Der BerlinerBörsentag (www.berliner-boersentag.de)war am 6. Dezember eines der letzten “öffentlichen Stimmungsbarometer“ inDeutschland in diesem Jahr und insofern von Bedeutung. Ich selbst habe dort einenVortrag über das Thema „Jahrhundertkrise = Jahrhundertchance – auch fürRussland?“ gehalten. Der Raum war relativ gut gefüllt, was zeigt, dass dasInteresse für die Aktien (auch aus Osteuropa) noch nicht (ganz) gestorben ist.Während ich im Krisenjahr 1998 noch wagemutig ein Ausrufungszeichen hinter dasgleiche Thema gemacht habe, also in der Tat damals nach dem Kurseinbruch von80% eine Jahrhundertchance für Anleger in Russland kommen sah, habe ich diesmalganz bewusst die Frageform gewählt. Auch habe ich das Auditorium gefragt, wiesie die Börse a) bis Ende des Jahres undb) bis Ende 2009 einschätzten. Es gab sehr viele, die an eine Jahresendrallyeglaubten, aber auch viele, die äußerst skeptisch für 2009 waren.
Ich selbst habemeine skeptische Haltung, die ich übrigens aber auch schon Ende letzten Jahresin diversen Kolumnen und auch im EAST SOTCK TRENDS kundgetan habe, noch nichtaufgegeben, da die globalen Risiken so mannigfaltig und schwerwiegend sind,dass man unmöglich eine seriöse Prognose für das nächste Jahr machen kann. DieKernfrage für mich ist, ob sich die Finanzmärkte im Laufe nächsten Jahreswieder normalisieren können. Jeder Anleger kann sehr gut an den anormal hohenSpreads im Anleihenbereich erkennen, dass wir es noch mit extrem anormalen Ausnahmesituationenzu tun haben. In Afrika ist ein Großteil der Bevölkerung mit Aids infiziert undder tödliche Virus wandert um den ganzen Globus; Amerika ist auch ein krankerPatient, der die Welt in Windeseile infiziert hat. Wir brauchen dringendInstrumente, die Amerika helfen – ohne Währungsreform – aus der Verschuldungsfallezu kommen. Aber hier ist guter Rat teuer bzw. gar nicht vorhanden.
Symptomatischdafür war auch der Vortag des Öl-Serviceunternehmens C.A.T. Oil AG beimBerliner Börsentag. Es kam klar zum Ausdruck, dass die Gesellschaft sehr gut inRussland und Kasachstan mit hoch motivierten Mitarbeitern aufgestellt ist. DieCA.T. Oil AG hat in diesem Jahr viel in die Zukunft investiert, was das schwacheNettoergebnis belastete. Dies quittierten die Anleger mit Verkäufen. Zudemtrennten sich amerikanische und kanadische Hedgefonds schon frühzeitig vonSmall Caps im Energiesektor, worunter auch alle Öl- und Gold-Juniors in diesemJahr besonders litten. Der Kurs brach schon im letzten Jahr, in diesem Jahr aber nochdramatischer um über 90% ausgehend vom Hoch von 25 auf unter 2 € ein, obwohlUmsätze und EBITDA ansteigen.
Nur ist auchein solches Unternehmen – wie alle auf der Welt, abhängig von Folgeaufträgen.Es ist und bleibt in der Tat beängstigend, wie stark und abrupt sich dieAuftrageslage in fast allen Branchen seit Oktober/November 2008 rund um denGlobus verschlechtert hat. Die Aufträge im Ölservice-Sektor werden jetzt fürdas nächste Jahr in Russland ausgeschrieben. C.A.T Oil mit Sitz in Wien stehtdamit u.a in Konkurrenz zu Schlumbergerund ist durchaus konkurrenzfähig, wobei Gazprom vor kurzem eine „strategischePartnerschaft“ mit Schlumberger im Technologiebereich angekündigt hat. Man darfgespannt sein, wie sich die Auftragslage der Öl-Serviceunternehmen jetzt und imnächsten Jahr auch in diesem Sektor bei einem dramatisch fallenden Ölpreis sichgestaltet. Der Ölpreis befindet sich weiterhin im freien Fall. Nach den neuenAnalysen von Merrill Lynch könnte der Ölpreis im nächsten Jahr sogar auf 25USD/Barrel fallen, falles es eine scharfe Rezession gibt. Dann hat Russlandsicherlich ein großes Problem, weil dann neu Ölfelder nicht exploriert werden.Auf der anderen Seiet verbessern sich die Handelsbilanzen für viele osteuropäischeLänder und auch der USA, wenn der Ölpreis auf 25 USD/Barrel fallen sollte.
Ich meine daher,dass der Anleger aufgrund der hohen Unsicherheiten weiterhin eine hohe Cashquotevon 70% behalten sollte, aber mit 10-30% auch selektiv traden sollte, um zum Beispieldie Chancen einer Jahresendrallye mitzunehmen. Auch dies geht aber nicht ohneStopp-loss-Marken. Ich habe in meinem Vortrag betont und betone das auch hier,dass, wenn der Dow Jones Index nachhaltig unter 8000 (noch schlimmer 7500) Indexpunktegeht, die Anleger dann auch rigorosnicht nur deutsche, sondern auch osteuropäische Aktien verkaufen sollten.
