Dementsprechend sind auch bereits wieder die ersten Stimmen zu vernehmen, gemäß denen die Märkte das Schlimmste überstanden haben. Die Kursgewinne, zusammen mit der Erholung des Ölpreises und des Euro, könnten - so die Argumentation - die ersten Anzeichen einer nachhaltigen Bodenbildung sein.
Es gibt in der Tat eine Reihe von Faktoren, die die Aktienmärkte angetrieben haben und wohl auch noch eine kurze Weile antreiben werden. So sind viele schlechte Nachrichten inzwischen in den Kursen eingepreist. Dass die USA, möglicherweise sogar die gesamte Welt und mit Sicherheit Deutschland in die Rezession abrutschen werden, hat sich herumgesprochen.
Positive Impulse gehen ferner von den Rettungspaketen aus, die Regierungen geschnürt haben. Inzwischen häufen sich die Anzeichen, dass auch die Privatbanken die staatlichen Hilfen akzeptieren, was die Gefahr einer Kreditklemme für den Unternehmenssektor mindert. Unddie Bundesregierung will mittlerweile nicht nur das Finanzsystem stützen. Nun soll auch die Konjunktur mit einem Maßnahmenpaket angeschoben werden.
Äußerst hilfreich ist aus Sicht der Marktteilnehmer auch die Unterstützung, die die Notenbanken gewähren. Die Federal Reserve hat am Mittwoch den Leitzins um 50 Basispunkte gesenkt, was insbesondere an der Wall Street sehr positiv aufgenommen worden ist. In der neuen Börsenwoche wird die Europäische Zentralbank (EZB) den Märkten zu Hilfe eilen. Mit Blick auf die düstere konjunkturelle Lage hat EZB-Präsident Jean-Claude Trichet eine Zinssenkung so eindeutig in Aussicht gestellt, wie er es bislang noch nie getan hat.
Allerdings stellt sich die Frage, wie lange die Erholung wohl nochanhalten wird. So ist beispielsweise nicht davon auszugehen, dass dieZinssenkungen den Märkten über die Zeitspanne von ein paar Tagen hinaus Schub verleihen werden. Die größte Gefahr aber geht davon aus,dass es neue Hiobsbotschaften gibt - sei es hinsichtlich der Konjunktur oder aus dem Finanzsektor.
Was die Konjunktur betrifft, so könnte es am kommenden Freitag gefährlich werden, wenn der stark beachtete Monatsbericht vom US-Arbeitsmarkt veröffentlicht wird. In der gerade beendeten Börsenwoche gab es bereits neue US-Makrodaten, die sehr bedenklich ausfielen. So sind die Konsumausgaben, die fast zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, im dritten Quartal inflationsbereinigt mit einer Jahresrate von 3,1% zurückgegangen. Beiden langlebigen Gebrauchsgütern - vom Auto bis zum Fernsehapparat - beträgt das Minus sogar 14%.
Der frisch gekürte Nobelpreisträger für Ökonomie, Paul Krugman, spricht in diesem Zusammenhang von einer Kapitulation der amerikanischen Verbraucher. Er weist darauf hin, dass die Amerikaner bislang in der jüngeren Vergangenheit praktisch noch nie ihre Konsumlust gedämpft haben. So seien die Konsumausgaben sogar während der Rezession von 2001 weiter gestiegen. Nun jedoch schnallen die Amerikaner ihre Gürtel enger, was seiner Überzeugung nach zur Unzeit kommt. Da der US-Leitzins bereits sehr niedrig ist, könne die Fed kaum noch gegensteuern, so Krugman.
Hinzu kommt das Problem, dass die Banken trotz der sehr großzügigen staatlichen Hilfen immer noch nicht bereit sind, sich selbst und den Unternehmen Geld zu leihen. Dafür gibt es einen einfachen Grund, glaubt Bruce Wasserstein, einer der profiliertesten Investmentbanker und Dealmaker an Wall Street: Sie rechnen damit, dass noch weitere haushohe Verluste auf sie zukommen. Er geht davon aus, dass es bei Kreditkartenforderungen, bei gewerblich genutzten Immobilien und weiteren Assetklassen zu desaströsen Ausfällen kommen wird, wenn die konjunkturelle Schwäche anhält.
Wenn die beiden Koryphäen recht behalten, droht sowohl vom Finanzsektor als auch von der Konjunktur her weiteres Ungemach. Die Erwartung, dass es von nun an an den Märkten aufwärts geht, dürfte sich als trügerisch erweisen.