Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist nach eigenen Worten zutiefst beunruhigt über den Zustand der Demokratie.
In einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT sagt Steinmeier, er sei „das Gegenteil von gelassen“, was die Zukunft der Demokratie angehe. „Demokratie verlangt Kritik und braucht Opposition, aber manches in den sozialen Medien erinnert in der Sprache inzwischen an die Missachtung und Verächtlichmachung der demokratischen Institutionen in der Weimarer Demokratie“, sagt der Bundespräsident.
Eine Mitverantwortung gibt Steinmeier den Medien, für die die „vernünftige Mitte schon vor langer Zeit uninteressant geworden“ sei. Zum Gesamtbild gehörten aber auch „offenliegende Fragen, auf die die Politik nicht oder nicht schnell genug Antwort gibt. Die Migrationsfrage gehört eindeutig dazu“, so der Bundespräsident.
Steinmeier fordert in diesem Zusammenhang, die Zahlen „derjenigen, die kommen“ müssten „kalkulierbar“ gehalten werden.
Der Bundespräsident appelliert zugleich an die Deutschen, „nicht beleidigt“ auf die fundamentalen Veränderungen im Verhältnis zu den USA zu reagieren. „Wir tun immer so, als sei dieses transatlantische Verhältnis, insbesondere zwischen den USA und Deutschland, eines, das nur von Zuneigung und nicht auch von Interessen geprägt war. Diese fast schon beleidigte Haltung, die manchmal in Deutschland zu spüren ist, zeigt, dass manche nicht verstehen, wie sich mit der Veränderung der Welt natürlich auch die amerikanische Interessenlage verändert – und das nicht erst seit Trump.“
Das transatlantische Pendel werde während Trumps Amtszeit und auch danach „nicht wieder in die für Jahrzehnte geltende Normallage zurückfallen“. Europa werde „nicht wieder Kern der amerikanischen Sicherheitspolitik werden“.
Im Umgang mit Italien, wo seit kurzem eine Koalition aus der rechtsgerichteten Lega Nord und der populistischen Partei Cinque Stelle reagiert, rät Steinmeier zu Zurückhaltung: Man könne und müsse „Italien und seine Menschen lieben“. Weiter: „Aber es steht uns gut an, sie auch zu respektieren. Das schließt politische Sorgen angesichts der aktuellen Entwicklungen natürlich nicht aus. Wohl aber hochmütige Belehrungen. Solche vertragen sich weder mit Liebe noch mit Respekt“, so der Bundespräsident.
Steinmeier verwahrt sich die Zuschreibung, er sei der „Geburtshelfer“ der großen Koalition in Deutschland: „Dieser Satz, den ich häufiger gelesen habe, vom Geburtshelfer der großen Koalition, nimmt weder das Amt des Bundespräsidenten noch die Verfassung genügend ernst.“ Weiter: „Ich kann nichts für das Scheitern von Jamaika, ich war mir sogar sicher, dass die Beteiligten zusammenkommen werden“, sagt Steinmeier.
Den Vorwurf, er habe mit seiner Entscheidung seine ehemalige Partei SPD zu einer für sie existentiell bedrohlichen Entscheidung gedrängt, weist Steinmeier zurück. Er könne niemanden zwingen, gegen seine Überzeugungen eine Konstellation einzugehen, die er für sich selbst für schädlich halte. Die SPD habe „für sich die Entscheidung getroffen, dass sie in die Verantwortung gehen will, und das ist maßgebend“.
Foto: Frank-Walter Steinmeier, über dts Nachrichtenagentur