Kirche und Bischöfe schießen sich gegen Ackermann und Banken ein.
In die leider nicht wirklich stille Zeit zwischen Weihnachten und der Jahreswende prasseln anklägerisch und lautstark formulierte Sätzewichtiger Kirchenmänner und -frauen gegen die Selbstsucht des Menschen, sei es in Bankpalästen oder in einfachen Behausungen. Die Gescholtenen lassen sich davon, wie man so so sagt, seit Menschengedenken kaum beeindrucken.
Schwingt nicht auch in den konfessionell ausbalanciert, fast wie abgesprochen wirkenden Mahn- und Weckrufen gegen die Gier unbewusst Selbstanklägerisches mit? Schließlich könnte man doch behaupten, dass 20 Jahrhunderte christlicher Verkündigung den Alten Adam im Kern nicht gebessert haben. Die Selbstsucht ist eine anthropologische Konstante, zugleich Konstruktionsfehler und Schwungrad. "Am Golde hängt, zum Golde drängtdoch alles, ach, wir Armen" (Goethe).
Mittlerweile stößt es zudem unangenehm auf, wie der Chef der größten deutschen Bank, Josef Ackermann, nicht nur von politischen Krakelern,sondern auch von Bischöfen auf ziemlich unchristlich-unbarmherzige Art und Weise zu einem Großschuldigen stilisiert wird. Das ist billig, unfair und falsch obendrein. Unter den kapitalfixierten Managern mag der privat übrigens sozial fürsorgliche Schweizer einer der Großen sein; ein grobfahrlässiger Finanzakrobat war und ist Ackermann gerade nicht.
Rheinische Post
Es ist guter alter Brauch, dass die Kirchen an Weihnachten den Gläubigen ins Gewissen reden. Wenn sie dabei Politiker und Manager allgemein zur Besinnung und zur Umkehr rufen, ist das völlig in Ordnung.
Etwas Unbehagen beschleicht einen allerdings, wenn jetzt Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands, mit Josef Ackermann den bewährten Buhmann der Nation persönlich abkanzelt und das Renditeziel von 25 Prozent für die Deutsche Bank in die Nähe eines Götzendienstes rückt.
Ganz abgesehen davon, dass Ackermann persönlich ein integrer Mann ist - es gibt in der Wirtschaft ganz andere Beispiele dafür, dass Management-Entscheidungen zu Lasten des Gemeinwohls gingen. Darum geht es Huber ja wohl: Dass der Tanz ums Goldene Kalb das Gemeinwesen in den Abgrund führt. Niemand bezweifelt, dass es auch und zuvorderst der Drang nach hoher Rendite war, der die Finanzwelt fast kollabieren ließ.
Nur ist es wenig hilfreich, dafür den persönlichen Sündenbock zu suchen. Natürlich soll die Kirche das Streben nach Materiellem geißeln, das dem Menschen schon zu Zeiten des Alten Testaments und zuvor zu eigen war. Natürlich soll sie die Rückbesinnung auf die wahren Werte predigen.
So wie dies der Bischof jetzt auch wieder getan hat. Wer dafür aber, und sei es nur sinnbildlich, ein persönliches Beispiel nennt, leistet der Polarisierung Vorschub - und zugleich der Ablenkung: Um das Goldene Kalb tanzen die Banker ja auch deshalb, weil sie von den vielen, auch kleinen Leuten zum Tanz aufgefordert wurden. So viel Eigenkritik sollten wir uns gönnen - wenigstens an Weihnachten.
Südwest Presse