Kürzlich wurde der Ostsee-Windpark Arkona in Betrieb genommen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel war dabei. Meine Lokalzeitung, die Wilhelmshavener Zeitung, hat aus diesem Anlass ganzseitig die „Erfolgsgeschichte der Windkraft auf See“ gefeiert.
von Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel
Viele Zeitungen im gesamten Bundesgebiet dürften vergleichbare Berichte veröffentlichst haben. Leider wurden wichtige Fakten durch Fake-Angaben ersetzt. Damit erscheint der Off-Shore-Windstrom in einem rosigen Licht. Die Fakten sehen aber anders aus.
Das englische Fake bedeutet Fälschung und Täuschung. Neben Fälschungen sind damit auch einseitige Angaben gemeint, die zu einer falschen Schlussfolgerung führen, also den Leser täuschen. Dazu gehört der vom Wetter abhängige Windstrom als Strom zweiter Klasse.
Er ist nicht planbar und deutlich teurer als Strom aus Dampf- und Gaskraftwerken. Mal gibt es zu viel, mal gibt es zu wenig davon. Bei Windstille fließt gar kein Strom. Ostern gab es bei kräftigen Winden mal wieder einen deutlichen Überschuss. Obwohl viele Anlagen abgeschaltet wurden (die Betreiber erhalten dann eine Ausfallvergütung für den nicht gelieferten und nicht benötigten Strom), mussten noch 5 Millionen Euro für die Beseitigung von Überschussstrom aufgewendet werden.
Dieser nicht regelbare und teure Zappelstrom wird von der Regierung und vielen Politikern den Bürgern als zukunftsweisend dargestellt. Das ist eine Täuschung. Der Stromverbraucherschutz NAEB bezeichnet daher zu Recht den Wind- und Solarstrom als „Fakepower“.
Daten für Off-Shore Windstrom
Die Journalisten von Eckart Gienke, Hans-Christian Wöste und Birgit Sander haben in der Wilhelmshavener Zeitung folgende Daten für Off-Shore Windstrom genannt:
Windräder: mehr als 1.300.
Installierte Leistung: 6,4 Gigawatt, entspricht 6 bis 7 großen Kern- oder Kohlekraftwerken.
Erzeugter Strom: 19 Terrawattstunden pro Jahr.
Volllaststunden: 4500 Stunden pro Jahr.
Stromerzeugung: 363 Tage im Jahr.
Für den Windpark Arkona:
Windräder: 60
Installierte Leistung: 385 Megawatt, reicht für die Versorgung von 400.000 Haushalten.
Investitionen: 1,2 Milliarden Euro
Gestehungskosten: unter 10 Cent je Kilowattstunde,
Die kritische Bewertung dieser Angaben ergibt eine Reihe von Falschaussagen und Täuschungen. Für die meisten Leser wird es allerdings schwer, das zu erkennen, weil zwischen Terra-, Giga-, Mega- und Kilowatt gewechselt wird.
Falschaussagen
Fangen wir mit der Bewertung bei der Stromerzeugung an. Für Off-Shore Anlagen werden 4.500 Volllaststunden im Jahr angegeben. Teilt man jedoch die erzeugte Strommenge pro Jahr durch die installierte Leistung, kommt man nur auf knapp 3.000 Volllaststunden. Eine klare Falschangabe.
Die Angabe, „die installierte Leistung von 6,4 Gigawatt entspricht 6 bis 7 großen Kern- oder Kohlekraftwerken“ ist, bezogen auf die installierte Leistung, richtig. Die Off-Shore Windgeneratoren leisten im Jahresmittel jedoch nur 2,2 Gigawatt, während die Kraftwerke ihre installierte Leistung über das ganze Jahr liefern. Die Windgeneratoren können keine Kraftwerke ersetzen. Sie müssen einspringen, wenn der Wind nicht weht. Die Angabe ist eine grobe Täuschung.
Das gilt auch für die Angabe, Off-Shore Anlagen würden 363 Tage im Jahr Strom erzeugen. Der schnelle Leser glaubt, Windstrom vom Meer stehe ganzjährig zur Verfügung. Das ist ein Irrtum. Außer den aufgeführten zwei windstillen Tagen im Jahr gibt es noch viele Wochen mit schwachen Winden, die kaum zur Stromerzeugung beitragen, weil die Leistung mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit sinkt. Es gibt also viele Tage, an denen vom Meer kaum Strom kommt. Auch hier wird getäuscht.
Es wird behauptet, mit dem Strom aus dem Windpark Arkona könne man 400.000 Haushalte mit Strom versorgen. Das ist falsch. Wenn der Wind nicht weht, kann kein einziger Haushalt versorgt werden.
