Nicht Lehman Brothers sondern Kardinal Lehmann: Scharfe Kritik an geplantem Boykott der Papstrede im Bundestag: schäbig und primitiv – Proteste gehörten aber „zum Ritual“. Mainzer Bischof über sein persönliches Verhältnis zu Papst Benedikt. Erwartungen an Papstbesuch gedämpft.
Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann befürwortet innerkirchliche Reformen. Dazu zählte der 75-Jährige einen neuen Umgang mit Geschiedenen, die wieder heiraten. Es gelte, „die Unauflöslichkeit der Ehe, die biblisch gut begründet ist, nicht aufzugeben, aber eben doch der Komplexität von Beziehungen Rechnung zu tragen“, sagte Lehmann der Frankfurter Rundschau (Samstagausgabe). Auch das kirchliche Arbeitsrecht kenne keine „Fallbeil-Methode nach dem Motto, ‚geschieden wiederheiratet – raus!’“, so Lehmann weiter. Das bedeute, vom konkreten Einzelfall her zu denken und nicht nur vom abstrakten Prinzip.
Weiter unterstützte der Mainzer Bischof den Ruf nach einer Öffnung kirchlicher Ämter für Frauen und Verheiratete. „Natürlich wäre es mir lieber, wenn bei der gar nicht einmal so schwierigen Frage des Diakonats für die Frauen endlich einmal eine Entscheidung käme.“ Was die bislang vom Vatikan stets abgelehnte Priesterweihe für „Viri probati“ (bewährte verheiratete Männer) angehe, so denke er „eher in diese Richtung“.
Sein Verhältnis zu Papst Benedikt XVI. bezeichnete Lehmann als „frei von Animositäten“. Er habe Joseph Ratzinger „sehr oft gegen Kritiker verteidigt, die seine Qualitäten krass verkannt haben. Uns kann man nicht so schnell auseinander dividieren. Trotzdem erlaube ich mir eine eigene Meinung.“ Spekulationen, dass der Kardinal bei der Papstwahl 2005 Ratzinger die Stimme versagt habe, nannte Lehmann „eine bodenlose Unverschämtheit“. Den Papst, einen „sehr sensiblen Mann“, durch „dauernde Besuche und kommunikatives Trommelfeuer unter Druck zu setzen“, halte er für unfair“, so Lehmann weiter. Er wolle Benedikt XVI. „nicht die Zeit stehlen“.
Lehmann dämpfte Erwartungen an den Papstbesuch. Für inhaltliche Durchbrüche, etwa in der Ökumene, fehle die Zeit. Zudem sei es „ein Aberglaube, dass römische Alleingänge hier etwas bewirken könnten“. Es sei schon „eine kleine Sensation“, dass der Papst in Erfurt „die Schwelle des Klosters überschreitet, in dem Martin Luther viele Jahre gelebt hat“.
Der Kardinal bekräftigte die Kritik am geplanten Teilboykott der Papstrede im Bundestag. Wenn Abgeordnete dem Auftritt fernblieben, sei dies „schäbig und primitiv“. Angesichts möglicher Störungen und Proteste gegen den Papstbesuch riet Lehmann im Übrigen zur Gelassenheit. „Das ist Ritual und gehört zu einer modernen, pluralen Gesellschaft. Ich verstehe, dass Menschen ohne ein inneres Verhältnis zur Kirche keinen Sinn dafür haben, wie viel Raum dem Papst öffentlich gegeben wird, und dass sie einen Gegenakzent setzen wollen.“