Kommentar der Börsen-Zeitung
Mit dem Chaos, das am Dienstag im Dax-Werte-Handel ausgebrochen ist, haben die Kapriolen der VW-Aktie den Gipfel der Absurdität erreicht. In der Spitze 296 Mrd. Euro schwer, war der Automobilbauer nach Marktkapitalisierung vorübergehend das teuerste Unternehmen der Welt.
Überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen ist auch die Tatsache, dass die übrigen 29 Dax-Titel zum Teil drastische Abschläge erlitten, weil die dringend zur Eindeckung benötigten VW-Aktien nur durch eine synthetische Transaktion, d.h. durch den Verkauf der anderen Index-Komponenten bei gleichzeitigem Kauf des Dax-Futures, beschafft werden konnten. Dass der Dax bombenfest war, obwohl mit Ausnahme von VW phasenweise alle Titel des Index nachgaben, machte den Börsenhandel vollends zum absurden Theater.
Die beim Hessischen Wirtschaftsministerium angesiedelte Börsenaufsicht und die Deutsche Börse stellten allerdings fest, dass ein ordnungsgemäßer Börsenhandel stets gewährleistet war und auch keine Rechtsverstöße vorlagen, die eine Aussetzung des VW-Handels gerechtfertigt hätten. Darüber hinaus lehnte der Marktbetreiber eine Änderung des Dax bzw. eine Herausnahme von VW aus dem Index mit der Begründung ab, dass es dafür keine Vorkehrung im gültigen Regelwerk gebe. Nach Recht und Gesetz bzw. Regelwerk scheint somit alles in Ordnung gewesen zu sein.
Wenn die Verantwortlichen allerdings glauben, dass sie es dabei bewenden lassen und nun zur Tagesordnung übergehen können, irren sie sich gewaltig. Sie werden letztlich nicht umhin können, sich Vorkehrungen auszudenken, damit sich solche Marktverzerrungen, die den Börsenhandel zum schlechten Witz verkommen lassen, nach Möglichkeit nicht wiederholen. Ob rein formaljuristisch in Ordnung oder nicht, ist letztlich egal. Die VW-Kapriolen haben bei vielen Marktteilnehmern sowohl im Retail- als auch im institutionellen Bereich materielle Schäden angerichtet, sie hinterlassen einen Scherbenhaufen.
Image und Vertrauen in den Börsenhandel und den Dax, der sich als international anerkannte Benchmark für den deutschen Aktienmarkt etabliert hat, werden noch schwereren Schaden nehmen, wenn nichts geschieht. Das gilt gerade in einem Umfeld, in dem das Vertrauen in den Aktienmarkt ohnehin bereits sehr schwer angeschlagen ist.
Stuttgarter Nachrichten:
Würde das Land sein VW-Paket Stück für Stück beidiesen Preisen verkaufen, könnte es etwa drei Viertel seiner Schuldentilgen. Eine verführerische Idee.
Die Landesregierung will jedoch am Engagement bei VW festhalten, obwohl das VW-Gesetz nach normalem Ermessen bald fallen wird. Da der Kurs der VW-Aktie auf absehbare Zeit wieder einbrechen wird, kann sich die Landesregierung schon jetzt auf bohrende Nachfragen einstellen, warum sie das Geld und die finanziellen Zukunftschancen Niedersachsens so leichtfertig verspielt.