden zuerst „failed states“, gescheiterte Staaten, erleben, dann die Phase der privaten Bewaffnung und zum Schluss weltweiten Stammes-Wirrwarr.


ef: Stämme oder ganz allgemein blutsverwandtschaftliche Beziehungsnetze erheben weder Steuern noch verteilen sie Subventionen. Sie selbst definieren den Staat als ein Machtgebilde, das regelmäßig bankrott geht, also eine strukturelle Lücke zwischen Steuern und Subventionen aufweist. Können Sie Art und Herkunft dieser Lücke skizzieren?


Martin: Die Lücke resultiert aus dem mit Waffengewalt durchgesetzten Machtanspruch des Staates. Der Staat hat eben das Machtwaffen-, das Zwangsabgaben- und das Geldmonopol. Die Professoren Tilly, USA, und Frau Kreisky, Wien, haben dazu intensiv veröffentlicht und sehen den Staat als „organisierte Kriminalität“ oder als „mafiöse Erscheinung“. Derlei Dinge sind den Stämmen fremd. Nachdem die Staaten nunmehr vollends abwirtschaften, sind dringend Gedanken angebracht über andere Formen des menschlichen Zusammenlebens: An einer Rückkehr zu Subsidiarsystemen führt ohnehin kein Weg vorbei. Die Schulen sollten nicht auf Staats-, sondern auf freiheitliche Nicht-Staats-Systeme vorbereiten. Kurzum, es ist gerade auch Ihre Aufgabe mit "eigentümlich frei"i als wichtigem Informationsmedium,  noch stärker für die Freiheit und gegen das staatliche Multi-Monopol sich einzusetzen.



ef: Zielen Sie bei der aus Waffengewalt und Machtanspruch resultierenden Lücke auf das zeitliche Auseinanderfallen zwischen Staatsausgaben und Staatseinnahmen ab? Noch heute werden ja zumindest deutsche Beamte ausnahmslos zum Monatsanfang besoldet, Abgaben und Steuern fließen jedoch zum Monats- oder Quartalsende. Schnappt hier bereits eine Schuldenfalle zu?


Martin: Genau das ist ein Kernproblem, der Staat hat zeitlich früher bereits Auszahlungen, als Einzahlungen überhaupt denkbar sind. So kommt es automatisch zur finanziellen Schieflage.


ef: Die dann selbst in wirtschaftlich stark prosperierenden Phasen, siehe die Geschichte der Bundesrepublik, kaum begradigt werden kann. Warum weitet sich dieses staatliche Startdefizit immer wieder so beständig aus?


Martin: Hier kommen wir zum Kernproblem aller Demokratien, in denen Parteien gegeneinander konkurrieren. Diese Konkurrenz schlägt sich in zusätzlichen Staatsschulden nieder.


ef: Der Staatsbankrott als historische Konstante trifft jedoch auch regelmäßig Diktaturen. Die sukzessive Ausweitung staatlicher Aktivitäten sowie das Prinzip der Aufschuldung – alte Schulden zuzüglich Zinsdienst werden regelmäßig durch neue Verbindlichkeiten refinanziert – scheint systemunabhängig Bestätigung zu finden. Wie erklären Sie dieses Phänomen?


Martin: Aus dem Machthunger der Staaten beziehungsweise der sie bedienenden Instanzen. Mit Machtzwang lebt es sich eben besser als ohne.


ef: Dennoch scheint, um mit dem Anthropologen Harold Barclay zu sprechen, noch nie eine soziale Organisation entwickelt worden zu sein, die zu Kriegsführungszwecken geeigneter scheint als der Staat. Zumindest territorial ist er aktuell der unumschränkte Herrscher der Erde, wie der Evolutionsbiologe Jared Diamond wertfrei feststellt: Vor 5.000 Jahren lebten vielleicht ein Prozent der Menschheit innerhalb staatlicher Ordnungen, vor 500 Jahren 20, heute praktisch 100 Prozent.


