Gemessen an dem Jubel, den das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Pendlerpauschale in der Politik verursacht hat, dürfte das Gesetz zu deren Abschaffung eigentlich im Bundestag damals im Jahre 2006 keine einzige Stimme bekommen haben. Allein Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ist der letzte aufrechte und nunmehr beleidigt wirkende Befürworter dieser verfassungswidrigen Regelung, doch der Chefbuchhalter hat gar kein Bundestagsmandat. Wir erinnern uns aber, dass die große Koalition das Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen hat. Zu dieser großen Koalition gehört auch die CSU, die den Bürgern –anfangs vor allem in Bayern vor der Landtagswahl- den Eindruck vermitteln möchte, dass sie von Anfang an dagegen gewesen sei. Aber das Wahlvolk in Bayern war nicht so dumm, wie Beckstein, Huber & Co. dies wohl einkalkulierten. Diese Wendehalssteuerpolitik und auch der Umgang mit Steuergeldern im Zuge der Krise um die Bayerische Landesbank haben schließlich für das Wahlergebnis von 50%-XXL bei der Landtagswahl im September geführt.
Was wir im Moment staunend beobachten können, ist der Verdummung nächster Teil: Anstatt vor das Volk zu treten und sich dafür zu entschuldigen, wieder einmal eine verfassungswidrige Regelung inszeniert und damit Millionen Steuerbürger ungerechtfertigt belastet zu haben, wird in nahezu verhöhnender Art und Weise die Auszahlung der vom Staat rechtswidrig zuviel einbehaltenen Steuern von Merkel und Steinbrück noch als Konjunkturimpuls in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bzw. als besonderes Weihnachtsgeschenk für die arbeitende Bevölkerung verkauft und gefeiert. Zuerst werden also die Bürger zur Kasse gebeten und nach dem Ende dieser Steuererhöhung durch das Bundesverfassungsgericht wird daraus eine Entlastung der Bürger aus dem Hut gezaubert. Von Schuld und Sühne natürlich wie immer keine Spur.
Möglicherweise haben sich Merkel und Steinbrück sich so vehement gegen Steuererleichterungen anlässlich der Rezession gestemmt, weil sie zumindest damit ernsthaft rechnen mussten, dass die Regelung der Pendlerpauschale vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird. Der durch die Auszahlungen zu erwartende Impuls ist zwar von Merkel und Steinbrück auf diese Weise keineswegs beabsichtigt, wird jetzt aber angesichts der Wirtschaftskrise offensichtlich wohlwollend angenommen. Außerdem dienen solche Äußerungen als –allerdings schlechter- Versuch zur Gesichtswahrung für das kommende Superwahljahr 2009, haben aber ansonsten mit Konjunkturpolitik nicht viel gemein. Schließlich beugt sich die Regierung mit der Rückkehr zur alten Pendlerpauschale lediglich dem zwingenden Urteil des Verfassungsgerichts. Dies ist dem Glücksspiel näher als Konjunkturpolitik. "Peinlich" sei es für Merkel und Steinbrück, "dass das wirkungsvollste Konjunkturprogramm für die Mittelschicht und die Bürger nicht von der Bundesregierung, sondern vom Bundesverfassungsgericht kommt", so FDP-Chef Westerwelle. Ärgern wird sich aber vor allem die CSU, insbesondere die alte Führung unter Beckstein und Huber, die zur Landtagswahl gerne die alte Pendlerpauschale wieder eingeführt hätte, aber bei Merkel auf Granit biss und u.A. dadurch ihre Alleinherrschaft in Bayern verlor.
Im Übrigen mussten die pendelnden Arbeitnehmer gleichwohl seit Anfang 2007 ihre Fahrtkosten für die ersten 20 Kilometer finanzieren. Da die Pendlerpauschale hierzu nicht mehr beitragen konnte, musste das Geld an anderer Stelle eingespart werden. Die Auszahlung der ungerechtfertigt einbehaltenen Steuerbeträge führt nunmehr also zu nichts Anderem als zur Nachholung bisher unterlassenen Konsums.
Weiter kann sich Steinbrück wegen der Wirtschaftskrise und des Pendlerurteils klammheimlich und fast geräuschlos vom Ziel des ausgeglichenen Staatshaushaltes im Jahre 2011 verabschieden, da es vor dem Wahljahr 2009 und angesichts der Wirtschaftskrise nicht angezeigt sein dürfte, diese Belastungen „gegen“ zu finanzieren, obwohl Steinbrück genau dieses vor Jahresfrist für den Fall eines negativen Urteils des Verfassungsgerichtes noch vollmundig in gewohnter Raubritter- und Wegelagerermanier angekündigt hatte.
