Erstmals in seiner Geschichte könnte Russland einem westlichen Land undNato-Mitglied Finanzhilfe erweisen: Es handelt sich um Island, dessenRegierung keine EU-Hilfe für seine angeschlagene Wirtschaft bekam,schreiben die Zeitungen „RBC Daily“ und „Kommersant“ am Mittwoch sowiedie Internetzeitung „Gazeta.Ru“ am Dienstag.
Nach Ansicht von Experten ist dies in erster Linie eine Image-Frage:Moskaus politischer Gewinn aus diesem Geschäft würden das Finanzrisikowettmachen. Dabei bemüht sich Russlands Regierung schon seit langemdarum, dem Westen seine Dialogbereitschaft zu signalisieren und davonzu überzeugen, dass es sinnlos ist, Angst vor Russland und dessenGeldexpansion zu haben.
Der in Frage kommende Kredit in Höhe von vier Milliarden Euro (dergesamte Haushalt Islands macht zehn Milliarden Euro aus) beträgt zwarweniger als ein Prozent der Gold- und Devisenreserven Russlands, erkönnte aber Moskau solide politische Dividenden bringen.
Der Zustand von Islands Finanzmarkt ist schon seit langem kritisch. Diedortigen Banken haben Geld im Ausland gepumpt und sind nach derneuesten Zuspitzung der Finanzkrise einfach nicht in der Lage, ihrenZahlungsverpflichtungen nachzukommen.
Island hatte seinerzeit Bereitschaft signalisiert, die eigeneWährungseinheit zu Gunsten des Euro aufzugeben, die EU erwiderte jedochdarauf, dass eine Diskussion darüber sinnlos ist, solange Island keinEU-Staat ist. Nachdem der Hilferuf aus Reykjavik von der EU abgewiesenwurde, musste nach neuen Freunden gesucht werden.
Wie Jewgeni Nadorschin, leitender Wirtschaftsexperte der InvestmentbankTrust, feststellte, hat Russland beschlossen, sich im Westen einenFreund anzuschaffen, der ihm in Zukunft sehr dankbar sein wird. DerPolitologe Juri Schewzow meinte, dass die engen Beziehungen mit Islandhinsichtlich der Kontrolle über die Arktis sehr wichtig wären. „Einenrussischen Militärstützpunkt wird es dort zwar natürlich nicht geben,jede Präsenz russischer Bankleute, Investoren oder Unternehmer indiesem Land wäre aber positiv. Island ist zwar klein, es liegt aber ineiner strategisch wichtigen Region der Welt.“