Martin: Das ist alles richtig und scharfsinnig abgeleitet. Auch Stämme sind natürlich kriegerisch, wie wir aus der Geschichte wissen. Am besten man hält sich dabei an Dunbars Zahlen: Bis ca. 150 Menschen haben wir ideale Gebilde; so gibt es in den USA sehr erfolgreiche Firmen, die pro Einheit, zum Beispiel Fertigungsstelle, genau 150 Betriebs-Parkplätze anlegen. Wenn diese voll sind, wird die nächste Einheit gebaut. Bei 300 Menschen ist das Maximum erreicht – mehr Namen oder Personen kann sich der menschliche Geist nicht merken. Erreichen die Stämme Größen von mehr als 1.000 Mitglieder, beginnen die Strukturierungen, damit Expansionen und mit den Expansionen, sofern diese erfolgreich ablaufen, „Staaten“ als Organisationen mit Ausbeutungscharakter, in denen die Herrenschicht sich ökonomisch verhält, dass heißt andere für sich arbeiten lässt, statt selbst den Buckel krumm zu machen.


ef: Der Staat als konkurrenzloses Ordnungsmodell hat letztlich auch den friedlichsten Stamm entweder feindlich übernommen oder zur strukturellen Assimilation gezwungen. Ist der Staat deshalb nicht eine selbstdurchsetzende Institution?


Martin: Mit seinen Macht- und Zwangsmitteln zweifellos. Die bürgerliche Freiheit hat seit dem 19. Jahrhundert nur verloren.


ef: Die Vorfinanzierung der Staatstätigkeit, gewissermaßen die Kosten der Übernahme eines Gewaltmonopols, bedingen gleichsam automatisch eine erste Finanzierungslücke. Welche wesentlichen Faktoren führen zu den typischen Aufschuldungsprozessen öffentlich-rechtlicher Schuldner, an deren Ende historisch bisher fast immer der Staatsbankrott stand? Warum gelingt es so gut wie nie, den Teufelskreis der Begleichung alter Verpflichtungen mit neuen Krediten zu durchbrechen?


Martin: Es ist kein Teufelskreis, sondern die kapitalistische – debitistische – Realität. Je stärker die Schulden steigen, desto stärker müssen sie weiter steigen, was sein Ende in sich selber findet. Das Ende ist der Staatsbankrott, dem sich die meisten Staaten immer schneller nähern, zumal, wenn sie nicht in der eigenen Währung finanziert sind.


ef: Wie jeder fallierende Schuldner kämpft auch der Staat mit allen verfügbaren Mitteln gegen den drohenden finanziellen Untergang an. Angesichts des Mittels Gewaltmonopol stehen den Bürgern stark verschuldeter Staaten eher ungemütliche Zeiten ins Haus, oder?


Martin: Die Risiken nehmen zu, wie bei jedem Kredit- und ergo Schuldensystem. Darauf hat gerade wieder der IWF in seinem „World Economic Outlook (WEO)“ hingewiesen.


ef: Wie werden die Staaten auf die Zunahme der Risiken reagieren? Empfehlen Sie uns, wie bereits in den 80er Jahren, die gezielte Auswanderung zumindest in Erwägung zu ziehen?


Martin: Das ist eine bedenkenswerte Option. Von meinen Kindern hat mehr als die Hälfte die deutsche Heimat bereits verlassen, Richtung USA und Schweiz.


ef: Für Sie steht mit dem Ende des einmaligen Wohlstands- und Verteilungszyklus’ und der Implosion überdehnter Versorgungsansprüche die „Rückkehr zu Subsidiarsystemen“ außer Frage. Wird dies eine Rückbesinnung auf im ursprünglichen Sinne solidarische Stammessitten, sprich: Familienbande, nach sich ziehen?


Martin: Das hoffe ich. Der Staat ist wie gesagt ein Machtbastard. Staatsmacht und persönliche Freiheit sind unvereinbar.


ef: Welche praktischen Formen könnte solch eine Wiederannäherung an das stammesgeschichtlich verschüttete Erbe annehmen? Eine Renaissance der die sozialstaatlichen Transferleistungen ersetzenden Großfamilie?


Martin: Eine Renaissance untereinander solidarischer Konglomerate. Sozialstaatlicher Transfer ist und bleibt Zwang.

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