Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger fordert als Konsequenz der Finanzkrise ein dauerhaft stärkeres Eingreifen des Staates in die Wirtschaft. Durch das US-Rettungspaket und das Verbot von Leerverkäufen an den Börsen gewinne die Politik wieder mehr Macht über die Finanzmärkte, sagte der Volkswirt SPIEGEL ONLINE.
Der Staat müsse die Lage jetzt nutzen, um seine eigene Rolle neu zu definieren. "Zu viele Politiker fordern dauernd Steuersenkungen", sagte Bofinger im Interview. Dadurch entstehe der Eindruck, dass der Staat das Geld der Bürger gar nicht brauche. "Die Botschaft des Staates müsste aber ganz im Gegenteil lauten: Wir brauchen euer Geld, und wir gehen verantwortungsvoll damit um."
Aus Sicht Bofingers hat die Finanzkrise den Mythos Wall Street zerstört. Der angelsächsische Finanzkapitalismus sei in den vergangenen zwei Wochen "mit einem großen Knall" gestorben. Jetzt stehe die Gesellschaft Weltgemeinschaft vor einer Epochenwende.
Das Konzept der ungezügelten Märkte sei ursprünglich als Gegenströmung zum Kalten Krieg entstanden, doch dann seien aus freien Märkten wilde Märkte geworden. "Der postsozialistische Segen wurde zum turbokapitalistischen Fluch", sagte Bofinger SPIEGEL ONLINE. Der Turbokapitalismus habe einen Lebensstil geprägt, "nach dem Schuldenmachen schick ist und Sparen spießig". Jetzt beginne "das Zeitalter der Neubesinnung".
Zur Regulierung der Finanzmärkte forderte Bofinger drei grundlegende Maßnahmen: den Aufbau eines globalen Kreditregisters, die Schaffung einer staatlichen Rating-Agentur und ein Minimum an Standardisierung für verbriefte Kredite.