Börsen-Zeitung: Kommentar zum drohenden StaatsbankrottIslands, von Gottfried Mehner.
Die gesamte Finanzwelt droht auseinanderzufliegen. Warum sollte da die Nachricht, dass es aufIsland derzeit noch gewaltiger zischt und brodelt als sonst, weil neben den Geysiren auch das Finanzsystem aus dem letzten Loch pfeift,für große Aufregung sorgen? Weil sich hier in einem Brennglas das beobachten lässt, was mit einer kleinen Zeitverzögerung auch im Restder Welt passieren könnte.
Es sieht nur vordergründig wie eine gute Nachricht aus, dass Russland Island mit 4 Mrd. Euro zu relativ günstigen Konditionenunter die Arme greifen will. Die schlechte Nachricht ist, dass sich die Nationalbanken von Schweden, Norwegen und Dänemark nicht erneutzu einer konzertierten Hilfeleistung aufraffen konnten. Warum nicht?
Ist sich inzwischen jeder selbst der Nächste? Oder sehen Stockholm, Oslo und Kopenhagen in einer solchen Aktion ein aussichtslosesUnterfangen?
Dass Island so in die Grütze geriet, kann niemanden verwundern. Der kleinen Insel im Nordatlantik war dies seit Monaten prophezeitworden. Die 300000 Isländer hatten sich vorgenommen, Luxemburg oder Irland Konkurrenz zu machen. Der Bankenapparat des Landes wuchs inden vergangenen Jahren krebsartig an. Wer in diesen Zeiten wachsen will, muss aber höhere Risiken akzeptieren.
In Skandinavien gab es inder jüngsten Vergangenheit kaum eine Finanztransaktion, bei der nicht auch das isländische Spitzentrio Kaupthing, Glitnir und Landsbankimitgemischt hätte. Stark engagiert haben sich die Isländer zudem in Großbritannien und Norwegen. Neben Banken standen reichlichImmobilien, Ladenketten und mehr auf der Einkaufsliste. Es drohen nun Dominoeffekte.
Welcher Druck sich aufgebaut hat, lässt sich nicht nur an rekordhohen Credit-Default-Swap-Sätzen, sondern auch am rapiden Verfallder isländischen Währung ablesen. Währungsreserven von umgerechnet 3,3 Mrd. Euro reichen nicht weit. Bei Glitnir hat sich der Staat für600 Mill. Euro eine Beteiligung von 75% verschafft. Kaupthing erhielt gestern Hilfsmittel von 500 Mill. Euro. Landsbanki schließlich wurdeunter staatliche Vormundschaft gestellt.
Dies alles wird nicht reichen. Die Banken haben Risiken angesammelt, die den Staat klar überfordern. Island läuft sehenden Auges in einenStaatsbankrott. Und es wird wohl nicht der einzige bleiben.