Zwei Eurofighter kollidierten in der Luft. Wrack und Leichenteile in Mecklenburg-Vorpommern. Zuvor: Pleiten bei Rüstungsprojekten und Pannen der Flugbereitschaft. Wie schlimm steht es um unsere Luftwaffe? Wie sicher sind unsere Piloten?
von Alexander Kaufmann
Nach der Kollision zweier Eurofighter der Luftwaffe am Montagnachmittag im Himmel über Mecklenburg-Vorpommern, läuft die Suche nach einem der Piloten weiter auf Hochtouren. Beide Piloten sollen sich – nach Beobachtungen eines dritten Eurofighter-Piloten – per Schleudersitz aus den Unglücksmaschinen katapultiert haben. Einer wurde bereits lebend aus einer Baumkrone gerettet. Sein Kamerad wird gesucht.
Leichenteile entdeckt: unklar ob zweiter Pilot überlebte
In der Nähe einer der Absturzstellen fanden die Rettungskräfte nach Angaben aus dem Polizeipräsidium Neubrandenburg Leichenteile. Es sei jedoch unklar (Stand 17:30 Uhr), ob diese zu dem noch gesuchten Piloten gehören. Auch ob es weitere, etwa zivile, Opfer gibt, sei noch unklar. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums stürzte eine der Maschinen in ein Waldstück nahe der Ortschaft Jabel (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte).
Unglücksmaschine verfehlte 700-Einwohner-Gemeinde knapp
Die Bürgermeisterin der 700-Einwohner-Gemeinde Nossentiner Hütte, Birgit Kurth, sagte, ihre Bürger hätten Glück im Unglück gehabt. Einer der abgestürzten Jets ging am Rand der Gemeine nieder. „Ich bin von Bürgern angerufen worden, die am Drewitzer See waren und den Zusammenstoß der beiden Maschinen sahen“, so Bürgermeisterin Kurth. Die andere Maschine ging ca. 10 km weiter südlich nieder.
AfD-Mann twittert: nur noch ein einsatzbereiter Eurofighter übrig – harsche Kritik
Der Bundestagsabgeordnete für die AfD, Udo Hemmelgarn, twitterte nach dem Unglück: „Jetzt haben wir nur noch ein taugliches Flugzeug!“ Als besonders hämisch wurde der zweite Teil seines Tweets empfunden, das „Gute“ daran sei, dass es so zukünftig keine weiteren Zusammenstöße mehr geben könnte. Hemmelgarn löschte seinen Tweet kurze Zeit später, doch der „BILD“-Journalist Julian Röpcke verbreitete einen Screenshot von Hemmelgarns Tweet.
Wie schlimm steht es um unsere Luftwaffe?
So pietätlos wie Hemmelgarns Tweet angesichts dieses Unglücks sein mag, ist die dahinter stehende Aussage doch Anlass zur Sorge: Wie desaströs ist der Zustand der deutschen Luftwaffe?
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die Luftwaffe waren jüngst Kritik ausgesetzt, als die Flugbereitschaft, verantwortlich für die Flugreisen von Bundespräsident, Bundeskanzlerin und anderen Regierungsmitgliedern, in eine solche Pannenserie erlitt, dass sogar offen nach Sabotage gefragt wurde.
Die Pannenserie der Flugbereitschaft
Oktober 2018 - Nagetiere legen die Regierungsmaschine in Indonesien lahm und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) muss zivil per Linie 20 Stunden nach Deutschland zurückfliegen.
November 2018 - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hängt stundenlang in Südafrika fest. Grund: Triebwerksdefekt der „Konrad Adenauer“.
Ende November/Anfang Dezember 2018 - Angela Merkel und Olaf Scholz kommen zu spät nach Buenos Aires zum G20-Gipfel. Erneut ein technischer Defekt der „Konrad Adenauer“.
Januar 2019 - Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) strandet in Sambia. Aufgrund technischer Defekte an der zweistrahligen Bombardier Global 5000 artet seine Reise zu einer Odyssee aus abgesagten, neu gefunden Terminen und Linienflügen aus.
Ende Februar 2019 - Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) strandet ebenfalls in Afrika. Ursache: Ein Hydraulikleck außerhalb der Toleranzgrenze, so ein Sprecher der Luftwaffe.
Kampfkraft Null: 4 von 128 Kampfjets einsatzbereit - viele Piloten kündigen
Doch auch um den bewaffneten Arm der Luftwaffe ist es schlecht bestellt. „Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt“, titelte und zitierte die „WELT“ den Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz am 28.06.2018.
Luftwaffenchef Gerhartz: „Flugzeuge stehen wegen fehlender Ersatzteile oder sind gar nicht erst vor Ort, da sie zur Inspektion bei der Industrie sind.“ Die Inspektion eines Eurofighters etwa soll nach 400 Flugstunden erfolgen und sieben Monate dauern, zurzeit dauerte sie aber mit 14 Monaten doppelt so lang.
Bereits Februar 2018 hat ein Bericht des Verteidigungsministeriums offenbart, wie schlecht es um die Luftwaffe bestellt ist. Von 128 Kampfjets des Typs Eurofighter waren im Vorjahr (2017) durchschnittlich nur 39 einsatzbereit. Bei den wesentlich älteren Tornado-Jets waren 26 von 93 Maschinen einsatzbereit und von insgesamt 72 Transporthubschraubern standen tatsächlich nur 16 für Ausbildung und Einsätze zur Verfügung.
Bündniserfüllung unmöglich: 4 statt zugesagter 82 Jets
Besonders unangenehm: Berlin hat der NATO 82 einsatzbereite Kampfjets zur Bündniserfüllung und zum Schutz des deutschen und NATO-Luftraums zugesagt. Tatsächlich stehen nach internen Berechnungen der Luftwaffe nur vier Jets stets einsatzbereit.
Zahl der Piloten-Kündigungen steigt
Im Februar 2019 wurde sodann bekannt, dass die Zahl der Kündigungen von Piloten bei der Luftwaffe einen neuen Höchststand erreicht hat. Dies geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor.
Rüstungsprojekte: stets teurer, später und schlechter als bestellt
Doch auf für die Zukunft sieht es schlecht aus. Die Rüstungsprojekte der Bundeswehr und ihrer europäischen Partner kranken an Bürokratie und schlecht verhandelten Verträgen. Bestelltes kommt stets teurer, später und häufig schlechter als vereinbart und geordert.
Für den Transall-Ersatz A400M etwa prognostiziert das Verteidigungsministerium eine Verspätung von mindestens 139 Monaten. Das A400M gilt als mondernstes militärisches Transportflugzeug der Welt, Deutschland hat 53 Maschinen bei Airbus bestellt, doch tatsächlich ist der König der Lüfte König der Negativschlagzeilen. An manchen Tagen ist kein einziges der bislang 16 ausgelieferten Flugzeuge bei der Luftwaffe einsatzbereit.