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Maut: Anders als geplant

Nach diversen Reformrunden steht am Ende der ganzen Mautdebatte etwas völlig anderes: Ein riesiges bürokratisches Projekt, dessen Mehrwert sowohl für die Kasse des Bundes und als für den Geldbeutel der deutschen Autofahrer gering sein dürfte. Für alle in- und ausländischen Datensammler aber tut sich künftig eine wahre Fundgrube auf.

 

Von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer, Christoph Zeitler

Erinnern Sie sich noch wie vor geraumer Zeit, genauer im Mai 2013 – also im Vorfeld der Bundestagswahlen – aus der Münchner Staatskanzlei der Vorschlag zur Einführung einer Autobahnmaut kam und was der Aufhänger gewesen ist? Richtig, es ging damals angeblich darum, dass auch ausländische Nutzer der Autobahnen und Bundesstraßen für deren Erhalt aufkommen sollten. Ein vernünftiger Vorschlag – denn fast überall in der EU wird eine Maut erhoben. Überall müssen die Nutzer der Straßen hierfür eine Gebühr errichten – nur in Deutschland nicht. Hier müssen nicht die Straßennutzer, sondern die Halter der in Deutschland angemeldeten Fahrzeuge zahlen. Dies ist nicht nur ungerecht sondern auch unsinnig.


Nun war die Idee sicherlich auch dem Bundeswahlkampf geschuldet, die CSU dürfte mit der richtigen Idee auch auf einen ordentlichen Stimmenzuwachs gehofft haben. Dass aufgrund von EU-Vereinbarungen Deutschland nicht so einfach eine Maut alleine für nicht in Deutschland gemeldete Fahrzeuge erheben kann, dürfte damals schon allen Beteiligten klar gewesen sein. Aber im Wahlkampf darf man das alles nicht so genau nehmen. Schon Adenauer hat sein Geschwätz von gestern herzlich wenig interessiert.


Umso bemerkenswerter daher, wie hartnäckig die Freunde der „Maut für Ausländer“ an dem Thema dranblieben – auch und gerade nach der erfolgreichen Bundestagswahl und eben nicht den „Adenauer“ machten. Gegen den Widerstand der Koalitionspartner, gegen den Widerstand der Bundesländer und selbstredend auch gegen den Widerstand aus Brüssel wurde das Thema weiterverfolgt. Wer sich so verbissen einem Ziel widmet, der erreicht es schließlich auch. Nun also, nach zähem Ringen, wird die Autobahnmaut kommen.


Bravo! möchte man rufen. Denn die eigentliche, zugrunde liegende Idee ist absolut richtig: Wer die Straßen benützt, sollte auch für deren Erhaltung aufkommen. Diesen Ansatz mit viel Energie gegen großen Widerstand verfolgt zu haben, verdient aufrichtiges Lob. Allerdings entwickelte sich die Umsetzung dieser Idee leider zu einem Irrläufer. Denn nach diversen Reformrunden, Ein- und Widersprüchen der Justiziare und der EU-Kommission steht am Ende der ganzen Mautdebatte etwas völlig anderes: Ein riesiges bürokratisches Projekt, dessen Mehrwert sowohl für die Kasse des Bundes und als für den Geldbeutel der deutschen Autofahrer gering sein dürfte. Für alle in- und ausländischen Datensammler aber tut sich künftig eine wahre Fundgrube auf.


Würde die Maut einfach und schnörkellos erhoben wie beispielsweise bei unseren österreichischen Nachbarn, wäre sie ein Beispiel für die schnelle und effiziente Umsetzung einer guten und politisch richtigen Idee. Dort erwirbt man ein „Pickerl“, klebt sich selbiges hinter die Windschutzscheibe und damit ist es gut. Schnell, einfach und unkompliziert – das System generiert gute Einnahmen, der Grenzverkehr ist kaum behindert. Auch in Italien oder Spanien funktionieren die Mautsysteme – sie sind einfach und effizient. Durch die Mautstationen entstehen zudem Arbeitsplätze.


