Viele hessische Schulen sollen künftig selbst entscheiden können, ob sie ihre Schüler benoten oder ihnen stattdessen schriftliche Bewertungen ausstellen.
Das bestätigte ein Sprecher des hessischen Kultusministers Alexander Lorz (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitagsausgabe). Die Reform geht auf eine Wahlkampfforderung der Grünen zurück, in der hessischen CDU gibt es dagegen große Vorbehalte.
Schulen solle die Möglichkeit gegeben werden, "pädagogisch neue Wege bei der Erreichung der Bildungsziele zu gehen", heißt es im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung verklausuliert.
So sollen künftig "Abweichungen bei der Unterrichtsorganisation und -gestaltung" möglich sein, unter anderem bei der "Ausgestaltung der Leistungsnachweise". Künftig könnten Schulen "Rückmeldungen über den Lernfortschritt und den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler in Form einer schriftlichen Bewertung geben".
Beim Verlassen der Schule oder einem Schulwechsel müsse dann ein "Zeugnis mit Ziffernnoten" erstellt werden. Bei dem Plan handele es sich um eine "Absichtserklärung", die noch mit Leben gefüllt werden müsse, sagte der Sprecher des Kultusministeriums der FAZ. Seinen Angaben zufolge eigne sich das Vorhaben vor allem für Gesamtschulen.
Allerdings schreibt der Koalitionsvertrag keine Einschränkung vor, die Regelung ist damit theoretisch auch für Grundschulen und Gymnasien offen. Der Koalitionsvertrag sieht eine Deckelung auf 150 Schulen (30 Schulen pro Jahr in dieser Legislaturperiode) vor. Das Vorhaben geht auf eine Forderung der Grünen zurück. Ziel sei es, den Schulen mit der Regelung zu einer freien Entscheidung über eine mögliche Benotung "endlich einen Aufbruch" ermöglichen, sagte deren Fraktionsvorsitzender im hessischen Landtag, Mathias Wagner, der Zeitung.
Es gehe nicht um weniger Leistung. Im Gegenteil: "Die Bildungsziele sind mit einer anderen Pädagogik teilweise besser zu erreichen." Die Regelung sei zudem "ein Angebot und keine Pflicht", sagte Wagner. Im Wahlprogramm der Grünen für die Landtagswahl hieß es, Schulen solle es ermöglicht werden, dass sie "freiwillig schriftliche Bewertungen als Ergänzung oder anstelle von Ziffernnoten bis Jahrgangsstufe 8 einführen können".
Die Christdemokraten hatten bei der Landtagswahl im Herbst deutliche Verluste erlitten und waren geschwächt in eine Fortsetzung der Koalition mit erstarkten Grünen gegangen, deren Handschrift im Koalitionsvertrag nun deutlicher zu erkennen ist als zuvor. Doch in der CDU gibt es große Vorbehalte gegen die Reform der Bildungspolitik, von "Sprengkraft" sprach ein Parteimitglied laut Zeitung bei dem Thema.
Dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag zufolge sollen die betroffenen Schulen künftig neben der Möglichkeit, keine Noten mehr zu vergeben, weitere Freiheiten erhalten, etwa bei der Bildung von Lerngruppen sowie der Ausgestaltung von Lehrplänen und Stundentafeln. Auch können die Schulen Unterricht fächerübergreifend erteilen und Schüler stärker in die Gestaltung des Unterrichts einbeziehen.
In Hessen gibt es insgesamt rund 1.800 Schulen, davon sind rund 1.100 Grund- und rund 200 berufliche Schulen. Die Neuregelung kommt dem Vernehmen nach nur für jene Jahrgangsstufen in Betracht, bei denen kein Wechsel auf eine weiterführende Schule ansteht, also für etwa 500 Schulen. Einige wenige Gesamtschulen in Hessen arbeiten bereits bisher in Teilen ohne Benotungen.
Foto: Kinder spielen auf einem Schulhof, über dts Nachrichtenagentur