Welche Schockwellen die Pleite von Lehman um den Globus senden wird, ist derzeit noch völlig unklar. Unklar ist derzeit auch, wie hoch die Verluste von Lehman wirklich waren. Manche Beobachter meinen, dass es weit über 100 Milliarden seien. Dabei handelt es sich größtenteils um Kredite oder Kreditderivate, die zwar nicht prinzipiell wertlos, jedoch aktuell unverkäuflich seien.
Nach Ansicht von PWC dürfte es sehr lange dauern, bis das wirkliche Ausmass des Schadens sichtbar wird. Und es wird befürchtet, dass bei der Analyse der Insolvenzmasse vielleicht die eine oder andere Leiche zusätzlich im Keller zutage tritt.
An der Wall Street glaubt man unterdessen, dass trotz der größten Finanzkatastrophe in der Finanzgeschichte die Verluste an den Aktienmärkten in Grenzen gehalten werden. Manche halten es auch nicht für ausgeschlossen, dass der Dow am Ende wieder im Plus notiert.
BoA macht gute Mine zu bösem Spiel. Der CEO lobt die künftige Fusion mit Merrill Lynch und spricht von eine "super Gelegenheit". Beide Institute würden hervorragend zusammen passen. Hinter vorgehaltener Hand wird darüber gemunkelt, dass Merrill die Lehman-Pleite nicht überlebt hätte und deshalb bei einem der wenigen noch potenten Player untergebracht werden musste. S&P hat die Verbindichkeiten von BoA heute in der Bonität herabgestuft.
Goldman Sachs kümmert sich unterdessen um die Aktien-Abteilung von Lehman und wird das entsprechende Geschäft übernehmen.
Unklar ist die Lage bei AIG. Das Unternehmen erhält einen 40 Milliarden Überbrückungskredit von der Zentralbank, so heißt es. Sicher ist dieser Kredit jedoch noch nicht. Für deutsche und europäische Verhältnisse ein einmaliger Vorgang. Experten befürchten ein Downgrading der Schulden von AIG. Das könnte für den größten Versicher der Welt der Todesstoß bedeuten. Dies ist der Grund, warum die FED möglicherweise mit einem Überbrückungskredit behilflich ist.
Diese Woche wird es nach Ansicht von Beobachtern auch bei vielen mittleren und kleinen Banken in den USA zu großen Schwierigkeinten kommen. Es wird ein Bank Run befürchtet.
Die Tatsache, dass der Staat dieses Mal "No" gesagt hat in Sachen Garantien lässt mehr und mehr die Vermutung aufkommen, dass beim nächsten Patienten auch die Versorgungsleitungen gekappt werden. Dabei wird immer wieder ein großer Name diskutiert: Washington Mutual - die 8. größte Bank in den USA.
Ganz zu schweigen von den vielen kleinen Instituten, die jetzt von noch größeren Schwierigkeiten stehen. Einerseits sind die Kunden verunsichert. Andererseits weiss man noch gar nicht, welche Folgen die Lehman-Pleite haben wird. Und darüber hinaus werden die Immobilien-Kredite von Tag zu Tag notleidender.
Die FED hat sich mit offenbar auf weitere "Unterstützungsmaßnahmen" eingestellt. Als Nächste wird offenbar jetzt die Autoindustrie ihren Tribut fordern. Schon vor mehreren Wochen wollte die großen Drei 50 Milliarden Staatsgarantien.
In Anbetracht dessen, was zur Zeit in der Bankenszene los ist, dürfte dieser Wunsch wohl kaum abgewiesen werden.