Kosten werden verniedlicht und verschwiegen
Die Gestehungskosten für Off-Shore Strom sollen inzwischen unter 10 Cent je Kilowattstunde liegen. Der neue Windpark Arkona gehört offensichtlich nicht dazu. Wenn man nur 10 Prozent der Investitionskosten als Jahreskosten für Kapitaldienst, Betrieb und Wartung rechnet, und die Jahreskosten durch die erzeugte Strommenge teilt, kostet die Kilowattstunde mehr als 10 Cent. Die Einspeisevergütung beträgt nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in den ersten acht Jahren 19 Cent je Kilowattstunde. Das ist das 6-fache der Erzeugungskosten von Strom aus heimischer Braunkohle.
Dazu kommen dann noch die Kosten für den Transport an Land. Der Strom muss auf einer Umspannungsplattform transformiert und dann über ein Seekabel zum Umspannwerk an Land geleitet werden. Die Kosten hierfür sind in den Netzgebühren versteckt, denn laut Gesetz sind die Betreiber der Übertragungsnetze zum Anschluss der Off-Shore Windparks verpflichtet. Der Anteil der Netzgebühren an den Stromkosten ist inzwischen höher als die EEG-Umlage, die Stromerzeugungskosten oder die Mehrwertsteuer. Er wird mit jeder neuen Fakepower-Anlage weiter zunehmen.
Nach meinen Informationen kostet der Transport des Off-Shore Stroms an Land etwa 5 Cent je Kilowattstunde. Durch Auslassen der Leitungskosten zum Land wird hier weiter getäuscht. Off-Shore Strom kostet mindestens 15 Cent je Kilowattstunde, wenn er das deutsche Stromnetz erreicht.
Fakepower ist Strom zweiter Klasse
Es ist aber auch eine Täuschung, Fakepower mit Kraftwerkstrom gleichzusetzten. In beiden Fällen fließen zwar Elektronen. Die regelbaren Kraftwerke liefern den Strom jedoch nach Bedarf, während Wind- und Sonnenstrom von den Wetterlaunen abhängig sind. Mal gibt es zu viel, mal gibt es zu wenig davon. Im ersten Fall müssen Anlagen abgeschaltet werden oder der Überschussstrom muss kostenpflichtig entsorgt werden, um das Netz nicht zu überlasten.
Im zweiten Fall brauchen wir konventionelle Kraftwerke, die den Strombedarf sicherstellen. Der wetterwendische Wind- und Solarstrom ist zweitrangig und erfordert viel teure Regelleistung von den konventionellen Kraftwerken.
Der Marktwert von Fakepower ist daher deutlich geringer als Kraftwerkstrom. Das bleibt auch so, wenn die Kosten für Kraftwerkstrom durch immer höhere Abgaben auf Kohlenstoffdioxid in die Höhe getrieben werden, um Fakepower marktfähig zu machen und so die EEG-Umlage abzuschaffen. Mit unzuverlässiger Fakepower kann ein stabiles Stromnetz nicht aufgebaut werden. Dazu ist eine Grundlast von mindestens 45 Prozent des Stroms aus den großen Kraftwerken erforderlich, die Taktgeber für Frequenz und Phase im Netz sind.
Es ist eine Täuschung, Deutschland mit 60 oder gar 80 Prozent Fakepower sicher und preiswert versorgen zu wollen. Auch entsprechende Bundestagsbeschlüsse ändern nichts daran. Die Physik wird sich nicht nach politischen Beschlüssen richten.
Fake-Angaben erkennen
Es bringt nichts, Fake-Meldungen zu verbieten. Sie werden immer wieder auftauchen, sei es unbeabsichtigt, weil man eine Falschmeldung nicht erkannt hat, oder sei es absichtlich, um die Meinung der Öffentlichkeit in einer gewünschten Richtung zu beeinflussen, wie es für die Energiepolitik zurzeit läuft. Jeder Einzelne muss mit dem gesunden Menschenverstand, den Grundrechnungsarten und ein paar physikalischen Grundlagen immer wieder überprüfen, ob Berichte glaubhaft sind oder Fake-Meldungen beinhalten. Es kostet etwas Mühe, die sich aber lohnt.
Dies sollte in den Schulen gelehrt und geübt werden. Leider ist das häufig nicht der Fall. Viele Lehrer und Erzieher indoktrinieren Kinder mit erschreckenden Zukunftsvisionen, ohne ihnen das Rüstzeug zu einer eigenen objektiven Bewertung zu geben. Die derzeitigen Demonstrationen „Fridays for Future“ haben die Schüler für die Energiewende und den Klimaschutz sensibilisiert. Es ist eine gute Gelegenheit, die Forderungen sachlich und objektiv in der Schule zu hinterfragen.
Wenn Leser so ausgebildet sind, werden sich auch die sogenannten Qualitätsmedien bemühen, wieder sorgfältiger zu recherchieren, statt einfach Fake-Berichte, wie in dieser Kritik dargestellt, zu übernehmen.