Um einen Betrag von bis zu 70 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren sollen sich Netze von öffentlichen und privaten TV-Betreibern bewerben. Erhalten sie den Zuschlag, müssen sie sich verpflichten, „europäische Programme ... regelmäßig zu den Hauptsendezeiten auszustrahlen“. Jedes Netzmitglied muss wöchentlich mehr als 100.000 Zuschauer haben, das Gesamtnetz mindestens 12 Millionen und 50 Prozent des EU-Territoriums abdecken. Ob sich in Deutschland Sender wie das Erste, das ZDF, SAT.1 und RTL oder eher Phoenix, n-tv und N24 angesprochen fühlen sollen, geht aus dem Papier nicht hervor.
Die Kommission verspricht den teilnehmenden Sendern redaktionelle Unabhängigkeit. Doch müssen diese „Anzahl, Namen, Aufgaben und Sprachkenntnisse des eingesetzten Personals, insbesondere der Journalisten, angeben“. Außerdem verlangen die Brüsseler vom Sendernetz ein Dokument „in dem die Leitlinien seiner redaktionellen Philosophie beschrieben werden“.
Schon jetzt verfügen EU-Kommission und -Parlament über zahlreiche Selbstdarstellungsmöglichkeiten: Über den Kanal Europe by Satellite (EbS) liefern die Institutionen täglich unkommentiertes Bild- und Ton-Material für Journalisten der Radio- und Fernsehsender. Mit knapp elf Millionen Euro fördert die EU zudem den TV-Sender Euronews. Seit 2007 zahlt sie jährlich 5,7 Millionen Euro für das Radionetzwerk Euranet. Das EU-Parlament strahlt ein Programm im Internet aus.
Der Chef des ARD-Studios in Brüssel, Rolf-Dieter Krause, bezeichnete das Vorhaben der Kommission in FOCUS als „journalistisch problematisch“. „Unter dem Vorwand, es werde nicht genügend über Europa berichtet, bauen die EU-Institutionen hier eigene Medien auf.“ Die FDP-Europa-Politikerin Silvana Koch-Mehrin kritisierte: „Vom effektiven Einsatz der Steuermillionen bin ich nicht überzeugt“. Ihr Abgeordnetenkollege Markus Ferber (CSU) verurteilte das Projekt als „Propagandafernsehen“.