Nach Ansicht von Heinz-Erich Wichmann könnten sich die Gesundheitsrisiken der Bevölkerung durch Fahrverbote erhöhen.
Diese Gefahr hätten weder Politiker noch Gerichte im Blick, sagte der langjährige Direktor des Instituts für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München der Wochenzeitung "Die Zeit".
Wenn sich nach einer Straßensperrung Fahrer von alten Dieselautos Umwege suchten, werde zwar der Grenzwert in der Straße mit dem Fahrverbot nicht mehr überschritten, in der Umgebung aber könne die Stickoxid-Belastung steigen.
"Unter dem Strich sind eventuell mehr Menschen einem erhöhten Gesundheitsrisiko durch NO₂ ausgesetzt als vor der Sperrung", sagt der heute emeritierte Forscher der "Zeit".
Städte kontrollierten bei Fahrverboten "meist nur, ob der Grenzwert in dem gesperrten Bereich eingehalten wird", sie prüften üblicherweise nicht, wie sich die Verkehrsverlagerung auswirkt.
Dazu sagt Wichmann: "Wenn nach einem Fahrverbot mehr Menschen einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind als vorher, kann man das doch nicht verantworten!"
Wichmann hat sich als Epidemiologe jahrzehntelang mit den Gefahren von Schadstoffen in der Luft befasst, unter anderem für die Weltgesundheitsorganisation WHO. Er rechnet schon bald mit neuen Richtwerten der WHO, "anschließend wird auch über neue EU-Grenzwerte zu entscheiden sein".
Wenn die Politik lockerere Grenzwerte festsetze, müsse sie "gute Argumente vorlegen, warum sie von den neuen WHO-Erkenntnissen abweichen möchte. Sie muss dies schließlich vor den Bürgern rechtfertigen".
Foto: Halbseitig gesperrte Brücke, über dts Nachrichtenagentur