In Deutschland dagegen soll die Maut ein elektronisches Wunderwerk werden, quasi ein Aushängeschild deutscher Ingenieurskunst. Alle Nummernschilder werden erfasst und sollen laufend mit einer Datenbank verglichen werden. Automatisch kann so festgestellt werden, wer bereits gezahlt hat und wer nicht – bezogen auf die nicht in Deutschland angemeldeten Fahrzeuge freilich. Denn die Deutschen selbst zahlen alle automatisch die Maut, die jedoch wieder von der Kfz-Steuer abgezogen wird. Das freut die Bürokratie und führt dazu, dass von den kalkulierten Einnahmen letztlich nur mehr rund 500 Millionen übrig bleiben werden. Das ist zwar bei einem Bedarf von 7 Milliarden jährlich für die marode deutsche Infrastruktur nicht wirklich viel, aber immer noch besser als nichts.


Ob allerdings die Einnahmenrechnung so aufgeht, muss sich erst noch zeigen – Zweifel sind definitiv angebracht. Denn bereits die LKW-Maut war ein ähnliches „state-of-the-art“ Projekt. Ihre Einführung erinnerte weniger an große Ingenieurskunst, sondern war vielmehr ein jahrelanges Drama mit endlosen Verzögerungen, nicht funktionierende Sendeboxen und ähnlichem. Noch immer streitet man sich über die Einnahmeausfälle von mehr als 7 Milliarden Euro.


Die Softwareentwicklung dürfte deutlich teurer werden und ob sie in dem gegebenen Zeitrahmen überhaupt möglich ist, muss sich ebenfalls erst zeigen.


Jedoch wird durch dieses Wunderwerk der Technik vieles weitere möglich – nicht zuletzt die Erschließung einer schier unerschöpflichen neuen Einkommensquelle. Das Zauberwort hierbei heißt „section control“. Hinter dem wunderbaren Neudeutsch verbirgt sich die Idee, die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs nicht an einem bestimmten Punkt zu messen, sondern über einen längeren Abschnitt hinweg. Da ja ohnehin alle Fahrzeuge automatisch erfasst werden, lässt sich sehr einfach feststellen, wer die angegebene Höchstgeschwindigkeit übertreten hat: Wer zu früh ankommt, war zu schnell und zahlt – automatisch versteht sich.


Gut, nun hatte das Bundesverfassungsgericht vor noch gar nicht allzu langer Zeit festgestellt, dass die reihenweise und automatische Erfassung und das Speichern von Kfz-Kennzeichen mit dem Recht auf informelle Selbstbestimmung in der Bundesrepublik unvereinbar ist. Daran aber stört sich niemand – schon gar nicht das BKA. Denn das hat ja bereits größtes Interesse an den gesammelten Daten angemeldet. Damit sind wir bei dem Kernproblem angelangt. Die nun beschlossene Form der Maut macht es möglich, nicht nur jede Geschwindigkeitsübertretung zu ahnden, sondern auch recht exakte Bewegungsprofile von rund 50 Millionen Bundesbürgern zu erstellen. Wer ernsthaft glaubt, dass dies nicht geschehen werde, dem ist angesichts der jüngst offengelegten Praxis wirklich nicht zu helfen. Alle Bundesregierungen – gleich welcher Couleur – waren im Umgang mit der Auslieferung sensibler Daten und der Preisgabe von Bürgerrechten gerade gegenüber „befreundeten“ Diensten derart willfährig, dass man sich hier keinerlei Illusion hingeben sollte.


So kann die Mauteinführung exemplarisch zur Beschreibung zweier Kernprobleme der jüngeren Politik herangezogen werden. Zum einen macht sie die extreme Übertragung von Souveränitätsrechten der Bundesrepublik an die EU deutlich. Denn die Einführung einer unkomplizierten Vignetten-Lösung wurde durch den Brüsseler Einspruch verhindert.


Zum anderen zeigt sie, wie sich eigentlich vernünftige Ideen im politischen Mahlstrom verändern und durch die politisch Handelnden entstellt werden. Aus sinnvollen Ansätzen und richtigen Überlegungen werden bürokratische Monster und Gesetze ermöglichen plötzlich Dinge, die sich sonst nur schwer durchsetzen ließen und vor allem mit dem ursprünglichen Gesetzesvorhaben nicht mehr viel gemein haben: Die komplette Erfassung und Überwachung des Verkehrs auf den Autobahnen und Bundesstraßen ist ein langgehegter Wunschtraum des großen Bruders im Parlament und wäre so nie von der Öffentlichkeit akzeptiert worden – die Einführung einer Autobahnmaut macht dies nun „endlich“ möglich.

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