Ich gehenicht so wie weit wie der auch durch N-TV bekannte Börsenkommentator HermanKutzer (Kutzer Corner) , der bei seinem Vortrag beim Berliner Börsentag wie schon zuvor dazu rät, alle Aktien schonjetzt zu verkaufen und das Geld auszugeben, um den Konsum anzukurbeln odereiner Stiftung zu vermachen. Wir brauchen auch in Zukunft Aktionäre, ja wir brauchensogar spekulativ eingestellte Aktionäre, denn ohne Eigenkapital (auch derAktionäre) funktioniert keine Wirtschaft der Welt. Im Gegenteil: wenn jetzt derDeleveraging-Prozess erst beginnt, muss es auch wieder einen (Re-) Kapitalisierungsprozess– nicht nur bei Banken - auch über neue Anleger geben, sprich: es muss auch inZukunft Kapitalerhöhungen, IPOs undeigenfinanziertes Private Equity geben, um auch in Zukunft Innovationen und Zukunfts-Investitionennicht nur im Infrastrukturbereich finanzieren zu können. Denn sonst wären der Kapitalismus in der Tatam Ende und jegliche Aktienkultur auch!
Sicherlich sindEthikdiskussionen – auch um Managementgehälter - sinnvoll und richtig. Sie sindnicht Fehl am Platze, sondern könnte sogar einen Paradigmawechsel in der Finanzwelteinleiten. Was sich die Vorstände von Lehman Brothers und AIG (u.a) geleistethaben, macht Anleger zu Recht wütend. Die von Frank Meyer (NTV) moderierte„ Generaldebatte“bei der Hauptdiskussionsrunde beim Berliner Börsentag über das Thema „Rezessionund Bankenpleiten – wie sicher ist mein Geld“ zeigte aber auch, dass das Thema „Angemessenheitvon Managergehältern“ jetzt zu viel Gewicht bekommen. Die Emotionen kochten zum Schluss hoch und eskam zum Teil sogar zu Beleidigungen, wobei diesmal die DiskussionsteilnehmerKlaus Martini (Private Wealth Management, Deutsche Bank AG ) und MichaelSchubert (Direktor Capital Markets, Landesbank Berlin) als „Prügelknaben“ inder lebhaft geführten Diskussionsrunde herhalten mussten. Dies ist sicherlichauch Ausdruck der verzweifelten Anleger, die einen so hohen Kursverlust wie indiesem Jahr noch nie zu verkraften hatten - auch nicht in den Baissejahren 2000 bis 2003. Dabei hat es jeder Anlegergrundsätzlich wesentlich einfacher als ein Fondsmanager oder Vermögensverwalter,da diese – auch oft aufgrund interner Reglementierungen – ganz selten zu 100%in Cash gehen. Der Privatanleger kann das aber und er kann dass auch für eine ganze Weilebleiben. Dies wäre allerdings bei allzu langer Abstinenz schädlich für dieAktienkultur, die eine sehr zarte Pflanze gerade in Deutschland ist. DasPrinzip der Selbst- und Eigenverantwortung ist bei Aktionären offensichtlich immernoch wenig ausgeprägt.
Anlegersollte auch weiter jetzt vor allem die Markttechnik beachten. Am Freitag konntedas Unterschreiten der 8000-er Marke beim Dow Jones trotzt sehr schlechterUS-Arbeitslosenzahlen knapp verhindert werden. 553.000 Arbeitslose bedeutet eineArbeitslosenquote von 6,7%. Aus einem Minuswurde am Freitag überraschend sogar ein Plus von 3,09% beim Dow Jones Der Dow Jones konnte sich damit wieder um 259auf über 8635 in die Beruhigungszone retten, was ich (auch) auf das „Plunge ProtectionTeam“ zurückführe, das bei neuralgischen Punkten immer über S&P-Future inden Markt eingreift, um einen Crash zu verhindern. Daher haben wir bisher auch„nur“ einen Salami-Crash in den USA. BeiUnterschreiten von 8000 beim Dow Jones und 4000 beim DAX könnte aber eineweitere Tsunami-Welle auf uns zu kommen und dann rette sich, wer kann. Dieswird jetzt ganz davon abhängen on General Motors, Chrysler und Ford in dennächsten Tagen die geforderten 34 Mrd.USD bekommen oder nicht. Im Grunde sind Chrysler und General Motors faktischschon jetzt Pleite. Nur merkt das der Markt noch nicht. Er merkt es erst, wennGeneral Motors wie Lehman Brothers Chapter 11 anmelden muss. In diesem Fallwürde auch das Obama-Programm wohl nicht viel nützen, denn dann würden dieArbeitslosenzahlen schon jetzt dramatisch ansteigen.
Hält aber die8000-er Marke beim Dow und bekommen die maroden US-Automobilkonzerne nocheinmal Geld vom Staat (=vom Steuerzahler) nachgeschmissen, kann es zu einer – wenig versöhnlichen - Jahresendrallyeinnerhalb eines intakten Bärmarktes – auch an den Ostbörsen - kommen. Traderkönnen darauf setzen, sollten die aber nicht ohne Sicherheitsnetz (=Stopploss-Marken) machen. Es wird in jedem Fall sehr volatil bleiben. Welche AktienSie jetzt kaufen oder verkaufen sollen, können Sie der täglich aktualisiertenOstbörsen-Hotline 09001-8614001(1,86 €/Min.) entnehmen. Bestellen Sie auch jetzt den kostenlosen Newsletterbei www.andreas-maennicke.de, woSie auch eine wesentlich ausführlichere aktuelle Analyse (5 DIN-A4-Seitenfinden werden)
Hinweis: Andreas Männicke hat in deraktuellen Ausgabe vom Derivate-Magazins (www.derivate-mag.de) einen langenArtikel (auf S. 38-45) über die möglichen Schnäppchen in Osteuropa verfasst.Die Printausgabe Oktober- Dezember 2008 ist jetzt am Kiosk erhältlich