Das Bundesverfassungsgericht habe sich, wie der gemeinsamen Pressemitteilung von Bundesfinanzministerium und Hessischer Landesregierung vom Tage der Urteilsverkündung zu entnehmen ist, „leider nicht der mehrheitlichen Rechtsauffassung von Bundesregierung, Deutschem Bundestag und Bundesrat angeschlossen“. Weiter heißt es dort, dass diese Entscheidung für falsch und ihre nachteiligen Konsequenzen für die Reformfähigkeit unseres Landes für noch nicht absehbar gehalten werde. Gerade wegen dieser unterschwelligen Schuldzuweisung für die nun erforderliche höhere Neuverschuldung an das Verfassungsgericht und der von wenig Einsicht in rechtsstaatliche Grundsätze geprägten Formulierungen von Steinbrück und Koch kann der diesbezüglich interessierte Bürger froh sein, dass das Verfassungsgericht unsinnige und offensichtlich rechtswidrige Gesetze der drei anderen genannten Verfassungsorgane und deren Mitglieder aufzuheben vermag. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Steinbrück durch solche Äußerungen auf der Beliebtheitsskala der Verfassungsrichter nach oben schießt. Schließlich stehen ja noch einige Entscheidungen an, in denen Steinbrück Nachhilfe im Fach Verfassungsrecht erhalten könnte.
Hier soll nicht diskutiert werden, ob die Pendlerpauschale ungerecht ist oder nicht, ob und wie sie in anderen Ländern gehandhabt wird, ob sie zur Zersiedelung der Landschaft führt, ob sie klimaschädlich wirkt oder ob durch sie Luxusschlitten von so genannten Besserverdienenden subventioniert werden. Es geht vielmehr um den gesetzgeberischen Stil, mit dem seit Jahren immer häufiger verfassungsrechtliche Bedenken gegen ungerecht empfundene oder mit der „heißen Nadel gestrickte“ und deshalb fehlerhafte Steuergesetze beiseite geschoben werden. Von Seiten der Steuerberaterverbände wird hierzu weiter bemängelt, dass ein Klima der gesetzgeberischen Arroganz zum Nachteil aller Steuerbürger herrsche, welche letztendlich einen Vertrauensschwund des Steuerbürgers in den Fiskus als ein ernstes Anzeichen für abnehmende Steuermoral bewirke.*
Schon bei der Verabschiedung gab es begründete Warnungen, das Gesetz sei verfassungswidrig. Steinbrück und Koch hatten sich schon zu Zeiten von Rot-Grün einen unrühmlichen Namen mit einer so genannten Subventions-Streichliste gemacht, auf der die Pendlerpauschale einen herausragenden Platz einnahm. Aber trotz besseren Wissens wurde das Gesetz von der großen Koalition mit ihrer Mehrheit durchgedrückt, nach dem dreisten Motto: Man kann ja einfach mal versuchen, den Bürger zu schröpfen. Die Großkoalitionäre haben damit mühe- und nahtlos an die rot-grünen Chaosjahre unter Schröder angeschlossen.
Verfassungswidrig ist nicht nur die Ungleichbehandlung der Pendler, sondern auch die Gesetzesbegründung. Steinbrück nannte für sein Vorgehen ausschließlich fiskalische Gründe. Der Staat brauche höhere Einnahmen angesichts der riesigen Löcher im Haushaltskäse. Doch damit wird die Willkür des Gesetzgebers zum Prinzip; schließlich ließe sich mit dem Verweis auf den desolaten Haushalt jeder Eingriff begründen.
Nach Ansicht des Verfassungsgerichtes dürfe der Gesetzgeber durchaus die Kosten für den Weg zur Arbeit als auch privat veranlasst ansehen und die Regelung unter verkehrs- und umweltpolitischen Aspekten ausgestalten. Er könne neue Regeln einführen, ohne an frühere Entscheidungen gebunden zu sein. Das setzt nach Ansicht der Karlsruher Richter jedoch voraus, „dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird“. Einen zulässigen Systemwechsel könne es jedoch nicht „ohne ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung geben“. Man darf wirklich gespannt sein, ob die Steuerpolitik in Zukunft hierzu fähig ist.
Ungewöhnlich an dem Richterspruch ist, dass das Gericht Steuerzahlern aktuell zu ihrem Recht verhilft. Normalerweise stellten die Karlsruher Richter bisher zwar fest, dass ein Gesetz nicht verfassungsgemäß war. Sie ließen dem Gesetzgeber aber Zeit für eine Neuregelung, die zudem nur für die Zukunft gilt, wie zuletzt bei der Erbschaftsteuer und bei der steuerlichen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen. Durchaus eine angenehme Regelung für den Finanzminister, der damit bisher kalkulieren, aber auch verfassungsrechtlich problematische Regelungen treffen konnte.
Hier hat das Gericht nun die Daumenschrauben merklich angezogen und zwei wichtige Signale ausgesendet: Zum einen ist eine rein fiskalische Begründung nicht ausreichend, zum anderen hat das Gericht deutlich gemacht, dass es empfindlich auch in aktuelle Staatshaushalte eingreifen kann.
Es bleibt zu hoffen, dass die Politik diese Signale wahrnimmt und künftig mit weniger Arroganz bessere Noten einfährt und dass das Bundesverfassungsgericht die politisch Verantwortlichen nicht wegen nicht gemachter Hausaufgaben wieder in die Ecke stellen oder zum Nachsitzen verurteilen muss.