Rette sich, wer kann - vor diesem Rettungspaket!
Börsen-Zeitung: Rette sich, wer kann! Kommentar zum Rettungspaket
Das Rettungspaket ist geschnürt, fast schon beschlossen und soll von Montag an zur Verfügung stehen. Schlingernde deutsche Banken und Versicherer müssten nur noch beherzt zugreifen, um sich selbst und damit den Finanzmarkt zu stabilisieren. Bleibt nur ein Problem: Keiner will gerettet werden. Vielmehr scheint sich das Finanzgewerbe verschworen zu haben, die angebotene Hilfe unter keinen Umständen anzunehmen: Rette sich, wer kann - vor diesem Rettungspaket!
Nicht einmal die LBBW, die der WestLB-geschädigte NRW-Finanzminister Helmut Linssen öffentlich bezichtigte, sie wolle "offensichtlich als Erste" den Finanzmarktstabilisierungsfonds nutzen, will etwas davon wissen.
Der CDU-Mann muss entweder eine ausgeprägte rheinische Frohnatur sein oder ein politischer Geisterfahrer. Schließlich könnten solche Äußerungen eines hochrangigen Amtsträgers, ob nun witzig oder ernst gemeint, relevant sein für Ratings und Refinanzierungskosten einer auf diese Weise im doppelten Wortsinn in Misskredit gebrachten Bank.
Denn das mag ja gerade der Clou am Multimilliardenpaket der Regierung sein: Wer Hilfe beansprucht, riskiert nicht nur den damit verbundenen Imageschaden, sondern vor allem tiefe Eingriffe etwa in die Geschäftsstrategie, die Dividendenpolitik oder - da geht es dann für Vorstände und Aufsichtsräte auch persönlich um viel Geld und Ansehen - in die Vergütung der Organe.
Zudem muss das jeweilige Institut die Kosten der abgerufenen Stützungsmaßnahmen tragen und mittelbar weitere wirtschaftliche Nachteile wie beispielsweise über das Rating in Kauf nehmen. Wer diesen hohen Preis zu zahlen bereit ist, dem muss es wirklich schlecht gehen. Dann doch lieber: Rette sich, wer kann - und zwar selbst!
Banken und Versicherer sollten sich allerdings nicht zu sicher sein, dass sie darüber frei werden entscheiden dürfen. Es könnte nämlich auch die britische Methode angewendet werden: Die Finanzaufsicht verlangt eine höhere Mindestkernkapitalquote (z.B. 9%) und oktroyiert damit den Instituten eine bessere Kapitalausstattung; etliche deutsche Branchengrößen liegen heute teils deutlich unter 8%.
Da der Markt frische Mittel kaum hergibt, könnte manches Haus letztlich gezwungen sein, sich aus dem Stabilisierungsfonds zu bedienen - und sich dafür die staatlichen Daumenschrauben anlegen zu lassen. Aber solange es irgend geht, wird man in diesem Fall gerne der Konkurrenz den Vortritt lassen.