Philosoph Sloterdijk: "Pastorale Identität" Gaucks wird Menschen bald nerven. - Gaucks Sohn verteidigt Vater gegen Kritiker: „Er hat als Pastor sehr konkret geholfen“. - „Er ist für uns selten der Familienvater gewesen“. „Er macht sich Gedanken über eine Hochzeit“.
Der Philosoph Peter Sloterdijk erwartet, dass der designierte Bundespräsident Joachim Gauck aufgrund seiner "pastoralen Identität" bald vielen Menschen "auf die Nerven gehen" werde. "Es gibt schon jetzt Kommentatoren, die sagen, Merkel und Gauck, so viel politischen Protestantismus haben wir nicht verdient", sagte Sloterdijk in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus".
"Man kann sich gut eine katholische Reaktion vorstellen, eine atheistische Reaktion, eine antiautoritäre Reaktion. Wir tun zwar so, als wäre uns eine moralische Autorität im höchsten Staatsamt willkommen, aber sobald sie sich äußert, wird man sich gegen sie auflehnen." Sloterdijk kritisierte die "verbalen Enthemmungen" in der "Schlacht um Gauck".
In diesem Klima könnten sich nur "Personen mit einem feuerfesten Ego in einem solchen Amt halten". Sloterdijk weiter: "Wir müssten eigentlich eine sozialistische israelische Politikerin für dieses Amt ausleihen." Er favorisiere seit Längerem so etwas wie Lean Government: "Gute Leute von anderswo sollte man mieten können, wenn man bei der Rekrutierung von Geeigneten daheim auf Schwierigkeiten stößt."
Gaucks Sohn verteidigt Vater gegen Kritiker
Joachim Gaucks ältester Sohn Christian hat seinen Vater gegen Vorwürfe verteidigt, er sei zu DDR-Zeiten kein wirklicher Widerständler gewesen. Der frühere Pfarrer, der in zwei Wochen zum Bundespräsidenten gewählt werden dürfte, „hat sich nicht gegen alles gestellt, aber er hat als Pastor sehr konkret geholfen. Damit war er für uns ein Bürgerrechtler im wahrsten Sinne des Wortes“, so Christian Gauck zur "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.). „Viele haben meinem Vater schon in der Wendezeit schwer übelgenommen, dass er die DDR nicht reformieren, sondern abschaffen wollte.“
Christian Gauck, der als Chirurg in einer Hamburger Klinik arbeitet, berichtet der F.A.S. ausführlich von seinem Vater und von der Familie, die es mit ihm nicht immer leicht hatte: „Wir kamen als Familie immer an zweiter Stelle, er hat alles allein entschieden.“ Joachim Gauck sei „immer unterwegs“ und „für uns selten der Familienvater“ gewesen, berichtet der Sohn. In seiner Arbeit als Pfarrer in Rostock-Evershagen, wo er eine Gemeinde aufbaute, sei der Vater aufgegangen, was beeindruckend gewesen sei; für andere aber habe er sich immer mehr eingesetzt als für die eigene Familie, was ihn, Christian, oft „unglaublich enttäuscht“ habe. Auch nach der Wende habe sich der Vater in seine Arbeit bei der Stasi-Unterlagenbehörde „geflüchtet“. Erst später habe er „angefangen, seine privaten Dinge aufzuarbeiten, und dabei wohl bemerkt, dass er nicht alles wegschieben kann und dass er auch Fehler gemacht hat“. Heute, so Christian Gauck, „ist das alles ausgestanden“.
Von der abermaligen Nominierung seines Vaters für das Amt des Bundespräsidenten ist die Familie nach den Worten Christian Gaucks überrascht worden. Sie hätten „nicht geglaubt, dass er nach dem Wulff-Rücktritt noch einmal gefragt wird. Wir haben alle gedacht: Sie wird nicht über ihren Schatten springen“, so Christian Gauck über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Von der Mutter seiner Kinder lebt Joachim Gauck getrennt. Zu der von manchen geäußerten Forderung, Gauck solle seine Lebensgefährtin Daniela Schadt heiraten, sagt Christian Gauck: „Er macht sich Gedanken über eine Hochzeit, aber er hat wohl noch keine Entscheidung gefällt.“